WHO ruft neue »gesundheitliche Notlage« aus. So ernst ist die Lage wirklich
Erneut sorgt das Mpox-Virus für eine internationale Notlage. Was es damit auf sich hat und was über die Krankheit bekannt ist, auf einen Blick.
Vor etwa 2 Jahren verbreitete sich in verschiedenen europäischen Ländern sowie Kanada, Australien und den USA eine Viruserkrankung: Mpox. Auch in Deutschland wurden mehrere Fälle nachgewiesen. Schon damals rief die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine »gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite« aus.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach betonte damals
Dann wurde es still um das Virus – bis jetzt.
Weil die Mpox-Fallzahlen in verschiedenen afrikanischen Ländern seit Jahresbeginn wieder steigen, hat die WHO erneut eine gesundheitliche Notlage ausgerufen.
Hat die Weltgemeinschaft Mpox unterschätzt? Was genau hat es mit der Notlage auf sich und was muss jetzt passieren? 12 Fragen zum Mpox-Ausbruch, kurz beantwortet.
1. Was sind Mpox (ehemals: »Affenpocken«) eigentlich?
Zunächst einmal ist der ursprüngliche Name der Krankheit »Affenpocken« irreführend. Affen sind nämlich nicht die Tiere, die es an den Menschen übertragen. Sie zählen, wie Menschen, zu den sogenannten »Fehlwirten«. Das heißt, das Virus ist nicht optimal an den Organismus angepasst und weniger überlebensfähig.
Seinen ursprünglichen Namen erhielt das Virus nur deshalb, weil es 1958 erstmals bei Makaken-Affen beobachtet wurde. Die eigentlichen Wirtstiere für das Virus sind Nagetiere. Das ist ein Grund dafür, dass die WHO empfiehlt, die Bezeichnung Mpox zu verwenden. Durch die Namensänderung soll zudem Rassismus und Stigmatisierung vorgebeugt werden.
Mpox sind mit den klassischen (Menschen-)Pocken verwandt, unterscheiden sich aber in einigen zentralen Punkten: Die (Menschen-)Pocken übertragen sich ausschließlich
2. Was ist bei dem jetzigen Ausbruch anders als vor 2 Jahren?
Unter anderem unterscheiden sich die grassierenden Virustypen: Im Jahr 2022 verbreitete sich vor allem die Clade II des Mpox-Virus, der »westafrikanische Typ«. Auch in Deutschland und Europa, mit einem Höchststand der Fälle im Juli 2022. In Deutschland sind aktuell keine Fälle bekannt, in anderen europäischen Ländern kam es aber nach wie vor zu Infektionen mit dieser Version des Virus.
Größere Probleme macht aktuell aber eine andere Variante des Virus: der »Typ des Kongobeckens« (Clade I). Diese Virusversion breitet sich vor allem in der Demokratischen Republik Kongo, aber auch in Nachbarländern aus.
Einige Forschende vermuten, dass die jetzt grassierende Clade I des Virus möglicherweise infektiöser sein könnte als die Viren der Clade II. Auch die Mortalität könnte etwas höher sein. Besonders bei der im September 2023 neu entdeckten Subvariante des Virus, Clade Ib. Noch ist die Datenlage aber nicht ausreichend, um die Situation abschließend zu bewerten.
Insbesondere der eingeschränkte Zugang zu medizinischer Versorgung und zu wenige Kapazitäten in der Labordiagnostik machen es laut Epidemiologin Christina Frank schwer, die aktuelle Lage zu beurteilen und mit der Situation von vor 2 Jahren zu vergleichen. Frank forscht am RKI unter anderem
3. Was bedeutet es, dass die WHO eine »gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite« ausgerufen hat?
Die »gesundheitlichen Notlage internationaler Tragweite« stellt klar, dass sich eine Krankheit über Landesgrenzen hinweg auszubreiten droht und so zum Gesundheitsrisiko für andere Länder und den internationalen Verkehr werden kann. Als Konsequenz empfiehlt die WHO Maßnahmen, um die Erkrankung einzudämmen.
Zuletzt passierte das 2022, als Mpox der Clade II in verschiedenen Ländern auf der ganzen Welt nachgewiesen werden konnten. Auch bei der COVID-19-Pandemie 2020 und der Ebolafieber-Epidemie 2018 hatte
Nun befasst sich das zuständige WHO-Komitee mit Empfehlungen zur Eindämmung der Krankheit. »Die Alarmstufe wird weltweit angehoben, und die WHO erhält möglicherweise Zugang zu Mitteln für Notfallmaßnahmen. Ansonsten bleiben die gleichen Prioritäten bestehen: Investitionen in Diagnosekapazitäten, Public-Health-Maßnahmen, Unterstützung bei der Behandlung und Impfungen«, erklärt die Virologin Marion Koopmans. Sie leitet das Institut für Virusforschung, ist Direktorin des Pandemie- und Katastrophenzentrums an der Erasmus-Universität Rotterdam und arbeitet auch mit Kolleg:innen der Demokratischen Republik Kongo zusammen.
