Warum Milliardäre und Klimarettung nicht vereinbar sind
Wer belastet das Klima wie stark? Warum scheitert Klimaschutz, obwohl es gesellschaftliche Mehrheiten dafür gibt? Und wer zahlt am Ende die Zeche? Antworten auf diese und weitere Fragen findest du hier.
Ein grauer Morgen auf einem Flugfeld irgendwo in Norddeutschland. Vor einem kleinen Privatjet stehend erklärt der Verleger Julien Backhaus, warum er heute diese Art zu Reisen gewählt hat:
Ich finde es momentan abartig, mit öffentlichen Verkehrsmitteln (zu fahren) und mit diesen ganzen keuchenden und rotzenden Leuten eine Kabine zu teilen. Das mache ich so selten, wie es nur irgendwie geht.
Daher bevorzugt Backhaus den Privatjet, um zu einem Geschäftstermin zu reisen. Ein NDR-Reporter durfte ihn für eine Doku des Politmagazins Panorama begleiten. Eine Stunde Flugzeit stehen an für den Trip von Wilhelmshaven nach Frankfurt, Kurzstrecke. Kostenpunkt: 4.000 Euro.
Ob ihm das Klima egal sei, möchte der Reporter an Board der edel ausgestatteten Kabine wissen. »Ich mache mir wenig Gedanken darüber«, antwortet Backhaus. Zum Glück gebe es eine gewisse Aufteilung in der Bevölkerung, und er gehöre zu dem kleinen Teil, der sich so etwas wie Flüge mit Privatjets erlaubt.
»Verzicht finde ich grundsätzlich blöd. Ich glaube, dass wir in einer Welt leben, die uns eine gewisse Fülle bietet. Und ich finde auch, dass jeder das Recht haben sollte, die Fülle zu nutzen.« Backhaus glaubt nach eigener Aussage, dass er durch sein Handeln niemandem aktiv einen Schaden zufüge.
Wenn Julien Backhaus diese Aussage ernst meint, wird ihm dieser Text eine Menge Anlass zum Nachdenken geben. Denn wie viel von der planetaren Fülle sich jemand genehmigt, ist ab einem gewissen Grad keine Privatsache mehr. So ist wissenschaftlich längst erwiesen, dass finanzieller Reichtum, die ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen und die Klimakrise untrennbar miteinander verbunden sind.
Dabei geht es um Dinge wie Privatjet zu fliegen und per Superyacht die Meere zu durchkreuzen – aber bei Weitem nicht nur. Villen, Luxusgüter und klimaschädliche Investments sorgen dafür, dass einzelne Superreiche CO2-Fußabdrücke hinterlassen, die bis zu 1.000-mal so hoch sind wie der nationale Durchschnitt.
Erkennen wir die kausalen Zusammenhänge zwischen extremer Ungleichheit und Klimakrise, können wir diese elementaren Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gezielt angehen. Und so mit den richtigen Maßnahmen 2 Fliegen mit einer Klappe schlagen: Eine Umverteilung sowohl von Vermögen als auch den Kosten für den Klimaschutz hilft nicht nur armen Menschen, sondern könnte auch die Emissionen der Reichsten senken.
Die Bestandsaufnahme: Wer verschmutzt wo wie viel?
Klimawandel und Ungleichheit sind auf vielfache Weise und unterschiedlichen Ebenen miteinander verknüpft. Dass ein reicher Mensch wie der Verleger Julien Backhaus durch seinen Lifestyle für mehr Treibhausgase verantwortlich ist als ein Supermarktangestellter, der alle 2 Jahre nach Mallorca fliegt, liegt auf der Hand. Je mehr Geld zur Verfügung steht, desto mehr Luxusgüter werden konsumiert.
Weniger intuitiv ist, wie extrem ungleich die Bilanzen zwischen Ottonormalbürgern und Superreichen unterm Strich ausfallen. Dabei handelt es sich um einen sehr komplexen Sachverhalt. Doch nicht verzagen! Ich habe dir das große Ganze in 9 handliche Puzzleteile zerlegt, woraus du dir am Ende selbst ein Bild zusammensetzen kannst.
1. Puzzleteil: Wie verteilen sich die Emissionen global gesehen in Bezug auf Reichtum?
Im Schnitt sorgt eine Erdenbürgerin für 6 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr. Doch Durchschnittswerte bergen stets eine Gefahr. Sie verschleiern, wie sich die Anteile bestimmter Gruppen auf das große Ganze verteilen. Extreme Ausreißer nach oben (und unten) werden so kaschiert.
