Bei Diät kommt’s nicht auf den eisernen Willen an
Der Blick in die Daten von Menschen, die ihr Wunschgewicht dauerhaft halten, zeigt andere Gemeinsamkeiten. Und die können den Kampf gegen die Kilos erleichtern.
Sie wühlen sich durch den Schlamm, schreien sich gegenseitig an und halten verschwitzte Gesichter und blutende Körperteile in die Kamera. Anstrengung, Überwindung, Verzweiflung, Wut, Schmerz. Und als letztes: Erfolg. Das sind die Wörter, die der Zuschauer der Fernsehshow
Alexandra präsentiert ihr neues Ich neben einem Pappaufsteller ihrer Vergangenheit nur wenige Monate zuvor.
Das mit der Kontrolle ist so eine Sache und ein oft gehörter Vorwurf, wenn es Menschen nicht gelingt, das eigene Wunschgewicht zu erreichen – und vor allem langfristig zu halten. »The Biggest Loser« scheint zu funktionieren: Die erste weibliche
»Gewicht zu verlieren und es zu halten, ist mühsam, und wenn dir jemand weismachen will, es sei einfach, wechsle die Straßenseite.« – James O. Hill, US-amerikanischer Professor für Medizin und Mitgründer des National Weight Control Registry
Zu Recht: Ein
Und damit sind sie nicht allein. Die offizielle Zahl lautet:
Vor allem 2 Herausforderungen erschweren es – trotz gutem Vorsatz –, das eigene Wunschgewicht zu erreichen und zu halten:
- Angepasster Grundumsatz: Der
- Individuelle Methode finden: Auch wenn es uns am Zeitschriftenregal, im Werbespot oder in der Apotheke versprochen wird – es gibt nicht die eine Diät, die für jeden funktioniert. Die größte Diät-Frage, der Wissenschaftler weltweit auf die Schliche zu kommen versuchen, lautet: Warum genau variiert der Gewichtsverlust bei exakt gleichem Diätplan so stark zwischen unterschiedlichen Menschen?
Also alles aussichtslos? Im Gegenteil! Denn entgegen der weit verbreiteten Annahme, dass es sowieso kaum jemandem gelinge, langfristig überschüssige Kilogramm loszuwerden,
Unser dickes Problem
Aktuell sterben zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit mehr Menschen durch zu viel ungesundes Essen als aufgrund von zu wenig gesundem Essen.
An dieser Stelle möchte ich eine wichtige Anmerkung machen: Es geht hier nicht um Schönheitsideale oder Bevormundung des Einzelnen, sondern um eine globale Herausforderung, die die Gesundheit und Lebensqualität der Menschheit betrifft. Zahlreiche übergewichtige Menschen leiden unter Stigmatisierung, weil sie das Gefühl haben, andere Menschen würden ihnen die Schuld am Übergewicht geben.
Dafür müssen wir außerdem ein paar Mythen über Bord werfen.
Das wissen wir heute übers Abnehmen
Ja, Vorher-Nachher-Aufnahmen, Fernsehshows und raffinierte Werbebotschaften sind verlockend, wenn sie uns weismachen wollen, jetzt endlich das Allheilmittel gegen den Speck gefunden zu haben.
Einige Teilnehmer eines Diätprogramms verlieren 60 Pfund und halten das […], und andere Teilnehmer, die sich streng an das gleiche Programm halten, nehmen 5 Pfund zu. Wenn wir herausfinden können, warum das so ist, hat das ein Riesenpotenzial, um Menschen zu helfen.
Wir sind generell nicht besonders gut darin, langfristig zu planen oder unser Verhalten anzupassen und stattdessen immer auf der Suche
- Genetik: Ach wie schön wäre es, wenn wir einen Sündenbock hätten – und unseren Eltern und damit unseren Genen die Schuld fürs eigene Hüftgold geben könnten. Tatsächlich sind mittlerweile ca. 100
Die gute Nachricht aus der genetischen Forschung lautet übrigens, dass die Marker für Übergewicht nicht beeinflussen, wie leicht es uns fällt, abzunehmen. Das heißt, selbst wenn wir genetisch eher dazu veranlagt sind, Kilogramm anzusammeln, hat das keinen Einfluss auf die Möglichkeit, sie wieder loszuwerden. - Chemikalien: Bestimmte Chemikalien, die sich zum Beispiel in vielen Gebrauchsgegenständen und Möbeln finden, können unseren Hormonhaushalt durcheinanderbringen und so Krankheiten und
- Bakterien: Das sogenannte Mikrobiom,
- Psychologie: Während die eine lieber ein Ernährungstagebuch führt, konzentriert sich der andere lieber auf den Sport, was wiederum zu veränderten Essgewohnheiten führt. Menschen sind verschieden und bringen unterschiedliche Geschichten mit. Egal ob Freund, Familienangehöriger, Therapeut oder Arzt – wer einen Menschen bei der Gewichtsabnahme unterstützen möchte, muss versuchen, diese Geschichte und Vorlieben zu berücksichtigen.
Neben den individuellen Unterschieden gibt es auch 3 Faktoren, die uns alle betreffen – und häufig falsch verstanden werden:
- Sport (allein) ist nicht die beste Diät: Bewegung ist ein
»Wenn wir Essen kaufen, werden wir immer durch die Umgebung beeinflusst – niemand lebt in einem Vakuum.« – Thomas Burgoine, Cambridge-Zentrum für Ernährungsforschung (CEDAR)
Dazu kommt die Veränderung der Portionsgrößen, die wir nicht nur im- Verhalten ist wichtiger als die Art der Diät:
Genau um diese langfristigen Verhaltensänderungen geht es im größten Forschungsprojekt zu langfristig erfolgreichem Gewichtsverlust aller Zeiten.
So klappt’s: Diese Zutaten sorgen für langfristigen Erfolg
Als wir begannen, war die vorherrschende Meinung, dass fast niemand erfolgreich Gewicht verlieren und dann halten könne. Wir glaubten nicht, dass das der Fall war, aber wir waren uns nicht sicher, weil wir keine Daten hatten.
Mehr als 10.000 Menschen sind Teil des bereits im Jahr 1994 gegründeten National Weight Control Registry (NWCR) im US-Bundesstaat Rhode Island. Nur wer es schafft, mindestens ein Jahr einen Gewichtsverlust von mindestens
Hier die wichtigsten Ergebnisse aus über 20 Jahren Forschung zu den Faktoren,
- 98% haben ihre Ernährung verändert
- 78% frühstücken
- 75% wiegen sich mindestens 1 Mal pro Woche
- 62% schauen weniger als 10 Stunden pro Woche fern
- 55% nutzen ein Programm, 45% entwickeln selbst eine Routine
Klar ist also, dass es keine »magische Zutat« gibt, sondern immer langfristige Verhaltensänderungen zugrunde liegen. Sind das also alles »Alpha-Typen«, denen sowieso alles im Leben mit Leichtigkeit gelingt? Nein. Die meisten sehen sich selbst nicht als Erfolgsmenschen oder Planungsgenies. Auch sie haben zuvor häufig verschiedene Diäten und Strategien ausprobiert – und sind gescheitert. Interessanterweise beschreibt sich aber die Mehrheit der erfolgreichen Abnehmer als Morgenmenschen.
Die ermutigende Nachricht ist vielleicht, dass zumindest das Halten des neuen Gewichts mit der Zeit einfacherer wird. Nach 2–5 Jahren steigt die Wahrscheinlichkeit rapide, das Gewicht dauerhaft zu halten. Worauf alle Ergebnisse vom NWCR und anderer Langzeitstudien verweisen, ist das Zusammenspiel aus Verhalten, Psychologie und Planung. Es geht darum, bei therapeutischen und medizinischen Gesprächen das Individuum zu berücksichtigen. Die tägliche Verantwortung, die sozioökonomische Situation, die mentale Gesundheit –
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