5 Gedanken, die deinen Blick auf den G20-Gipfel verändern
Warum Demonstranten wichtiger sind als die Abschlusserklärung. Und wie Gipfel mit Trump, Merkel und Co. in Zukunft besser laufen könnten.
7. Juli 2017
– 6 Minuten
picture alliance / AP Photo
Angela Merkel und Barack Obama vor der – aus heutiger Sicht fühlt sich dieses Foto an wie ein Es ist vor 2 Jahren auf dem im bayerischen Elmau entstanden. Heute beginnt 800 Kilometer weiter nördlich der nächste Gipfel unter deutscher Schirmherrschaft, und ähnlich vielen zusätzlichen Herausforderungen, von denen eine heute an Obamas Stelle sitzt.
Das ist erst einmal kein schlechtes Vorzeichen für einen
denn das Format ist ein Kind der Krise. Die Abschlusserklärung im Jahr 2008 in Washington beginnt mit den Worten:
Abschlusserklärung des ersten G-20-Gipfels im Jahr 2008
Statt der Finanzkrise stehen in diesem Jahr andere heiße Themen
Klimaschutz: die 19 anderen Teilnehmer wollen die Umsetzung des Abkommens vorantreiben.
Freihandel: Auch in der Frage, ob globales Wirtschaftswachstum oder Abschottung der bessere Weg sei, Die Gipfelteilnehmer EU und Japan klärten am Donnerstag Grundsatzfragen für ein – ein deutliches Signal kurz vor dem Gipfel.
Finanzmarktregulierung: Die Finanzkrise im Jahr 2008 ist größtenteils überstanden, aber ihre Ursachen sind noch nicht abgewendet. Die meisten Staatschefs wollen strengere Regeln für die Finanzmärkte; Trump hatte im Wahlkampf Deregulierung versprochen.
Steuerflucht: Die verdeutlichten das Ausmaß des Geldbergs, der über Briefkastenfirmen vor Finanzämtern versteckt wird. Außerdem machen sich internationale Konzerne zunutze, dass sie ihre Gewinne in Staaten mit besonders niedrigen Sätzen versteuern. Deutschland will mit den G-20-Staaten erreichen, dass beides nicht mehr vorkommt.
Marshallplan mit Afrika: 70 Jahre nachdem das vom Krieg zerstörte Deutschland aufgebaut wurde, Die G 20 streben aus verschiedenen Gründen ein wirtschaftlich stärkeres Afrika an.
5 Gedanken, warum G 20 aktuell das beste Forum für Weltpolitik ist – und wie es noch besser werden könnte.
1. G 20 hat G 7 abgelöst
Bis zum Jahr 2014 galt die G 8 als mächtigstes Gremium der Weltpolitik: Dann marschierten russische Truppen auf der Krim ein und die übrigen 7 äußerten ihren Protest, indem sie Wladimir Putins Stuhl vom Verhandlungstisch wegräumten. Bei der G 20 sitzt Russland noch am Tisch, genau wie die aufstrebenden Die G-20-Runde ist der richtige Ort für aktuelle Weltpolitik: Sie ist das einzige verbleibende Forum, in dem alle Vetomächte des
an einem Tisch sitzen. Hier werden Geschwindigkeit und Marschrichtung der Weltpolitik ausgelotet.
Der sichtbare Erfolg eines Gipfeltreffens bemisst sich immer an den gemeinsam gefassten Beschlüssen: Die von Paris hat sich so einen wichtigen Platz in der Geschichte ergattert; im Mai eher nicht, weil Donald Trump viele Beschlüsse blockierte. Deshalb
ein Gipfelbeamter in der Süddeutschen Zeitung
2. Demonstrationen sind wichtig, um die Politiker zu erinnern, über wen sie entscheiden
Damit sie auch wirklich die Interessen dieser gut 4,7 Milliarden vertreten, gehen in Hamburg aktuell viele Menschen auf die Straße und äußern ihre Interessen lautstark. Gern bunt, – Hauptsache, entspannt.
Die Polizei macht hingegen bislang einen ziemlich nervösen Eindruck: Am Wochenende räumten Einsatzkräfte mit Kampfanzug und – – vorsorglich ein Protestcamp auf der Halbinsel Entenwerder und konfiszierten 11 Zelte. Damit hat die Polizei die Stimmung also schon vor dem Eintreffen der Staatsgäste rechtswidrig und vor allem total unnötig aufgeheizt; eine Rechtfertigung für die bei der Demo »Welcome to Hell« ist das natürlich nicht.
Im Gegenteil: braucht Botschaften und Emotionen statt Zerstörung. Es ist wichtig, dass Demonstranten all jene vertreten, die Kritik am G-20-Treffen äußern – ihre Botschaft sollte Ansporn für die Gipfelteilnehmer sein, den Sinn des Treffens mit mutigen Entschlüssen zu verteidigen.