Schlüsseln wir den durchschnittlichen Ausstoß pro Person auf und berücksichtigen dabei, wie reich diese Person jeweils ist, zeigt sich eine riesige Unwucht. Wer zum reichsten Prozent zählt, sorgt pro Jahr für mehr als das 15-fache an Treibhausgasemissionen als der globale Durschnitt – nämlich für 101 Tonnen CO2.
Diese grundlegende Tendenz – je reicher, desto mehr Emissionen – bleibt auch auf der Ebene von Kontinenten und einzelnen Staaten gleich. Die reichsten 10% verursachen in Asien genauso überdurchschnittlich viel CO2 wie in Nord-, Mittel- und Südamerika, Europa und Afrika.
Was daraus folgt, erklärt Katharina Bohnenberger. Sie ist Mitautorin der Studie
Das heißt: Superreiche Inderinnen und Deutsche nehmen sich in Sachen Konsum und Emissionen nicht sonderlich viel, während sich beide Bevölkerungsgruppen innerhalb ihrer Länder gleichermaßen immer weiter vom Rest entfernen. »Wenn wir also über konsumbasierte Emissionen reden, ergibt es daher viel mehr Sinn, wenn wir über die Reichsten im Allgemeinen reden, unabhängig davon, wo sie wohnen.«
2. Puzzleteil: Wie groß ist der Anteil einzelner Aktivitäten an den Emissionen?
Es ist kein Zufall, dass in der Debatte um Ungleichheit und Klimakrise meist zuerst der Privatjet auf der Agenda steht. Neben gigantischen Superyachten sind die exklusiven Flugtaxis für das oberste Prozent das moderne Sinnbild für Überreichtum. Die Freizeitgestaltung des US-amerikanischen Reality-TV-Stars Kylie Jenner (geschätztes Vermögen: 1 Milliarde US-Dollar) illustriert, welche Ausmaße das annehmen kann: Gerade einmal 17 Minuten dauerte einer ihrer Flüge aus dem vergangenen Jahr, für einen Trip, der auch in 40 Minuten per Auto machbar gewesen wäre.
Klingt abstrakt? Hier eine Einordnung: Du könntest zum Beispiel mit dem Auto von Deutschland in den Iran fahren und hättest immer noch weniger CO2 ausgestoßen als die Milliardärin mit ihrem 17-
Privatjettrips zu Freizeit- und Businesszwecken tragen maßgeblich dazu bei, dass lediglich 1% der Weltbevölkerung für die Hälfte der gesamten Flugemissionen verantwortlich ist. Betrachten wir nur die EU, zeigt sich, dass hier die reichsten 10% der EU-Bürgerinnen für den Großteil der im Flugverkehr ausgestoßenen Emissionen verantwortlich sind.
Allein bei Flugreisen stößt das reichste Prozent der EU-Bürger pro Jahr mehr Emissionen aus als die unteren 90% zusammen
Natürlich steigen auch in allen anderen Lebensbereichen die Emissionen parallel zum Reichtum, aber in keinem anderen sind sie derart entkoppelt vom Rest wie im Bereich Mobilität. »In allen anderen Konsumkategorien gibt es eine Art natürliche Grenze, im Bereich Ernährung kann man etwa gar nicht so viel Fleisch essen, um die Ungleichheit noch weiter zu erhöhen, als es ohnehin schon der Fall ist«, erklärt Katharina Bohnenberger.
3. Puzzleteil: Wie haben sich die Emissionen in den vergangenen 30 Jahren entwickelt?
Ob E-Mobilität, emissionsärmere Produktionsverfahren oder der Ausbau von erneuerbaren Energien – in den letzten Jahrzehnten hat sich einiges getan, doch bei Weitem nicht genug, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu begrenzen.
Insgesamt sind die globalen Pro-Kopf-Emissionen zwischen 1990 und 2019 um 7% gestiegen. Erstaunlich dabei: Der Anteil der ärmsten Hälfte der Weltbevölkerung und der Anteil des obersten Prozents nahmen etwa gleich viel zu - jeweils um knapp
Der Grund: »Ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau verursacht die Zunahme der Emissionen der unteren Hälfte absolut weniger Emissionen als der Zuwachs der Emissionen bei dem obersten Prozent«, schreiben Katharina Bohnenberger und ihre Kolleginnen in ihrer Studie.
In der EU ist die Situation sogar noch brisanter: »Wir sehen tatsächlich, dass die reichsten Europäer:innen ihre Emissionen sogar gesteigert haben, während die Einsparungen, die wir in der EU sehen, tatsächlich auf die unteren 99% zurückzuführen sind«, sagt Katharina Bohnenberger.
So weit die Bestandsaufnahme. Zeit, den Laborkittel abzulegen und die gewonnen Erkenntnisse auszuwerten!
