Das Recyclingsymbol gehört in die Tonne. Es gibt bessere Alternativen
Der Erfinder des Symbols konnte nicht ahnen, dass sein Entwurf einmal die Welt erobern wird. Doch inzwischen schadet das Symbol mehr, als es nutzt.
Wir schreiben das Jahr 1970. Ohrenlange glatte Haare und ein Ankerbart – wie bei Robert Downey Jr. in Ironman – rahmen das schmale Gesicht, eine Brille mit dickem Gestell die Augen. Diese fixieren ein Blatt Papier mit einer selbstgemalten Grafik. Noch weiß der 23-jährige Student Gary Anderson nicht, dass sein Design einmal weltbekannt wird: 3 Pfeile in Form eines Dreiecks, die sich gegenseitig jagen.

Heute, 53 Jahre später, springt uns das Recyclingsymbol auf fast allem entgegen, was eine Verpackung besitzt oder im Entferntesten mit Recycling zu tun hat – auf Mülleimern, Bohnendosen, Sonnencremeverpackungen und etwa Infobroschüren und Werbung zum Thema Recycling sowie Unternehmenslogos. Das Problem: Das Symbol hat keine festgelegte Bedeutung.
Sagen die 3 Pfeile auf der Cremeverpackung nun aus, dass sie wiederverwertet werden kann oder aus recycelten Materialien besteht? Und was ist der Unterschied zu anderen Symbolen wie dem Grünen Punkt?
Je nach Verwendung stehen die 3 Pfeile für unterschiedliche Dinge. Das war einmal anders. Der inflationäre und irreführende Gebrauch des Recyclingsymbols hat dazu geführt, dass eine erste Regierung seine Verwendung bereits eingeschränkt hat. Weitere denken darüber nach. Sie wollen damit gegen Fehlinformationen vorgehen und sehen es als ein Puzzlestück,
Wie es dazu kommen konnte, welche Auswirkungen das zu viel verwendete Zeichen auf die Plastikkrise hat und welche Lösungen es gibt, erfährst du in diesem Artikel.
Was ist eigentlich Recycling?
Durch Recycling werden Abfälle wieder aufbereitet und zu neuen Produkten verarbeitet. Einweg-PET-Flaschen werden beispielsweise gesammelt und geschreddert. Aus dem Granulat können neue Flaschen der gleichen Qualität entstehen (Upcycling) oder etwas von niederer Qualität wie ein Fleecepullover (Downcycling). Das Verbrennen von Müll, sei es auch zur Energiegewinnung, gehört nicht dazu.
Die Geschichte der 3 Pfeile und deren Erfinder, der über seinen Erfolg stolperte
Das Recyclingsymbol entstand durch einen Designwettbewerb, den ein US-amerikanischer Kartonhersteller 1970 ausschrieb.
Der Wettbewerb des Kartonherstellers war eine Antwort auf das rasant wachsende Umweltbewusstsein in den USA. Erst ein Jahr zuvor, 1969, kam es zu einem Unfall im Meer vor Santa Barbara: Beim Austausch eines Ölbohrers
Container Corporation of America nutzte diese Atmosphäre. Über den Wettbewerb wollte der Kartonhersteller ein einprägsames Symbol für seine Pappe finden, die wiederverwertet werden konnte oder recycelt war. Es sollte den Wert von Recycling verdeutlichen. Rund 500 Designs wurden eingereicht. Gary Andersons Idee gewann.
»Ich habe nicht lange gebraucht, um mein Design zu entwerfen: ein oder zwei Tage«,
Der Kartonhersteller druckte fortan die 3 abgeknickten Pfeile auf seine Kartons und kennzeichnete damit, ob sie wiederverwertetes Altpapier enthielten oder recyclingfähig waren.
- Pfeile in einem schwarzen Kreis zeigten, dass ein Karton aus 100% Altpapier bestand.
- Ein leerer Kreis mit Pfeilen bedeutete, dass er nur einen gewissen Anteil an recyceltem Material enthielt, manchmal gab es noch eine Prozentangabe dazu.
- Die Pfeile ohne Kreis symbolisierten: Der Kartonbehälter war recyclingfähig.

Zeitgleich brachte die steigende Nachfrage nach Faserrecycling die größten US-amerikanischen Papier- und Kartonhersteller zu Gesprächen zusammen. Zu ihnen gehörte auch die Container Corporation of America. Sie lobbyierte im Herbst 1970 für ihr neues Design und ließ es andere Verbände gegen eine Gebühr verwenden. Doch als der Hersteller das Design patentieren lassen wollte, fochten andere Unternehmen den Anspruch an, bis ihn der Kartonhersteller aufgab. So ging Andersons Design in den öffentlichen Besitz über. Nun konnte das Symbol jeder so verwenden, wie er mochte. Innerhalb der nächsten Jahrzehnte wurden die 3 Pfeile zum Symbol für Recycling schlechthin.
