Warum eine Zahl nicht ausreicht, um das gute Leben zu messen
3,134 Billionen Euro. So messen wir derzeit den Erfolg unseres Landes. Wirklich wichtig sind uns jedoch ganz andere Dinge. Höchste Zeit, neu zu messen.
Gesund alt werden, mit Freunden im Garten oder Park grillen, eine glückliche Familie und nette Kollegen auf der Arbeit haben. So oder so ähnlich würden sicher die Antworten lauten, wenn dich jemand fragen würde, was für dich ein gutes Leben ausmacht. Oder?
»Ein starkes Wirtschaftswachstum« würden wahrscheinlich die wenigsten auf ihren Wunschzettel packen. Trotzdem bleibt genau das die wichtigste Kennzahl für Politiker und Gesetzgeber, um den Erfolg unseres Landes zu messen: das Wachstum der Wirtschaft eines Landes,
In Zukunft wird sich das ändern. Denn Daten können heutzutage einfacher erhoben werden als je zuvor, sodass Politiker mit nicht gehaltenen Versprechen à la »Ich werde für x% weniger y sorgen« nicht mehr so einfach davonkommen werden (vorausgesetzt, wir lassen uns weniger von Diesel-, Eier- und Plagiatsskandalen ablenken und ziehen sie auch zur Rechenschaft).
Wer hat das größte?
Auch wenn das BIP scheinbar neutral und objektiv daherkommt, ist es wie jede andere Zahl, die gewählt wird, um unsere Gesellschaft zu beschreiben, ein politisch gefärbtes Instrument. »Aber es misst doch ganz objektiv die wirtschaftliche Produktion unseres Landes«, mag der statistisch versierte Befürworter entgegnen. Weit gefehlt: Tatsächlich stand das BIP als messbarer Erfolgsfaktor eines Landes von Beginn an in der Kritik. So würde sein geistiger Vater,
Ist das BIP nicht gewachsen, ist Flaute angesagt.
Weiter geht es mit der versteckten Forderung, die im BIP mitschwingt: Es muss immer steigen. Der Statistik selbst ist es zwar egal, in welche Richtung es für sie geht. Doch das Wachstum dieser Zahl ist trotzdem zum wichtigsten Staatsziel geworden. Politiker arbeiten sich in ihren Wahlversprechen am
Abgesehen davon, dass völlig unklar ist,
Wie wäre es zum Beispiel mit Einkommensstatistiken, die zeigen, wie der Kuchen wirklich verteilt ist?
Sicher hat das BIP eine Daseinsberechtigung und einen Nutzen, aber müssen wir es wirklich alle 3 Monate messen, um dann über nichts anderes mehr zu sprechen und so seine omnipräsente Rolle zu manifestieren? Jede Erhebung kostet Geld, das auch in die Messung anderer Statistiken fließen könnte, die vielleicht mehr darüber aussagen,
Viele Wege führen nach Rom
Wie so etwas aussehen kann, machen andere Länder und Organisationen vor. 3 Beispiele:
- Großbritannien: Alle 3 Monate erfasst das Vereinigte Königreich eine
- Bhutan: Der kleine Bergstaat zwischen China und Indien hat im Jahr 2008 das Glück seiner Bürger zum Staatsziel ausgerufen. Dafür misst er den Erfolg seiner Politik an
- Die
Und was passiert in Deutschland? Im Jahr 2015 ist die Bundesregierung im Land und im Internet
Die politischen Entscheidungen hinter den Zahlen
Die Ergebnisse des Komitees zeigen nochmals vor allem eines: Wohlstand und ein gutes Leben lassen sich nicht
Egal ob eine oder 46 Zahlen – wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die ausgewählten Indikatoren nie frei von Werten und politischer Färbung sind:
- Wollen wir etwa Bildung in den Zahlenkanon aufnehmen, ist es dann gut, wenn möglichst viele Menschen einen Universitätsabschluss haben? Wenn ja, wo ziehen wir dann die Grenze, sodass der Hausmeister nicht erst promovieren muss, bevor er eine Glühbirne wechseln darf?
- Wir wollen die Gesundheitsversorgung verbessern? Bedeutet ein gesundes Leben mehr Verbote für Tabak, Alkohol, Zucker und andere Genussmittel? Und wer bestimmt, wo ein »gesunder« Lebensstil aufhört und ein »lebenswerter« beginnt?
- Wir wollen Familienpolitik mehr Raum geben? Wollen wir dann die klassische Familie mit Vater, Mutter, Kind fördern oder besonders neue Formen des Zusammenlebens?
Bevor du in einem Monat deine 2 Kreuze machst, laden wir dich ein, diese Fragen nach einem guten Leben gemeinsam mit uns zu diskutieren. Statt Wahlversprechen nur anhand unserer Wahrnehmung und unserer Lebenserfahrungen, also aus dem Bauch heraus, einzuschätzen, können uns ein paar Zahlen mehr einerseits dabei helfen, ein ausgewogeneres Bild des ganzen Landes zu bekommen. Andererseits erfahren wir so als Wähler auch, wem und welchem Zweck eine politische Maßnahme langfristig tatsächlich dient.
Dieser Artikel gehört zu unserer Reihe »Deine Wahl 2017«. Du willst mehr zum Thema lesen? Klicke hier!
Mit Illustrationen von Janina Kämper für Perspective Daily