4. Puzzleteil: Wie kann Umverteilung gegen die Klimakrise wirken?
Stelle dir vor, du hast es im Leben ganz gut getroffen: Du besitzt ein kleines Eigenheim, fährst ein modernes Auto, in deinem Vorgarten blühen die Blumen. Du bist zufrieden. Jedenfalls so lange, bis deine Nachbarin mit ihrem neuen, sündhaft teuren SUV in der Einfahrt auf dem Grundstück nebenan auftaucht. Was denkst du, ganz unwillkürlich?
Je ungleicher eine Gesellschaft generell ist, desto mehr wird tendenziell auch an Luxusgütern konsumiert. Sprich: der schwere SUV, das große Haus oder Fernreisen. Also alle Dinge, die Status symbolisieren, um sich eine Position in der Gesellschaft zu sichern und sich von der Mittelschicht abzusetzen und denen, die ganz oben stehen, nachzueifern.
»Du hast
5. Puzzleteil: Warum einige Superreiche gegen Klimaschutz lobbyieren
Doch damit hört es nicht auf: Bleibt nach dem Konsumwettlauf noch immer Geld übrig, fließt es meist in Anlagen, die nicht nachhaltig sind. Die Forschung über die Klimafolgen von Investments ist relativ jung und hat ein zentrales Problem: In den meisten Fällen ist es komplett intransparent, wer bestimmte Aktien und Anlagen hält. An brauchbare Daten für wissenschaftliche Auswertungen zu kommen, ist daher schwierig – und Superreiche haben meist wenig Interesse daran, dass sich das ändert.
Klarer ist, wo die Abermilliarden der Investorinnen angelegt sind. »Ein Großteil des in Geldanlagen geparkten Kapitals der Reichen ist fossiles Kapital. Das heißt, es steckt in Anlagen, die an Wert verlieren, wenn wir uns als Menschheit von der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen lösen wollen«, sagt Katharina Bohnenberger.
Geldanlagen, deren Profitabilität davon abhängt, dass fossile Brennstoffe eingesetzt werden, werden daher als
»Es ist machtpolitisch sehr problematisch, dass Reiche große Teile ihres Vermögens in Stranded Assets geparkt haben. Drohen diese durch Klimaschutzmaßnahmen an Wert zu verlieren, werden sie ihre Macht nutzen und politischen Einfluss ausüben und gegen Klimaschutz lobbyieren,
6. Puzzleteil: Wie Ungleichheit effiziente Innovationen bremst
Stelle dir vor, du willst ein Start-up gründen und designst ein Produkt. Was wäre deine favorisierte Zielgruppe? Menschen, die sich viel leisten können – oder doch lieber solche, die sich fast nichts leisten können?
Anhand dieser einfachen Überlegung wird schnell klar, wie sich eine große Zielgruppe sehr reicher Menschen auf die Wirtschaft auswirkt: »Reichtum ändert etwas an der Innovationsrichtung. Als Unternehmerin natürlich den Anreiz, Produkte für reiche Personen zu gestalten, weil diese schlicht mehr zahlen«, sagt Bohnenberger.
Ungleichheit führt zu mehr luxussanierten Loftwohnungen und weniger Wohnraum für Familien
Ein gutes Beispiel dafür ist laut der Forscherin Wohnraum: »Bauen ist extrem CO2-intensiv. Trotzdem werden 90-Quadratmeter-Wohnungen gebaut, die aufgrund des Schnitts aber nicht für Familien, sondern für Paare ausgelegt sind. Wird das Wohnungsangebot immer weiter in diese Richtung ausgeweitet, heißt das, dass im Laufe der Zeit Paare solche Wohnungen beziehen, die sonst auch mit 50 Quadratmetern ausgekommen wären.«
7. Puzzleteil: Warum bisherige Maßnahmen versagen
Im Jahr 2022 haben Harvard-Forschende 40.000 Menschen in 20 Ländern befragt,
Ein gutes Beispiel dafür, wie stark solche Dynamiken wirken können, sind die sogenannten Gelbwestenproteste in Frankreich. »Dahinter stand ein ganz klares Verteilungsproblem der Kosten von Klimaschutzmaßnahmen. Es gab Steuersenkungen für Vermögende – und konsequent danach wurde ein Klimaschutzinstrument abgelehnt. Das hat damit zu tun, dass Leute, die in Frankreich arm sind, oft weit außerhalb der Zentren wohnen und schlecht an diese angebunden sind. Die brauchen ihr Auto, um zu ihrer Arbeitsstelle zu kommen. Auf diese Weise führt fehlender gesellschaftlicher Zusammenhalt und Ungleichheit dazu, dass Klimaschutzmaßnahmen schlechter umgesetzt werden können«, erklärt Katharina Bohnenberger.