Für Gary Anderson, der später als Architekt und Stadtplaner arbeitete, kam diese Entwicklung überraschend:
Sechs oder sieben Jahre nach meinem Studienabschluss lebte ich in Saudi-Arabien. […] Eines Sommers flog ich für einen Urlaub nach Amsterdam. Ich werde es nie vergessen: Als ich aus dem Flugzeug stieg, sah ich mein Symbol. Es befand sich auf einer großen, igelförmigen Recyclingtonne. Und es war größer als ein Strandball! Ich war wirklich verblüfft. Ich hatte jahrelang nicht mehr über dieses Symbol nachgedacht, und jetzt sprang es mir ins Gesicht.
So wird das Symbol heute genutzt
Heute gibt es viele Logos, die von Gary Andersons Design inspiriert sind. Manchmal sind es nur noch 2 Pfeile und ein Kreis anstelle eines Dreiecks, doch die Grundidee bleibt die Gleiche: Es soll einen geschlossenen Kreislauf darstellen und damit Nachhaltigkeit symbolisieren.
Da gibt es beispielsweise das britische Symbol »widely recycled«, welches bedeutet, dass das Material von mindestens 75% der lokalen Müllentsorgungsunternehmen in Großbritannien akzeptiert wird.

Das am weitesten verbreitete und daher wohl bekannteste Symbol ist der Recyclingcode. Diese sind zwar freiwillig, aber werden weltweit verwendet:
Obwohl es das vielleicht suggerieren mag:
Müll wird nicht richtig entsorgt, ist kontaminiert, hat viele Zusatzstoffe oder besteht aus einem Materialmix. Um bei Kunststoffen zu bleiben: Ballen aus aussortierten Resten und Mischplastik lagern auf dem Gelände von Müllsortieranlagen. Für die Betreiber lohnt es sich nicht, sie zu recyceln, die Ballen lassen sich nicht verkaufen. Sie müssen im Gegenteil sogar Geld an Betreiber von Verbrennungsanlagen bezahlen, damit diese die Ballen einäschern.
Im Jahr 2021 wurden
Warum so viel Plastik downgecycelt wird
Oft werden Plastik Chemikalien wie Weichmacher oder Flammschutzmittel zugefügt. Sie gehen ins Plastik über. Im Gelben Sack oder der Wertstofftonne kommt der ganze Müll zusammen und kann anderes Plastik verschmutzen. Eine Flasche aus dem Plastik HDPE kann etwa Spülmittel enthalten oder gefährlichen Abflussreiniger. Selbst nach dem Sortieren wissen Recycler nicht, womit genau sie es zu tun haben. Das Plastik wird gewaschen, eingeschmolzen und zu Granulat geformt. Dessen Qualität ist aber nie so gut wie neu hergestelltes Plastik und lässt sich nicht mehr für die gleichen Produkte wiederverwenden.
Dem Problem auf der Spur: Eine Lösung aus der Forschung
Das Phänomen solcher irreführenden Logos – bewusst oder unbewusst – nennt sich Greenlabeling. Es ist eine subtile Form von Greenwashing, also Produkte nachhaltiger wirken zu lassen, als sie es sind. Nun wäre es einfach, die Schuld bei den Karton-, Metall-, Plastik- oder anderen Herstellern und Recyclingunternehmen zu suchen (oft sind sie beides in einem). Manche von ihnen benutzen sicher bewusst die 3 Pfeile, um damit auf der grünen Welle mitzuschwimmen.
Das eigentliche Problem liegt aber woanders,
Daher haben die Forschenden ein Kennzeichnungssystem für Kunststoffe erarbeitet und in der Fachzeitschrift Environmental Science & Policy veröffentlicht. Sie schlagen ein Label vor, das um einiges ausgefeilter ist als das, was sich der US-amerikanische Kartonhersteller 1970 ausgedacht hat. Das von ihnen vorgeschlagene Kennzeichnungssystem gibt nicht an, ob ein Kunststoff theoretisch recycelbar ist. Es liefert Verbraucher:innen Informationen, wie gut er sich tatsächlich vor Ort wiederverwerten lässt und welche Auswirkungen er auf Umwelt und Gesundheit hat.
Laut den Forschenden sollte das Label vor allem 3 Informationen enthalten:
- Wie nachhaltig ist die Verpackung oder das Plastikprodukt? Auf einer leicht verständlichen Skala soll angegeben werden, wie nachhaltig die Verpackung ist. Dabei wird miteinbezogen, ob und wie gut sie mit der Entsorgungsinfrastruktur des Landes recycelt werden kann, ob sie etwa toxische Zusatzstoffe enthält und wie belastend die Produktion für die Umwelt ist.
So würden etwa PET-Flaschen in Deutschland besonders gut abschneiden, da sie über die Pfandrückgabe nicht im Gelben Sack landen, sondern getrennt gesammelt werden. Da sie auch separat recycelt werden, ist das Rezyklat aus alten PET-Flaschen besonders rein und sehr gefragt. Vielschichtige Verpackungen von Gummibärchen hingegen, die nicht getrennt werden können, oder Abflussreiniger würden schlechter abschneiden. - In welchen Müll kommt das? Die Kennzeichnung soll klare Anweisungen haben, wie Verbraucher:innen das Plastik richtig entsorgen müssen – und zwar dort, wo sie es gekauft haben. In Deutschland wäre das etwa: der Gelbe Sack oder die Wertstofftonne. Kann der Kunststoff mit dem aktuellen Stand der Technik nicht recycelt werden, müsste es ehrlicherweise die schwarze Tonne sein. Im Falle von
- Welche Materialien und Zusatzstoffe wurden verwendet? Die Forschenden wollen, dass das Plastik und alle seine chemischen Zusatzstoffe mitangegeben werden. Hier würde auch stehen, ob die Verpackung aus bereits recycelten Materialien besteht.
Diese Idee löst zwar nicht das Problem, dass Verpackungen gesundheitsgefährdende Substanzen oder Zusatzstoffe enthalten, die das Rezyklat verunreinigen, doch es schafft Transparenz. Diese brauchen Verbraucher:innen, um informierte Kaufentscheidungen treffen zu können, und Recycler, um den Druck auf die Hersteller für nachhaltigere und recyclingfähigere Verpackungen zu erhöhen.

Eine solche verpflichtende Kennzeichnung könnte auch die Entsorgung und Wiederverwertung von importierten und exportierten Produkten und Verpackungen verbessern, die nicht in ihrem Herstellungsland als Müll anfallen. Einer der größte Nutzen ist für die Forschenden jedoch: Die Kennzeichnung legt den Finger in die Wunde, zeigt transparent, welche Hersteller Nachholbedarf haben. So wird die Verantwortung für Kunststoffabfälle wieder weg von den Verbraucher:innen hin zu den Herstellern gelenkt, die gleichzeitig auch die Designer der Verpackungen sind und einer der zentralen Hebel für Veränderung.
Ähnlich argumentiert auch die Regierung des US-Bundesstaats Kalifornien. Er ist der Erste, der dem Recyclingsymbol den Kampf angesagt hat. Allerdings will der Bundesstaat die 3 Pfeile, die sich momentan ziellos nachjagen, nicht abschaffen. Sie sollen eine neue Chance bekommen und wieder zu einem Symbol werden, das für einen geschlossenen Kreislauf steht.
Kalifornien macht es vor: Eine Lösung in der Praxis
Im Jahr 2021 hat Kalifornien ein Gesetz erlassen, das irreführende Marketingversprechen zur Umweltfreundlichkeit auf Verpackungen unter Strafe stellt. Dies gilt
Das bedeutet:
Die treibende Kraft dahinter ist der kalifornische Oberstaatsanwalt Robert Bonta. Um seinem Vorhaben Nachdruck zu verleihen, hat Bonta seit 2022 2 Verfahren am Laufen:
- Eines untersucht die Versprechen von Einkaufstütenherstellern, die werben, dass ihre Produkte »100 Prozent recycelbar sind«.
- Im zweiten Verfahren lässt Bonta die Rolle der fossilen und petrochemischen Industrie bei der Verursachung und Verschärfung der globalen Plastikkrise untersuchen.
Vor Kurzem meldete sich nun auch das US-amerikanische Umweltbundesamt und erklärte,
Zum Hintergrund: In den USA werden laut dem Umweltbundesamt weniger als 1/3 aller anfallenden festen Siedlungsabfälle recycelt,
Die Richtung, in die wir steuern (müssen)
Die EU-Kommission will falsche Unternehmensversprechen verbieten
Sogar die EU zieht nach. Die
So soll es etwa verbindliche Regeln geben, was als recyclingfähig gilt und wann ein Produkt als solches beworben werden darf. Laut dem Vorschlag müssten Unternehmen dann auch die Grenzen ihrer beworbenen Umweltversprechen klar abstecken. Als Beispiel nennt die Kommission synthetische Kleidung, die aus wiederverwendeten PET-Fasern gefertigt wurde. Das aufbereitete Altplastik hat eine so gute Qualität, dass es erneut für Lebensmittelverpackungen verwendet werden könnte. Es für Kleidung zu verwenden, ist Downcycling. Das Werbeversprechen sei irreführend, wenn diese Einschränkung nicht benannt werde. Der Vorschlag der EU-Kommission muss noch vom Europäischen Parlament und Rat gesichtet werden.
Die Forscher:innen, Kalifornien und die EU haben unterschiedliche Herangehensweisen, doch ein gemeinsames Ziel: Sie wollen den Fokus und die Verantwortung der Plastikkrise nicht nur auf die Konsument:innen lenken,
Mit Illustrationen von Claudia Wieczorek für Perspective Daily