Laut Koopmans wird es nicht einfach sein, die verschiedenen Maßnahmen umzusetzen:
In der Demokratischen Republik Kongo gab es über viele Jahre hinweg Fälle von Mpox, aber es fehlen die Mittel, um die grundlegenden Kapazitäten bereitzustellen. Das ist ein Problem. Auch für andere Länder, derzeit insbesondere für die Nachbarländer.
4. Wie steht es um die Ausbreitung in Europa?
Bislang gilt es als unwahrscheinlich, dass sich die neue Clade Ib über den afrikanischen Kontinent hinaus ausbreitet. Zwar können auch in Europa einzelne Fälle auftreten. Doch weil diese meist relativ schnell entdeckt werden, ist eine massenweise Ausbreitung unwahrscheinlich. Unmöglich sei diese jedoch nicht, sagt Virologin Koopmans: »Daher sollten auch außerhalb der afrikanischen Region die weitere Überwachung der Situation und die Typisierung neu diagnostizierter Fälle das Minimum sein.«
Auch das RKI geht aktuell nicht von einer erhöhten Gefährdung in Deutschland aus, beobachtet die Situation nach eigenen Angaben
5. War es übertrieben, eine solche Notlage auszurufen?
Nein, denn sie ermöglicht es der WHO, schnell zu handeln. Erste Effekte hatten die Erklärungen über den Ernst der Lage schon: Die EU-Behörde für Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (kurz: HERA) hat etwa bekannt gegeben, Spenden von 215.000 Impfstoffdosen zu koordinieren.
Betroffene Länder werden außerdem in die Lage versetzt, ohne ein zeitaufwendiges nationales Genehmigungsverfahren
Schätzungen der afrikanischen CDC zufolge werden
6. Welche Symptome löst die Krankheit aus?
Steckt sich ein Mensch mit dem Virus an, dauert es 4–21 Tage, bis die Erkrankung ausbricht. Bemerkbar machen sich Mpox zunächst durch Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Rückenschmerzen und
Später können krankhafte Hautveränderungen auftreten, die verschiedene Stadien durchlaufen: von einer begrenzten Farbveränderung (Macula) über Knötchen (Papula) und Bläschen (Vesikula) bis hin zu Eiterbläschen (Pustula), die schließlich verkrusten und abfallen. Bis sich der komplette Schorf gelöst hat, können erkrankte Personen andere anstecken. Die Hautveränderungen ähneln denen einiger anderer Krankheiten wie Windpocken, Dellwarzen oder der Syphilis. Auch für Ärzt:innen sind die Unterschiede schwer zu erkennen. Daher gibt nur eine Laboruntersuchung eine verlässliche Diagnose.
7. Wie gefährlich sind Mpox?
Sicher ist: Bei gesunden Erwachsenen verläuft die Erkrankung in der Regel mild bis moderat und klingt nach 14–21 Tagen von selbst wieder ab. Kompliziertere Verläufe treten vor allem bei sehr jungen und/oder immungeschwächten
Die gesundheitliche Versorgung in den Verbreitungsgebieten ist zudem ein großer Risikofaktor für Betroffene: In der Demokratischen Republik Kongo sind unbehandelte HIV-Infektionen beispielsweise nach wie vor keine Seltenheit. Für HIV-Erkrankte ohne Behandlung ist das Risiko, das von einer Mpox-Infektion ausgeht, deutlich höher als bei gesunden Menschen oder HIV-Patient:innen, die in Behandlung sind.
8. Wie übertragen sich Mpox-Erreger?
Mpox-Viren können von Tieren auf den Menschen übertragen werden, wenn dieser Kontakt mit krankhaften Hautveränderungen, Blut, Gewebe oder Ausscheidungen infizierter Tiere hatte. Auch der Umgang mit Fleisch von kranken Tieren kann zur Übertragung führen.
Aber auch infizierte Menschen können andere anstecken: Bei engem Kontakt mit erkrankten Personen, über Speichel, andere Körperflüssigkeiten, Schorf und damit verunreinigten Materialien. Infektionsgefahr besteht etwa für Menschen, die Erkrankte ohne Schutzausrüstung pflegen. Auch beim Sex und durch engen Körperkontakt können Mpox übertragen werden.
9. Wieso übertragen sich Mpox wieder?
Warum das so ist, wissen Forschende noch nicht genau. Allerdings gibt es erste Theorien. Ein möglicher Grund: Seit den 80er-Jahren werden kaum noch Menschen gegen die (Menschen-)Pocken geimpft, weil die Krankheit seitdem als ausgestorben gilt. Die Impfung schützt aber zum Teil auch vor Mpox. Der nachlassende Impfschutz in der Bevölkerung könnte es den Viren nun leichter machen, sich auszubreiten.
Ein weiterer Faktor, der eine Rolle spielen könnte, ist die Entwaldung von Regenwäldern, die überall auf der Welt voranschreitet. Mittlerweile
Eine Erklärung dafür: In abgeholzten Gebieten gibt es weniger Artenreichtum, wodurch beispielsweise Nagetiere weniger Fressfeinde haben und sich leicht vermehren können.
