Dauernd schlapp? Mit diesen 4 Tipps bezwingst du deinen Herbst- und Winterblues!
Mangelndes Sonnenlicht macht antriebslos und müde. Was Mediziner und Biologen darüber wissen und wie du auch an dunklen Tagen neue Kraft schöpfst.
Es ist dunkel und der Atem bildet weiße Dampfwolken in der kalten Luft. Meine Gedanken drehen sich darum, wie ich schnell wieder ins Warme komme. Die Tage werden kürzer und das Sonnenlicht seltener: Den Weg zur Arbeit und zurück nach Hause absolviere ich fast vollständig im Dunkeln. Nur in der Mittagspause komme ich etwas ans Licht und an die frische Luft.
Oft fühle ich mich so, als hätte ich dadurch weniger Energie als im Sommer. Statt am Abend noch rauszugehen, Sport zu treiben oder etwas zu unternehmen, möchte ich lieber auf dem Sofa sitzen und Serien schauen oder ein Buch lesen. Zu Beginn der kalten Jahreszeit finde ich das auch noch angenehm, irgendwie behaglich, doch nach einer Weile ärgere ich mich über meinen mangelnden Antrieb. Ich fühle mich dann ständig so, als hätte ich meine Zeit irgendwie verschwendet.
Ich frage mich: Woran liegt es, dass einige Menschen im Winter so wenig Energie haben? Und gibt es irgendetwas, was wir dagegen tun können?
Was mangelndes Sonnenlicht mit uns macht
Tatsächlich ist es keine Einbildung, dass uns im Winter zeitweise der Antrieb fehlt. »Im Schnitt schlafen Menschen im Winter 20 Minuten länger als im Sommer«, sagt Till Roenneberg, der seit vielen Jahren an der Ludwig-Maximilians-Universität München im Bereich der
Die Tage werden kürzer und das Sonnenlicht seltener
Dass wir in der kalten Jahreszeit mehr schlafen, ist nicht der einzige Unterschied zum Sommer: Würden Menschen im Winter in Fragebögen nach den Symptomen einer Depression abgefragt, würden viele diese
Unter anderem ist es das Hormon Melatonin, das unseren Schlaf-Wach-Rhythmus mitbestimmt – und das einen Einfluss darauf hat, dass wir uns im Winter müder fühlen.
Melatonin sorgt nämlich dafür, dass wir in der Nacht schlafen: Fällt kein Licht mehr auf die Netzhaut unseres Auges, gibt unser Körper ein Signal an die Zirbeldrüse in unserem Zwischenhirn. Diese schüttet dann
Biologie und Psyche spielen zusammen
Hinzu kommt, dass wir uns vorzugsweise im Warmen aufhalten, wenn es kälter wird – so bekommen wir noch weniger Tageslicht ab. Für unseren Körper ergibt es einen großen Unterschied, ob Tageslicht oder künstliches Licht auf uns scheint: Tageslicht leuchtet selbst im Winter je nach Wetterlage mit 10.000–150.000
»Wir sind Lebewesen, die einem Jahresrhythmus folgen, deshalb sind solche Schwankungen ganz natürlich.«
Weil wir seltener draußen sind, bekommen wir am Tag weniger Licht ab als noch unsere Vorfahren – und am Abend mehr, dank künstlicher Lichtquellen. Das wäre nicht problematisch, wenn wir so lange schlafen könnten, bis wir von selbst aufwachen. Doch wir stehen meist nicht auf, wenn es hell wird, sondern unsere Wecker klingeln, wenn es draußen noch dunkel ist. Das alles führt dazu, dass unser natürlicher Schlaf-Wach-Rhythmus durcheinandergerät: Wir schlafen später ein und wachen früher auf, als es unser Körper signalisieren würde. Dieser Effekt zeigt sich auch im Sommer, aber im Winter wirkt er sich durch die längere Dunkelheit vermutlich noch stärker aus. »Viele Menschen schlafen das ganze Jahr über zu wenig, merken es aber erst im Winter so richtig«, sagt Roenneberg.
Winterblues, Winterdepression oder Depression?
Doch es ist nicht allein die Biologie, die Schuld daran ist, dass wir uns in der kalten Jahreszeit manchmal matt und antriebslos fühlen. Auch unsere Gedanken haben einen Anteil daran. »Das Jahresende und die Feiertage stimmen einige Menschen nachdenklich und melancholisch«, sagt Ulrich Hegerl. Der Psychiater ist
»Die Winterdepression verläuft meist deutlich schwächer als die typische Depression und ist auch seltener«, sagt Hegerl. Die gefährlichere lebensbedrohliche Krankheit sei auch im Winter die typische Depression, sagt der Psychiater. Diese könne das ganze Jahr über auftreten.
Wer an einer
Im Gegensatz zur typischen Depression führt die Winterdepression allerdings häufig dazu, dass Betroffene einen vermehrten Hunger auf Kohlenhydrate haben, statt appetitlos zu sein. Und statt unter Schlaflosigkeit zu leiden, schlafen Menschen mit einer Winterdepression oft überdurchschnittlich viel. Die Symptome kommen regelmäßig im Winter zurück und verschwinden nach einigen Monaten wieder. »Wenn mehrere
Wer sich unsicher ist, ob er betroffen sein könnte, sollte nicht zögern, sich an einen Arzt zu wenden: Denn
Auch wenn Vorsicht geboten ist, bedeutet das nicht, dass sich jeder, der im Winter etwas schlapper ist, direkt Sorgen machen muss. Mal für ein paar Tage schlechte Laune zu haben ist ebenso normal, wie im Winter etwas müder zu sein – das sagen sowohl Chronobiologe Till Roenneberg als auch Psychiater Ulrich Hegerl.
Auch ich mache mir mit meinem erhöhten Verlangen nach Keksen und Sofaabenden keine ernsthaften Sorgen. Denn ich habe trotz der Schlappheit zumindest keine Probleme, meinen Alltag zu bewältigen. Und auch wenn ich manchmal etwas gefrustet und nachdenklicher bin als sonst, hält diese Stimmung meist nur kurz an.
So kommst du mit deinem Winterblues zurecht
Trotzdem gibt es ein paar Dinge, die man tun kann, um der Antriebslosigkeit entgegenzuwirken oder sich gar mit ihr anzufreunden. Die meisten Maßnahmen gelten übrigens das ganze Jahr über, kosten im Winter zum Teil aber etwas mehr Überwindung:
- So viel Tageslicht tanken wie möglich: Der beste Weg, um einem Problem entgegenzuwirken, das durch Dunkelheit begünstigt wird, ist Tageslicht. Denn Lampen in Innenräumen können uns nicht so viel Licht liefern, wie es die Sonne selbst an grauen verregneten Tagen tut. Das günstigste und erfolgversprechendste Mittel gegen müde Wintertage: So oft wie möglich raus an die frische Luft! Zum Beispiel in der Mittagspause oder auf dem Weg zur Arbeit.
Wer es absolut nicht schafft, nach draußen zu kommen, dem können Tageslichtlampen helfen. Sie sind ein bewährtes Mittel zur Behandlung der Winterdepression. Die Lampen mit 5.000–10.000 Lux sind heller als herkömmliche Leuchten und simulieren das Sonnenlicht – allerdings ohne die schädlichen UV-Anteile.
Ob die Lampen auch eine vorbeugende Wirkung haben, untersuchten Forscher des Cochrane-Instituts Anfang dieses Jahres: Eine eindeutige, evidenzbasierte Aussage konnten die Wissenschaftler allerdings nicht treffen – noch fehlten Studien dafür. Ihr Fazit: Ob die Lampe bei der Vorbeugung hilft oder nicht, kommt auf den Patienten und seine Bedürfnisse an. Wer eine solche Lampe nutzen wolle, solle mit seinem Arzt darüber sprechen, empfiehlt Hegerl, dann bestehe auch die Möglichkeit, dass die Kosten dafür von der Krankenkasse übernommen würden. Wer keine Augen- und Hautprobleme hat, dem kann zwar auch der selbstständige Einsatz der Lampen nicht schaden – doch bei ernsten Symptomen sollte man immer einen Experten zurate ziehen. - Bewegung: Viele Studien zeigen,
- Freunde oder Familie treffen: Soziale Interaktionen bringen uns nicht nur dazu, trotz Winter und Kälte vor die Tür zu gehen: »Es hilft zu sehen, dass man nicht der Einzige ist, dem das kalte Wetter und die Dunkelheit zu schaffen machen«, sagt Roenneberg. Treffen mit unseren Liebsten helfen auch dann, wenn wir zusammen faul auf dem Sofa herumhängen. »Wenn man sehr viel allein ist, kommen manche Menschen ins Grübeln, schlafen schlecht und können
- Den Blues akzeptieren: Es sei wichtig, auf seinen Körper zu hören, sagt Roenneberg, und sich im Winter auch mal auszuruhen. Das beste Mittel, um mit dem Winterblues umzugehen, sei, ihn auch mal zu akzeptieren. »Wenn wir einfach nur ein Buch lesen wollen, müssen wir uns nicht ständig dazu zwingen, aktiv zu sein und etwas zu unternehmen«, sagt der Chronobiologe. Es könne auch helfen, die schönen Seiten der etwas weniger hektischen Winterzeit zu sehen. Auch Hegerl sagt, dass die nachdenklichere Stimmung zu diesen etwas ruhigeren, beschaulicheren Tagen dazugehöre.
Welcher Weg der beste für uns ist, um mit dem Winterblues umzugehen, ist im Endeffekt sehr individuell. Ich für meinen Teil versuche, meinem Körper so viel Sonnenlicht wie möglich zu spendieren und mich mehr zu bewegen – das habe ich mir allerdings auch unabhängig vom Winter vorgenommen. Und wenn ich dann doch häufiger mal Lust auf einen Sofaabend habe, weiß ich, dass auch das völlig okay ist!
Mit Illustrationen von Tobias Kaiser für Perspective Daily