Der Blick in die Daten von Menschen, die ihr Wunschgewicht dauerhaft halten, zeigt andere Gemeinsamkeiten. Und die können den Kampf gegen die Kilos erleichtern.
Sie wühlen sich durch den Schlamm, schreien sich gegenseitig an und halten verschwitzte Gesichter und blutende Körperteile in die Kamera. Anstrengung, Überwindung, Verzweiflung, Wut, Schmerz. Und als letztes: Erfolg. Das sind die Wörter, die der Zuschauer der Fernsehshow Untermauert durch Videoausschnitte der letzten Monate. Ein Teilnehmer der Fernsehshow, bei der gewinnt, wer vor den Augen der Zuschauer möglichst viele Kilogramm loswird, kommentiert eine seiner Konkurrentinnen mit den Worten: »Sie hat sich einfach nicht unter Kontrolle!«
Alexandra präsentiert ihr neues Ich neben einem Pappaufsteller ihrer Vergangenheit nur wenige Monate zuvor.
Das mit der Kontrolle ist so eine Sache und ein oft gehörter Vorwurf, wenn es Menschen nicht gelingt, das eigene Wunschgewicht zu erreichen – und vor allem langfristig zu halten. »The Biggest Loser« scheint zu funktionieren: Die erste weibliche Alexandra schaffte es dieses Jahr, in wenigen Monaten mehr als zu verlieren. 3 Tage nach dem großen Finale spricht sie im Interview mit der über
»Gewicht zu verlieren und es zu halten, ist mühsam, und wenn dir jemand weismachen will, es sei einfach, wechsle die Straßenseite.« – James O. Hill, US-amerikanischer Professor für Medizin und Mitgründer des National Weight Control Registry
Zu Recht: Ein hat Alexandras amerikanische »Kollegen« 6 Jahre nach »The Biggest Loser« untersucht und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis. 13 der 14 Teilnehmer haben wieder zugenommen. Nicht ein paar Kilogramm, sondern durchschnittlich 66% des 4 von ihnen wiegen sogar mehr als vor der Show.
Und damit sind sie nicht allein. Die offizielle Zahl lautet: Menschen, die Gewicht verlieren, Kein Wunder also, dass die allgemeine Wahrnehmung dahin geht, dass kaum jemand es schafft, dauerhaft abzunehmen.
Vor allem 2 Herausforderungen erschweren es – trotz gutem Vorsatz –, das eigene Wunschgewicht zu erreichen und zu halten:
Angepasster Grundumsatz: Der – ist kein statischer Wert, sondern macht uns einen So hatten die amerikanischen Kandidaten von »The Biggest Loser« 6 Jahre nach der Show nicht nur einen Großteil der Kilogramm wieder drauf, sondern gemeinerweise auch einen um 500 Kilokalorien geringeren (das entspricht ca. 1/4 der Gesamtmenge).
Individuelle Methode finden: Auch wenn es uns am Zeitschriftenregal, im Werbespot oder in der Apotheke versprochen wird – es gibt nicht die eine Diät, die für jeden funktioniert. Die größte Diät-Frage, der Wissenschaftler weltweit auf die Schliche zu kommen versuchen, lautet: Warum genau variiert der Gewichtsverlust bei exakt gleichem Diätplan so stark zwischen unterschiedlichen Menschen?
Also alles aussichtslos? Im Gegenteil! Denn entgegen der weit verbreiteten Annahme, dass es sowieso kaum jemandem gelinge, langfristig überschüssige Kilogramm loszuwerden, doch gerade auch, dass es da draußen ca. 20% dauerhaft und erfolgreich schaffen. Das hat wenig mit einem besonders zu tun. Was haben die 20% stattdessen gemeinsam?
Unser dickes Problem
Aktuell sterben zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit mehr Menschen durch zu viel ungesundes Essen als aufgrund von zu wenig gesundem Essen.Mike Bloomberg, Botschafter für nicht ansteckende Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
der Weltbevölkerung ist aktuell übergewichtig oder fettleibig. In Deutschland ist es tauchten vor einigen Wochen kurz in den Schlagzeilen auf. Teils waren sie garniert mit Vergleichen zwischen Todesursachen: Übergewicht tötet mittlerweile mehr Menschen als Autounfälle, und 7% aller Todesfälle gehen auf das Konto Das sind mehr frühzeitige Todesfälle als durchs Rauchen. Auch wenn lange galt, dass Kinder seltener betroffen sind, steigt die Zahl übergewichtiger Kinder mittlerweile
An dieser Stelle möchte ich eine wichtige Anmerkung machen: Es geht hier nicht um Schönheitsideale oder Bevormundung des Einzelnen, sondern um eine globale Herausforderung, die die Gesundheit und Lebensqualität der Menschheit betrifft. Zahlreiche übergewichtige Menschen leiden unter Stigmatisierung, weil sie das Gefühl haben, andere Menschen würden ihnen die Schuld am Übergewicht geben. dass diejenigen, die besonders darunter leiden, es schwerer haben, die verlorenen Kilogramm dauerhaft loszuwerden. Wir müssen es also schaffen, diese Schuldfrage auszuklammern, um langfristige Erfolge beim Abnehmen zu ermöglichen.
Dafür müssen wir außerdem ein paar Mythen über Bord werfen.
Das wissen wir heute übers Abnehmen
Ja, Vorher-Nachher-Aufnahmen, Fernsehshows und raffinierte Werbebotschaften sind verlockend, wenn sie uns weismachen wollen, jetzt endlich das Allheilmittel gegen den Speck gefunden zu haben.
Einige Teilnehmer eines Diätprogramms verlieren 60 Pfund und halten das […], und andere Teilnehmer, die sich streng an das gleiche Programm halten, nehmen 5 Pfund zu. Wenn wir herausfinden können, warum das so ist, hat das ein Riesenpotenzial, um Menschen zu helfen.Frank Sacks, Harvard-Professor für die Prävention von Herz-Kreislauf-Krankheiten
Wir sind generell nicht besonders gut darin, langfristig zu planen oder unser Verhalten anzupassen und stattdessen immer auf der Suche Dass es den in puncto Abnehmen nicht gibt, ist eigentlich jedem klar. Auf die große offene Frage der Diät-Forschung, warum die gleiche Diät beim einen funktioniert und beim anderen nicht, gibt es viele Antwortversuche. Doch auch wenn einige behaupten, den alleinigen Anspruch auf Richtigkeit zu haben, gilt vor allem: Die Mischung macht’s.
Genetik: Ach wie schön wäre es, wenn wir einen Sündenbock hätten – und unseren Eltern und damit unseren Genen die Schuld fürs eigene Hüftgold geben könnten. Tatsächlich sind mittlerweile ca. 100 bekannt, die einen Einfluss auf unser Es gibt also keinen Zweifel daran, dass unsere Gene eine Rolle dabei spielen, wie wir Fett und Doch so groß, wie die 100 Marker vielleicht vermuten lassen, ist dieser Einfluss nicht. Genetiker und andere Wissenschaftler schätzen ihn auf ca. 3%. Nicht zu vergessen, dass es diese Gene auch schon vor 30 und vor 100 Jahren gab, als weitaus weniger Menschen übergewichtig waren.
Die gute Nachricht aus der genetischen Forschung lautet übrigens, dass die Marker für Übergewicht nicht beeinflussen, wie leicht es uns fällt, abzunehmen. Das heißt, selbst wenn wir genetisch eher dazu veranlagt sind, Kilogramm anzusammeln, hat das keinen Einfluss auf die Möglichkeit, sie wieder loszuwerden.
Chemikalien: Bestimmte Chemikalien, die sich zum Beispiel in vielen Gebrauchsgegenständen und Möbeln finden, können unseren Hormonhaushalt durcheinanderbringen und so Krankheiten und
Bakterien: Das sogenannte Mikrobiom, die auf und in uns leben, beeinflussen unsere Nahrungsverarbeitung. Die Nahrung selbst beeinflusst wiederum Lange Zeit herrschte beispielsweise der Glaube vor, dass bestimmte Lebensmittel entweder »gut« oder »schlecht« für den Blutzuckerspiegel seien. Doch der Blutzuckerspiegel unterschiedlicher auf identische Mahlzeiten Das bedeutet im Umkehrschluss, dass allgemeingültige Ernährungsempfehlungen nutzlos sind.
Psychologie: Während die eine lieber ein Ernährungstagebuch führt, konzentriert sich der andere lieber auf den Sport, was wiederum zu veränderten Essgewohnheiten führt. Menschen sind verschieden und bringen unterschiedliche Geschichten mit. Egal ob Freund, Familienangehöriger, Therapeut oder Arzt – wer einen Menschen bei der Gewichtsabnahme unterstützen möchte, muss versuchen, diese Geschichte und Vorlieben zu berücksichtigen.
Neben den individuellen Unterschieden gibt es auch 3 Faktoren, die uns alle betreffen – und häufig falsch verstanden werden:
Sport (allein) ist nicht die beste Diät: Bewegung ist ein und sehr wichtig für unsere Gesundheit. Aber sie ist darüber sind sich Fachmenschen mittlerweile einig.
»Wenn wir Essen kaufen, werden wir immer durch die Umgebung beeinflusst – niemand lebt in einem Vakuum.« – Thomas Burgoine, Cambridge-Zentrum für Ernährungsforschung (CEDAR)
Im Englischen gibt es den Wollten wir eine solche entwerfen, könnten wir uns gut am Überall locken Take-Away-Angebote, häufig Süßes, Fettiges und Frittiertes mit hoher Kalorien- und Tatsächlich zeigen Studienergebnisse: Menschen, die neben besonders vielen Essbuden konsumieren diese auch häufiger, haben einen höheren und sind mit
Dazu kommt die Veränderung der Portionsgrößen, die wir nicht nur im USA beobachten, Wer sich selbst wieder an kleine Portionsgrößen gewöhnen möchte, kann im Alltag übrigens einfach zum
Verhalten ist wichtiger als die Art der Diät: dass der langfristige Erfolg einer Diät weniger von der Zusammensetzung abhängt als vielmehr von der Gesamtzahl der Kalorien und dem Verhalten des Essers. Mit anderen Worten: Egal ob Low-Fat, Low-Carb, Paleo oder vegan – jede Art der Ernährung kann erfolgreich sein. Viel wichtiger als die genaue Aufteilung von Fett, sind Enthusiasmus und Ausdauer des Essers. Die Erkenntnis, dass es letztendlich doch stark auf die konsumierten Kalorien ankommt, lässt sich aber nicht so gut vermarkten wie ein neues, wildes Diät-Versprechen jeden Monat.
Genau um diese langfristigen Verhaltensänderungen geht es im größten Forschungsprojekt zu langfristig erfolgreichem Gewichtsverlust aller Zeiten.
So klappt’s: Diese Zutaten sorgen für langfristigen Erfolg
Als wir begannen, war die vorherrschende Meinung, dass fast niemand erfolgreich Gewicht verlieren und dann halten könne. Wir glaubten nicht, dass das der Fall war, aber wir waren uns nicht sicher, weil wir keine Daten hatten.James O. Hill, US-amerikanischer Professor für Medizin und Mitgründer des National Weight Control Registry
Mehr als 10.000 Menschen sind Teil des bereits im Jahr 1994 gegründeten National Weight Control Registry (NWCR) im US-Bundesstaat Rhode Island. Nur wer es schafft, mindestens ein Jahr einen Gewichtsverlust von mindestens zu halten, So wollen die Wissenschaftler herausfinden, was die 20% erfolgreichen Diäthalter von den 80% der Abnehmwilligen unterscheidet, die bisher (noch) scheitern. Dabei geht es sowohl um Verhaltensstrategien als auch um psychische Faktoren wie Vorlieben und Ängste.
Hier die wichtigsten Ergebnisse aus über 20 Jahren Forschung zu den Faktoren,
98% haben ihre Ernährung verändert
78% frühstücken
75% wiegen sich mindestens 1 Mal pro Woche
62% schauen weniger als 10 Stunden pro Woche fern
55% nutzen ein Programm, 45% entwickeln selbst eine Routine
Der Großteil der langfristig erfolgreichen Abnehmer ist täglich körperlich aktiv. Dabei geht es nicht um Hochleistungssport, sondern in den meisten Fällen um einfaches Spazierengehen. –
Quelle:
Pixabay
CC0 1.0
Klar ist also, dass es keine »magische Zutat« gibt, sondern immer langfristige Verhaltensänderungen zugrunde liegen. Sind das also alles »Alpha-Typen«, denen sowieso alles im Leben mit Leichtigkeit gelingt? Nein. Die meisten sehen sich selbst nicht als Erfolgsmenschen oder Planungsgenies. Auch sie haben zuvor häufig verschiedene Diäten und Strategien ausprobiert – und sind gescheitert. Interessanterweise beschreibt sich aber die Mehrheit der erfolgreichen Abnehmer als Morgenmenschen. dass Nachtmenschen (Eulen) durchschnittlich mehr wiegen als Morgenmenschen (Lerchen). Die meisten motiviert übrigens nicht allein eine schlanke Taille, sondern andere Aspekte. Allen voran steht die Angst um die eigene Gesundheit und damit verbunden die Hoffnung, mehr Lebenszeit mit Freunden und Familie verbringen zu können.
Die ermutigende Nachricht ist vielleicht, dass zumindest das Halten des neuen Gewichts mit der Zeit einfacherer wird. Nach 2–5 Jahren steigt die Wahrscheinlichkeit rapide, das Gewicht dauerhaft zu halten. Worauf alle Ergebnisse vom NWCR und anderer Langzeitstudien verweisen, ist das Zusammenspiel aus Verhalten, Psychologie und Planung. Es geht darum, bei therapeutischen und medizinischen Gesprächen das Individuum zu berücksichtigen. Die tägliche Verantwortung, die sozioökonomische Situation, die mentale Gesundheit – Denn eines steht fest: Es gibt keine 2 Menschen in der Datenbank, die ihr Gewicht langfristig auf gleiche Weise verloren haben.
Maren hat in Neurowissenschaften promoviert, weil sie unser Denkapparat so fasziniert. Die schlechte Nachricht: Wir sind weit davon entfernt, unser Gehirn zu verstehen. Die gute Nachricht: Unser Gehirn ist veränderbar, und zwar ein Leben lang. Wahrnehmungen, Gewohnheiten und Entscheidungen sind also offen für unsere (Lern-)Erfahrungen. Und damit auch für die Erkenntnis: Ich habe mich getäuscht!
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