So kommen sie auch eher in Kontakt mit Menschen und können Krankheiten an diese übertragen. Die Globalisierung erledigt den Rest: Weil Menschen um die ganze Welt reisen, verschleppen sie Viren viel schneller über die Kontinente als früher.
10. Können sich Mpox so ausbreiten wie das Coronavirus?
Höchstwahrscheinlich nicht. Das Virus überträgt sich nicht über die Atemluft wie das Coronavirus. Das macht die Nachverfolgung von Kontaktpersonen deutlich leichter. So kann das Virus in der Theorie gut eingedämmt werden – vorausgesetzt natürlich, es wird rechtzeitig diagnostiziert.
Außerdem handelt es sich bei Mpox um ein DNA-Virus, während Coronaviren RNA-Viren sind. Das Erbgut von DNA-Viren ist stabiler, weshalb die Viren weniger leicht mutieren. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass schnell neue Varianten des Virus entstehen, die ansteckender sind – wie es beim Coronavirus der Fall war.
Gänzlich ausgeschlossen seien Mutationen jedoch nicht, betont etwa die Virologin Marion Koopmans: »Wie andere Viren können sich auch Mpox-Viren weiterentwickeln, wenn mehr Möglichkeiten zur Ausbreitung vorhanden sind. Pockenviren können ihre Eigenschaften ändern, wenn Teile ihres Genoms verändert werden.«
Auch deshalb ist es wichtig, Infizierte schnell zu erkennen, damit sich keine weiteren Personen aus dem engen Umfeld anstecken. Erkrankten sowie engen Kontaktpersonen rät das RKI,
11. Gibt es Impfungen?
Ja. Seit 2022 ist in der EU der Impfstoff »Imvanex« für die Impfung gegen Mpox zugelassen. Seit 2013 ist er als Pockenimpfstoff zugelassen. Bei dem Vakzin handelt es sich um eine neue Generation von Pockenimpfstoff,
- Menschen, die Kontakt mit dem Virus hatten: Bis zu 14 Tage nach Viruskontakt können sich Betroffene ab 18 Jahren impfen lassen. Das gilt insbesondere für enge Kontakte.
- Bei örtlichen Infektionshäufungen: Sollte es zu einem lokalen Ausbruch kommen, wird die Impfung auch Erwachsenen empfohlen, die keinen (bewussten) direkten Kontakt zu Erkrankten hatten.
- Männer über 18 Jahre, die Sex mit Männern haben (MSM) und häufig ihre Partner wechseln. Hier ist eine Anpassung bei geänderter Risikolage möglich: Aktuell gibt es beispielsweise im Kongo auch vermehrt Ansteckungen über heterosexuelle Kontakte.
- Personal in Speziallaboren, das mit infektiösen Proben arbeitet.
- Für Schwangere sowie für Kinder und Jugendliche wird der Impfstoff derzeit nicht empfohlen, hier fehlen noch Studiendaten.
Auch eine medikamentöse Behandlung der Krankheit ist möglich. Sie erfolgt eher unterstützend und symptomatisch, etwa mithilfe von Schmerzmitteln und Zink-Tinkturen für die Behandlung der Haut-Läsionen. Es geht vor allem darum,
12. Müssen wir uns also sorgen?
Aktuell besteht kaum Grund zur Sorge, dass Mpox eine neue Pandemie auslösen. Es handelt sich weder um eine Krankheit, auf die wir völlig unvorbereitet sind, noch droht eine unkontrollierbare Ausbreitung des Virus. Das Infektionsgeschehen im Auge zu behalten, auf mögliche Symptome zu achten und mehr über den Grund für die Infektionen herauszufinden, ist trotzdem wichtig.
Noch wichtiger ist es, über den Tellerrand zu schauen. Genau das ist in den letzten Jahren zu kurz gekommen und ermöglichte es, dass sich das Virus weiter ausbreitete und veränderte. »Wir müssen anerkennen, dass der internationale Ausbruch, der 2022 begann, trotz vorhandener Ressourcen und grundlegender Kapazitäten im Bereich der öffentlichen Gesundheit nicht eingedämmt werden konnte und dass auch außerhalb der afrikanischen Region weiterhin neue Fälle auftreten«, sagt Virologin Koopmans.
Auch Roman Wölfel, der das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München leitet, betont:
Die aktuelle Mpox-Situation in Zentralafrika macht aus meiner Sicht die besondere Bedeutung eines weltweit gemeinsamen und kooperativen Vorgehens beim Kampf gegen gefährliche Infektionen deutlich. Jeder Fall einer gefährlichen Infektionskrankheit ist einer zu viel. Egal, wo er auf der Welt auftritt.
Durch ein rasches und entschlossenes Vorgehen der Weltgemeinschaft und durch Einsatz der vorhandenen und erforderlichen Impfstoffe könne die aktuelle Ausbreitung von Mpox aber mit hoher Wahrscheinlichkeit eingedämmt werden. Also: Grund zur Panik gibt es aktuell nicht. Grund zum Handeln dafür umso mehr.
Dieser Text basiert auf diesem Artikel von Mai 2020. Er wurde aktualisiert und ergänzt.
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