3. Wichtiger als der Gipfel selbst sind die Gespräche am Rand von G 20
Als Gastgeber will man den Gästen etwas bieten. Deshalb führt Angela Merkel die ganze Rasselbande in Hamburgs neuestes Wahrzeichen, dirigiert Beethovens Neunte,
Neben der Musik lohnt es sich aber auch, über die anderen Programmpunkte abseits der offiziellen Beratungen zu reden: und wollen nach Bekunden der USA eine aufbauen. Mit Russland und China sowie Südkorea, Japan und den USA treffen 2 Lager aufeinander, die am Rande des Gipfels eine gemeinsame Reaktion auf den jüngsten abstimmen können. Das hat auch einen Effekt, wenn keine konkreten Beschlüsse gefasst werden: Wer sich besser kennt, kann besser miteinander arbeiten.
4. Wenn Klima in der Abschlusserklärung fehlt, ist das kein Weltuntergang
Gewisse Rituale wie zum Beispiel das »Familienfoto« am Ende eines Gipfels sind Show, die für die Medien inszeniert werden. Das lässt sich in gewissen Teilen auch über die gemeinsame Abschlusserklärung sagen, die hervorheben soll, wie einig sich alle sind. Allerdings lässt sich so eine Erklärung schnell als schöner Schein entlarven, wenn kaum etwas drinsteht außer Phrasen – immerhin muss sich jeder Regierungschef am Ende mit jedem Wort der Erklärung anfreunden können. Den Wortlaut bereiten Spitzendiplomaten, sogenannte Sherpas, schon vor dem eigentlichen Gipfel vor, auf dem ihre Chefs dann bloß noch letzte strittige Punkte klären. Blöd nur, wenn sie sich über die wichtigsten Themen nicht einig werden.
Die Maßnahmen gegen die globale Erwärmung sind so ein Thema – hier steht Donald Trump isoliert, Es wäre natürlich zu wünschen, dass die US-Delegation ein ähnlich klares Bekenntnis zum Einhalten der Klimaziele mit unterzeichnet wie bei Obamas letztem G-20-Gipfel im Jahr 2016 im chinesischen Hangzhou; damit würde Trump zu Hause aber genau die Gruppen vergraulen, die ihm bislang die Treue halten.
Abschlusserklärung des G-20-Gipfels in Hangzhou im Jahr 2016
Deshalb ist nicht davon auszugehen, dass der Klima-Absatz in der Hamburger Abschlusserklärung genauso deutlich wird. Aber ein schwaches Bekenntnis würde umgekehrt auch bedeuten, dass Trump seinen Verhandlungspartnern nicht seine überstülpen konnte. Ein kleiner Absatz zum Klima in der Abschlusserklärung des Gipfels bedeutet ein bis zu 19-faches Bekenntnis für den Klimaschutz.
5. Der bessere G-20-Gipfel wäre ein von Grund auf reformierter UN-Sicherheitsrat
Viele der erwähnten Demonstranten halten G 20 für und fordern, das Format einfach ganz abzuschaffen.
Dabei übersehen sie, dass es derzeit keine Alternative gibt: G 7 ohne Russland ist kein Gremium für Themen, die gemeinsames globales Handeln erfordern. Und in dessen Bereich zumindest einige Themenfelder der G 20 fallen, wird ständig von der einen oder der anderen Vetomacht – den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges – blockiert. Die jüngere G-20-Konstellation ist da moderner und bildet die Weltlage besser ab: Hier sind zum Beispiel die BRICS-Staaten und die separat vertreten.
Wenn die Vereinten Nationen also den UN-Sicherheitsrat durch ein der G 20 ähnliches Gremium ersetzen oder zumindest ergänzen würden, hätte dies mehrere Vorteile:
Verbindlich entscheiden: Statt einer im Wortlaut von allen Staaten abgenickten Absichtserklärung könnten hier bindende Entschlüsse getroffen werden, an die sich jeder Einzelne zu halten hätte.
Ständig beraten: Neben den eigentlichen Gipfeltreffen könnte es ständig andauernde G-20-Beratungen der einzelnen Vertreter geben.
Kosten sparen: Ein paar Büros im UN-Hauptquartier in New York zu besetzen ist wesentlich günstiger, als eine Millionenstadt wie Hamburg eine Woche lang lahmzulegen.
Titelbild:
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Wenn Zugvögel im Schwarm fliegen, beeinflusst jedes einzelne Tier die Richtung aller – das hat David bei einer Recherche gelernt. Sonst berichtet er eher über Menschen, stellt sich dabei aber eine ganz ähnliche Frage: Welche Rolle spielt der einzelne Wähler und Verbraucher, welchen Einfluss hat jeder von uns auf die Gesellschaft? David recherchiert gern unterwegs, studiert hat er Musikmanagement, Englisch und Journalismus.