Essay 

Du fühlst dich als »Teil der Natur«? Die Natur gibt es aber nicht

Das sagen zumindest einige Philosoph:innen. Warum es so verdammt schwierig ist, Natur klar zu benennen, und welche Fragen viel wichtiger sind.

1. Dezember 2023  –  13 Minuten
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Meine Augen sind oft sehr trocken. Dagegen hat mir meine Ärztin einen Tipp gegeben: regelmäßig Pausen von der Arbeit am Laptop machen und abwechselnd auf etwas Nahes und etwas weit Entferntes schauen. Im Sommer habe ich die Übung für mich ein wenig verändert: Ich saß im Garten und schaute abwechselnd auf »Natur« und auf »Nichtnatur«. Einfach, oder?

  • Nichtnatur: Laptop.
  • Natur: Die Birke auf der gegenüberliegenden Seite des Grundstücks.
  • Nichtnatur: Der Stuhl, auf dem meine Füße liegen und der vermutlich zu großen Teilen aus Plastik besteht.
  • Natur: Die Schwebfliege, die sich einen meiner Füße als Landeplatz ausgesucht hat. (Sind meine Füße eigentlich Natur oder Nichtnatur?!)
  • Nichtnatur: Das Schaukelpferd, das aus einer dicken Metallfeder und einem Sitz aus Holz gefertigt ist. Moment, Holz ist ja eigentlich Natur – oder zumindest ein »natürliches« Material. Aber es wurde zugeschnitten, geleimt, geölt. Hm.
  • Natur: Die Tomaten im Hochbeet. Zählt das? Schließlich wurden sie , um so auszusehen und zu schmecken, wie sie es heute tun. Hätte meine Nachbarin sie nicht gepflanzt, wären sie nie genau an dieser Stelle gewachsen. Also keine Natur … Würde das Gemüse nicht geerntet, sondern verfaulen und sich gewissermaßen wieder selbst aussäen – wäre die kommende Generation dieser Tomatenpflanze dann Natur?