Der Freifahrtschein für die Superreichen hat vor allem deshalb unbegrenzte Gültigkeit, weil sie die bisherigen Instrumente und Maßnahmen für mehr Klimaschutz nahezu gar nicht betreffen. »Bisher sind viele davon ausgegangen, dass wir einfach einen Preis für CO2 brauchen, dann würde der Markt das Problem von selbst lösen. Jetzt sehen wir ein zentrales Problem an dieser Logik: Superreichen Personen ist es egal, ob etwas mehr kostet«, sagt Bohnenberger.
Umso reicher jemand ist, umso weniger fällt es ins Gewicht, ob das Flugticket nach Australien 100 oder sogar 1.000 Euro mehr kostet.
8. Puzzleteil: Wie ein Klimasoli 2 Fliegen mit einer Klappe schlagen könnte
Da die CO2-Bepreisung untauglich ist, um das Konsumverhalten von Superreichen zu steuern, schlagen Katharina Bohnenberger und die Mitautorinnen in ihrer Studie verschiedene Instrumente vor. Diese zielen explizit darauf ab, Überreichtum und Ungleichheit abzuschmelzen und gleichzeitig für mehr Klimaschutz zu sorgen. Und dafür ist es essenziell, die Superreichen entsprechend ihrer finanziellen Leistungskraft an den Kosten dafür zu beteiligen – und zwar in Form eines Klimasolis.
»Die Idee ist es, sehr hohe Einkommen und Vermögen mit einem Klimasoli zu besteuern. Die Einnahmen aus diesem Soli müssen dann zweckgebunden dazu dienen, die grüne Transformation unserer Gesellschaft zu finanzieren«, erklärt Bohnenberger. Also etwa, um den Austausch klimaschädlicher Heizungen stark zu bezuschussen. Ein Thema, das ganz aktuell in Deutschland die Gemüter erhitzt und in der Lage ist,
Doch selbst diese Maßnahme allein würde nichts daran ändern, dass Superreiche superreich sind – mit all den Folgen, die damit einhergehen. Daher sollte ein Klimasoli auch auf das Konsumverhalten abzielen. Hier schlagen die Autorinnen eine gezielte progressive Besteuerung des Luft- und Wasserverkehrs vor, bei dem die obersten 10% per Privatjet, Yacht und Co. für die meisten Emissionen sorgen.
Wenn ich für die erste Tonne CO2, die ich so ausstoße, 1% meines Vermögens oder Einkommens zahlen müsste, für die nächste Tonne 2% und so weiter, kommt man schnell an eine natürliche Grenze, ab der es unangenehm wird und der Preisanreiz erst Sinn ergibt.
Der Klimasoli ist nur einer von mehreren Ansätzen, den die Autorinnen in ihrer gemeinsamen Studie vorschlagen. Ein weiteres wichtiges Instrument wäre eine sogenannte Klimakreditkarte, die sicherstellen soll, dass nicht nur Überreichtum abgebaut wird, sondern auch Armut.
Die Grundidee ist es hier, feste Kontingente von Gütern vergünstigt oder sogar kostenfrei bereitzustellen. Dazu zählen gewisse Mengen an Lebensmitteln, Energie und Mobilitätskilometern, die subventioniert und per Klimakreditkarte bezahlt werden können.
Details zu diesem Konzept findest du im Text meiner Kollegin Maria Stich, die dir in 2 Wochen Lösungen für die faire Verteilung von Anpassungskosten an das sich wandelnde Klima vorstellt.
9. Puzzleteil: Warum eine fairere Verteilung von Reichtum das Problem nicht nur verschiebt
Eine letzte Frage bleibt noch zu klären: Verschiebt sich das Problem der Emissionen nicht einfach von wenigen oben auf viele unten, wenn wir die Kosten für den Klimaschutz fair verteilen würden? Die Antwort: Nein, wahrscheinlich nicht.
»Grundsätzlich ist es so, dass ärmere Menschen mehr Geld für Grundgüter wie Nahrungsmittel oder Miete ausgeben müssen. Und das sind Güter, die sich leichter dekarbonisieren lassen. Wenn weniger reiche Menschen mehr Geld übrighätten, könnten sie es sich zum Beispiel eher leisten, Lebensmittel in Bioqualität zu kaufen oder ihre Wohnungen und Häuser energetisch zu sanieren«, sagt Katharina Bohnenberger.
Kurz: Selbst wenn Reichtum von oben nach unten umverteilt wird, werden arme Menschen nicht plötzlich mit dem Privatjet zur Arbeit fliegen.
Das Bild, das sich am Ende aus unseren 9 Puzzleteilen ergibt, zeigt eines sehr deutlich: Die Klimakrise ist auch eine Gerechtigkeitskrise.
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily