Dieses Stadtkonzept wirkt gegen Hochwasser. Warum nutzen wir es nicht?
Durch den Klimawandel werden Überflutungen zunehmen. Doch schlaue Stadtplanung kann dabei helfen, Schäden durch das Wasser zu vermeiden. Hier stellen wir eine Lösung konkret vor: die Schwammstadt.
So schnell wie möglich raus damit! Nach diesem Leitsatz waren und sind viele Städte aufgebaut, wenn es um den Umgang mit Wasser geht. Egal ob Regen, geschmolzener Schnee oder Abwasser aus Wohnhäusern und anderen Gebäuden – oft landet alles
Allerdings funktioniert dieser Umgang mit der fortschreitenden Klimakrise nicht mehr. Denn
Als Lösung für das Zuviel, aber auch für das Zuwenig an Wasser werden seit ein paar Jahren sogenannte »Schwammstädte« regelrecht gehypt. Was genau steckt hinter diesem Konzept und wieso haben wir nicht längst all unsere Städte in Schwammstädte umgebaut?
Das steckt hinter der Idee der Schwammstadt
Die Schwammstadt (englisch: Sponge City) ist ein Konzept in der Stadtplanung. Der Grundgedanke: Städte sollen wie ein Schwamm Regenwasser dort aufnehmen, wo es fällt, es speichern und an heißen Tagen wieder langsam abgeben und die Stadt dadurch abkühlen.
Bereits Anfang der 2000er-Jahre schlugen chinesische Forscher:innen das Konzept vor, 2015 machte es die chinesische Regierung schließlich zum Leitbild für das Land – mit einem ambitionierten Ziel:
Immer mehr Städte weltweit schreiben es sich auf die Fahnen, eine Schwammstadt zu werden – auch in Deutschland. Zwar unterscheidet sich die konkrete Umsetzung von Ort zu Ort. Doch es gibt ein paar Grundelemente, die das Konzept charakterisieren:
- Dach- und Fassadenbegrünung: Gräser und kleine Bäume auf Flachdächern sowie Kletterpflanzen an Außenwänden isolieren Gebäude gegen Wärme und Kälte. Auch das Mikroklima in der Umgebung rund um ein so bepflanztes Gebäude verbessert sich durch die Verdunstungskühle. Dachbegrünung kann außerdem
- Wasserdurchlässige Oberflächen: Asphalt und Beton dominieren das Bild vieler Städte. Das hat den Vorteil, dass Straßen – egal bei welchem Wetter – überwiegend sicher befahrbar sind, Fußgänger:innen nach einem heftigen Regenschauer nicht im Matsch steckenbleiben und Häuser auf festen Fundamenten stehen. Alle versiegelten Flächen in dicht besiedelten Städten einfach aufzubrechen, ist daher keine Option. Doch Forschende arbeiten bereits an Bodenbelägen, die wasserdurchlässig sind.
Überall dort, wo keine durchgängig versiegelte Oberfläche zwingend nötig ist, beispielsweise auf Parkplätzen, - Speichern oder versickern: Natürliche oder künstlich angelegte Teiche können Niederschlag sammeln, ausgedehnte Grünflächen, Parks und Flussauen dienen als Versickerungsflächen. An Straßen sind sogenannte
Diese Maßnahmen klingen zunächst unspektakulär. Großflächig eingesetzt könnten sie aber nicht nur
Die Grenzen des Konzepts Schwammstadt
Ein Allheilmittel gegen die Folgen der Klimakrise ist das Konzept Schwammstadt dennoch nicht.
Ähnliche Ziele wie das Schwammstadt-Konzept verfolgt die sogenannte »blau-grüne Infrastruktur«. Dieser Ansatz denkt allerdings ganzheitlicher; auch seine Ursprünge sind etwas andere.
Ausgangspunkt sei die 2013 ins Leben gerufene EU-Strategie für grüne Infrastruktur gewesen, erklärt Friederike Well vom Zentrum Stadtnatur und Klimaanpassung (ZSK) der Technischen Universität München. Damit solle ein europaweites Netzwerk an natürlichen und naturnahen Flächen in städtischen und ländlichen Regionen mit
Bei blau-grüner Infrastruktur geht es nicht ausschließlich darum, Städte durch Verdunstung zu kühlen und Überschwemmungsflächen zu schaffen. Es soll insgesamt ein möglichst naturnaher Wasserkreislauf wiederhergestellt werden.
Außerdem wird nicht nur Regenwasser in den Blick genommen, sondern beispielsweise auch die Aufbereitung von
Es geht darum, nicht nur zu sagen: ›Ich habe ein Zuviel an Wasser. Wie kann ich dieses Abfallprodukt entsorgen?‹, sondern zu fragen: ›Wie gehe ich mit Wasser als Ressource um? Wie manage ich sie so, dass ich sie bestmöglich in den Kreislauf zurückführe?‹ Und für dieses Bestmögliche gibt es keine Blaupause. Ich muss mir immer im Einzelfall anschauen, welche Möglichkeiten ich vor Ort habe.
So kommt es unter anderem darauf an, wie nah eine Stadt an einem Gewässer liegt, wie viel es in der Region regnet, wie die Böden beschaffen sind – denn auf sandigem Untergrund versickert Wasser schneller als auf lehmigem.
Vorzeigebeispiele in Deutschland und weltweit
Zwar können Maßnahmen aus anderen Städten nicht einfach eins zu eins übernommen werden. Doch die vielfältigen Projekte, die in den letzten Jahren entstanden sind, können inspirieren und zeigen, was alles möglich ist:
- Singapur, Bishan Park: Als Inselstaat ohne natürliches Wasservorkommen spielt das Management von Regenwasser in Singapur eine besonders große Rolle. Im
- Rotterdam, Hofbogenpark: Um Hitzestress in der Stadt zu vermeiden und starken Regen besser zu bewältigen, hat Rotterdam 7 Projekte zur Begrünung gestartet. Eines davon ist der
- Berlin, Adlershof: In Berlin gibt es mehrere Nachbarschaften, in denen das Regenwasser lokal bewirtschaftet wird. So wurden die meisten Straßen im jungen
- Aubstadt: Die unterfränkische Gemeinde liegt in einem Tal, wodurch die Straßen bei starkem oder langanhaltendem Regen regelmäßig voll Wasser und Schlamm liefen. Seit der Sanierung der Kanalisation im Jahr 2018 wird das Regenwasser und das Abwasser von Häusern in 2 getrennten Systemen gesammelt – so wird die Kanalisation bei Starkregen entlastet. Außerdem ist es nun möglich, Regenwasser abzufangen, noch bevor es ins Tal läuft. Dann kann es um den Ort herum in ein Rückhaltebecken geleitet werden.
Hier kann es langsam versickern, oder wird verzögert und mit langsamer Fließgeschwindigkeit weitergeleitet. Das hat 2 große Vorteile: Zum einen kann das Grundwasser auf diese Weise aufgefüllt werden, zum anderen kommen in den flussabwärts gelegenen Dörfern und Städten weniger Wassermengen an, was die Gefahr von schnell steigenden Pegelständen verringert.
Bei den meisten dieser Beispiele fällt auf: Es sind hauptsächlich einzelne Projekte, die als Vorreiter gelten – keine ganzen Städte. Bei den selbst ernannten Schwammstädten handelt es sich streng genommen also nur um Schwammstadtteile.
Woran es hakt
Dass es in der Praxis bislang keine Stadt mit lückenloser blau-grüner Infrastruktur, keine komplette Schwammstadt gibt, hat mehrere Gründe:
1. Bestand vs. Neubau
Entwickelt eine Stadt ein Neubaugebiet, kann sie über den Bebauungsplan gewisse Standards vorgeben – unter anderem auch in Bezug auf die blau-grüne Infrastruktur. Rückwirkend Maßnahmen in bestehenden Häusern oder der Kanalisation umzusetzen ist hingegen deutlich schwieriger.
Zum einen, weil Sanierungszyklen von Gebäuden und Infrastruktur meist bei mehreren Jahrzehnten liegen, zum anderen, weil sich nicht jede Bebauung mit allen Maßnahmen kombinieren lässt. So nützt es beispielsweise wenig, eine asphaltierte Fläche zu entsiegeln, wenn sie mit einer Tiefgarage unterkellert ist. Im schlechtesten Fall würde die Garage mit Wasser volllaufen. Handelt es sich um Privatgrund, kann die Stadt außerdem nicht über die Köpfe der Eigentümer:innen hinweg entscheiden.
Es sind sehr komplizierte Zusammenhänge, bei denen vorab viele Fragen geklärt werden müssen. Befinden wir uns im öffentlichen Raum und ist es eine städtische Angelegenheit? Entwickeln wir zum Beispiel ein größeres Quartier? Oder ist es ein einzelnes Projekt wie eine Schule oder Bürogebäude, bei dem man auf dem Grundstück mehr Möglichkeiten hat, etwas zu machen? Aber das größere Ziel ist ja eigentlich ein städtisches Netzwerk, das über Grenzen hinweg funktioniert. In der Praxis ist das schwierig.
2. Klimaanpassung ist nur eine Baustelle von vielen
Zwar wünsche sie sich, dass blau-grüne Infrastruktur schneller und großflächiger umgesetzt werde. Doch Friederike Well macht klar, dass der Fokus allein darauf nicht der richtige Weg sei. Klimaanpassung sei wichtig, aber daneben gebe es viele weitere Fragen – zu Mobilität, Wohnen, Sozialem, Schulen. Manches gehe Hand in Hand, doch oft genug ständen solche Fragen im öffentlichen Raum in Wettbewerb zueinander.
In der Vergangenheit ist es meistens schiefgegangen, wenn nur eine Sache zum Maß aller Dinge erklärt wurde. Denken wir zum Beispiel an das Konzept der
3. Fehlende Ressourcen
Um blau-grüne Infrastruktur sinnvoll zu planen und umzusetzen, müssen sich viele unterschiedliche Abteilungen und Fachmenschen abstimmen: Stadt- und Landschaftsplaner:innen, Garten- und Katasterämter, Architekt:innen, Vertreter:innen aus der Wasserver- und -entsorgung … Im Idealfall gibt es eine eigene Stelle in der Stadt, die ein solches Vorhaben koordiniert und den Überblick behält. Vor allem in kleinen Kommunen fehlt es dafür allerdings sowohl an den Ressourcen als auch am nötigen Wissen.
Bürgermeister:innen sind am Zug
Gemeinsam mit anderen Forschungseinrichtungen und Fachleuten aus Stadtverwaltungen hat die Technische Universität München einen
Die Autor:innen des Leitfadens haben außerdem herausgearbeitet, wer für welche Phase zuständig ist. Das Ergebnis: Ein Projekt anzustoßen liege in erster Linie in den Händen von Bürgermeister:innen und Gemeinderäten. »Am Anfang steht die Bestandsaufnahme. Dabei sollte von groß nach klein gedacht werden: Also erst einmal gesamtstädtisch zu schauen, was sind die größten Probleme? Danach kann man einzelne Gebiete identifizieren und jeweils konkrete Lösungen ansetzen«, erklärt Friederike Well.
Wie so etwas in der Praxis aussehen kann, zeigt das Beispiel Kopenhagen. Dort gab es vor einigen Jahren mehrere heftige Unwetter mit Starkregen. Das größte verursachte im Jahr 2011 Schäden in Höhe von insgesamt
Im Idealfall setzt sich jede:r Bürgermeister:in auch hierzulande spätestens jetzt mit blau-grüner Infrastruktur vor der eigenen Haustür auseinander – so könnte Deutschland Stadt für Stadt zum echten Schwammland werden.
Abwasser spielt in den Städten von morgen eine wichtige Rolle. In diesem Artikel erkläre ich, wie diese unterschätzte Ressource bei Dürren helfen kann:
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily