Dieser Mann bringt das Ende der Massentierhaltung ins Kino
Marc Pierschel hat einen Film gemacht über Fleisch, für das kein Tier sterben muss.
29. August 2017
– 9 Minuten
Laura Kingston
Wir haben es alle tausendmal gehört: Die Massentierhaltung macht unsere Umwelt kaputt, die Tiere durchlaufen eine Tortur und für das Klima ist das alles auch eine Katastrophe. Trotzdem steigt die Fleischproduktion in Deutschland weiter an. Alles Wissen bringt uns dem Ziel, unseren Hunger auf Fleisch in den Griff zu bekommen, also kaum näher.
Was tun? Diese Frage möchte Regisseur Marc Pierschel in seinem neuen Film »The End of Meat« beantworten. Welche Möglichkeiten bringt die Zukunft, um auf der einen Seite unsere Lust auf den Hamburger zu stillen und gleichzeitig die Zustände in den Fleischfabriken zu ändern?
Marc Pierschel ist selbst seit 16 Jahren Veganer, hat überhaupt keine Lust auf einen erhobenen Zeigefinger und sucht in deshalb auf 3 Kontinenten nach Antworten auf diese Fragen. Rechtzeitig vor dem deutschlandweiten Kinostart am 3. September gibt er auch mir Antworten auf meine Fragen – über einer Portion Reis mit Gemüse und einem frischen Glas Saft in einem vegetarischen Restaurant in Münster.
Marc, inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Filmen, die sich mit Tierhaltung auseinandersetzen: Warum braucht es da noch deinen neuen Film »The End of Meat«?
Marc Pierschel:
Ich wollte wirklich versuchen, in die Zukunft zu schauen, eine Zukunftsperspektive zu entwickeln: Wie sieht die Welt aus, wenn wir kein Fleisch und keine Tierprodukte mehr essen? Was gibt es für zukünftige Entwicklungen?
Welche Entwicklung sticht da für dich heraus?
Marc Pierschel:
Gerade wird ein Thema sein. Ich finde es interessant, dass zur ethischen, ökologischen und gesundheitlichen Ebene jetzt noch die technologische Ebene hinzukommt. Jetzt erscheint es gar nicht mehr so unrealistisch, dass künstlich erzeugtes Fleisch einmal günstiger ist als herkömmlich produziertes.
Das Labor ist der neue Stall
»Cultured Meat« ist künstlich erzeugtes Fleisch. Zur Herstellung wird eine kleine Menge echter Rinder-Muskelmasse in eine gelegt, in der sich die Muskelzellen weiter vermehren. Um die Stammzellen zu entnehmen, muss das Rind nicht geschlachtet werden. Anfangs beklagten Testesser den faden Geschmack des Kunstfleisches; inzwischen züchten die Firmen aber auch Fettzellen mit, sodass der Geschmack echtem Fleisch schon recht nahekommt. Der niederländische Biowissenschaftler Mark Post züchtete im Jahr 2013 den ersten künstlichen Burger und will schon bald ein Produkt auf den Markt bringen.
So wird Cultured Meat hergestellt.
Ist die Idee hinter diesem »Cultured Meat«, die Ernährung von Veganern und Vegetariern zu vervollständigen? Oder ist das eher eine Art »Ersatzdroge« für den Fleischkonsumenten?
Marc Pierschel:
Mark Post sagt im Film, dass es für ihn ein Widerspruch wäre, wenn jetzt Vegetarier oder Veganer anfangen würden, Cultured Meat zu essen. Für sie wäre es eher ein Rückschritt, weil das Produkt nicht so hergestellt werden kann wie pflanzliche Alternativen. Der Energieverbrauch bei der Herstellung ist immer noch sehr hoch. Es richtet sich also an Fleischesser, die ein wenig ein schlechtes Gewissen haben, aber trotzdem nicht aufhören wollen, Fleisch zu essen.
Thema Geschmack: Ganz viel von dem, was wir mit Fleischessen assoziieren, kommt ja aus der Würze, dem Biss und der Struktur. Lässt sich das imitieren?
Marc Pierschel:
Es gibt diese beiden Unternehmen in den USA, »Impossible Foods« und »Beyond Meat«. Die haben den entwickelt. Die sind aus verschiedenen Zutaten gemischt und sollen natürlich so fleischähnlich wie möglich schmecken. Cultured Meat ist für Leute gedacht, denen das immer noch nicht echt genug ist, die echtes Fleisch haben wollen. Bei diesem Cultured Meat hat man die Möglichkeit, die Zellen so zu verändern, dass es von verschiedenen Tieren stammt. Dadurch kann man auch den Proteingehalt steigern, was für Sportler ganz interessant sein könnte.
Wann kommt das erste Cultured Meat auf unsere Teller? Auf diese Frage gibt es ganz unterschiedliche Antworten. Mark Post und andere Unternehmer schätzen, dass die Burger bis zum Jahr 2020 im Supermarkt liegen könnten. Der Preis dürfte dann bei pro Bulette liegen.
So entsteht der rein pflanzliche »Impossible Burger«.
Kein erhobener Zeigefinger
Meistens verlaufen Diskussionen zwischen Fleischessern und Veganern ziemlich ähnlich: Beide empfinden die Haltung des Gegenübers als verbohrt und hinterwäldlerisch. Hast du keine Angst, diese Gräben mit deinen Filmen weiter zu vertiefen?
Marc Pierschel:
Ich versuche immer, eine sehr zurückhaltende Position einzunehmen. Ich möchte nicht mit dem erhobenen Zeigefinger ankommen, sondern einfach die Alternativen aufzeigen. Ich möchte die Menschen dazu anregen,
Das ist meiner Erfahrung nach eine Haltung, die man mit einer gewissen Altersweisheit einnimmt, wenn man merkt: Das bringt jetzt nichts, mit dem erhobenen Zeigefinger herumzulaufen. War es bei dir auch so, dass du anfangs hartnäckig versucht hast, Menschen vom Veganismus zu überzeugen?
Marc Pierschel:
Nee, ich habe früher viele Infostände betreut und bei Demos mitgemacht. Die Diskussionen, in denen man als Veganer immer wieder die gleichen Vorurteile hört, haben mich verschreckt. Dann habe ich gedacht: Mit einem erreicht man mehr Leute und kann besser zum Nachdenken anregen.
Auf deiner Homepage findet sich eine Reihe kleiner, emotionaler die eine Krankheit überlebt und dem Schlachter entgeht. Das ist ja ganz nett; aber hilft das dabei, etwas an den Missständen in der Massentierhaltung zu ändern?
Marc Pierschel:
Die Idee war es, herauszustellen, dass Tiere fühlende Lebewesen sind. Ich glaube, für die meisten Menschen ist das ein Thema, das eigentlich viel zu wenig Beachtung findet – die Differenzierung zwischen Nutztieren und Haustieren. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Aspekt, weil die meisten Menschen Nutztiere nie zu Gesicht bekommen. Sie sehen nur das abgepackte Stück Fleisch im Supermarkt und haben keinen Bezug mehr zum Tier.
Du möchtest mit deinem Film also schon auch Fleischesser für den Veganismus gewinnen?
Marc Pierschel:
Nicht nur. Es ist schon eine ganzheitliche Perspektive, auch in Bezug auf die Tiere. Es geht um Massentierhaltung. Darum, welche Effekte es hätte, wenn wir darauf verzichten würden; oder wenn sie zurückgeht, wie sieht es global aus? Wo sinkt der Fleischverzehr, wo steigt er gerade?
Deutschland, Land der Veganer und Schlachter
Also hier in Deutschland nimmt das Thema in den letzten Jahren ja ordentlich an Fahrt auf.
Marc Pierschel:
Ja, auf jeden Fall. Gerade in den letzten 4, 5 Jahren: Im Jahr 2012 fing es mit dem Fleischskandal an, als Pferdefleisch in der Lasagne war. Dann kamen diese 2 Bücher raus: und Die haben die Debatte auf eine breitere gesellschaftliche Ebene gebracht. Dann kam dieser Gesundheitstrend in den Kochbüchern von und seitdem ist es eigentlich konstant in den Medien geblieben. Die veganen Produkte sind immer mehr geworden und die ganzen Fleischfirmen stiegen mit ins Geschäft ein. Immer mehr Großunternehmen labeln jetzt vegane Produkte und stellen diese Eigenschaft in den Vordergrund.
Die Zahlen der Vegetarier und Veganer in Deutschland steigen und steigen, genau wie die Zahlen der Ersatzprodukte. Gleichzeitig in Deutschland. Was ist da los?
Marc Pierschel:
Solange es Länder gibt, in denen der Fleischkonsum steigt, ist es schwierig, das zu ändern. Aber ich glaube, dass das Bewusstsein für die Effekte zunimmt, die die Tierhaltung hat. Gerade ist die Nitratbelastung wieder groß in den Medien und wir sehen, dass die Massentierhaltung zunimmt. Dagegen regt sich inzwischen Widerstand durch Bürgerinitiativen. Im Osten Deutschlands ist das schon sehr groß: Die großen Konzerne stellen ein paar Leute aus der Region ein, der Rest wird durch osteuropäische Arbeiter erledigt, die dort für einen Hungerlohn und zu miserablen Arbeitsbedingungen angestellt und ausgebeutet werden. Die Leute merken zunehmend: »Okay, hier wird Fleisch auf unsere Kosten produziert, das wir gar nicht konsumieren.«
Du warst für deinen Film ja nicht nur in Deutschland, sondern auch in Indien, Kanada, England, den Niederlanden und den USA unterwegs. Wie hast du da die kulturellen Unterschiede in Bezug auf Veganismus wahrgenommen?
Marc Pierschel:
In Indien ist es so, dass Fleischverzehr nicht so verbreitet ist wie hier. Da leben ungefähr 38% Vegetarier. Es ist ja ein sehr traditionelles Land und der Hinduismus ist der Hauptgrund für den Vegetarismus. Kühe sind heilig und haben dort einen ganz anderen Status als hier. Dort kann man aber den umgekehrten Trend wie hier beobachten. Bei denen ist das so, dass die durch den westlichen Einfluss jetzt eher zu Fleischessern werden – durch die ganzen internationalen Konzerne wie KFC, Pizza Hut und so.
Auch der Verzehr von Milchprodukten ist dort in den letzten 40 Jahren enorm gestiegen, was viele gesundheitliche Probleme mit sich gebracht hat, sehr viele Leute leiden inzwischen an Diabetes.
Indien sticht da mit Sicherheit heraus. Wie sieht es aber in den anderen Ländern aus? Ist Veganismus dort genauso ein Thema wie in Deutschland?
Marc Pierschel:
Ja, auf jeden Fall. Gerade in England ist die Wachstumsrate der veganen Ernährungsweise sehr hoch. Man merkt auch, dass es in den Medien zunehmend positiv besprochen wird. Dieses Stigma »Veganer sind verrückt!« verschwindet, die Akzeptanz nimmt zu. Das ist eigentlich in den meisten Ländern so: in den USA, Kanada, England, den Niederlanden.
Gesundheit ist der Türöffner für den Veganismus
In den meisten dieser Länder ist das Thema Veganismus heute ein Gesundheitsthema, nach dem Motto: »Veganismus hilft dir beim Abnehmen und du siehst besser aus.« Geraten dadurch Tierethik und der Umweltaspekt nicht in den Hintergrund?
Marc Pierschel:
Ich glaube, der gesundheitliche Aspekt war der Hauptaspekt, der den Veganismus erst so weit gebracht hat, wie er jetzt ist. Nur mit der ethischen Ebene hätte das nicht funktioniert. Das war so ein Türöffner für den Begriff Veganismus. Das hat den Begriff für die Menschen akzeptabler gemacht.
Wird die Gesundheit auch künftig am besten ziehen?
Marc Pierschel:
Ich glaube, dass ökologische Gründe immer mehr zunehmen.
Und gerade mit dem wird das ein Problem, das sich immer mehr zuspitzt.
In vielen Ländern, in denen Fleischverzehr jetzt gerade attraktiv wird, wird für die Futtermittelgewinnung immer mehr Regenwald abgeholzt. Wenn wir das verhindern wollen, ist Vegetarismus oder Veganismus die beste Alternative.
Vielleicht ist die Entscheidung, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren, in Zukunft gar keine private mehr, und Umstände wie der Klimawandel und die Abholzung der Regenwälder zwingen uns zu einer Umstellung.
Marc Pierschel:
Ich denke schon. Es gibt ja jetzt auch schon staatliche Initiativen, die versuchen, Anreize zu schaffen, um den Fleischkonsum zu reduzieren. ein Thema, um Anreize dafür zu schaffen, zu konsumieren.
Tierethik, Gesundheit, Klima, Umwelt oder Arbeitsbedingungen: Es gibt so viele unterschiedliche Gründe, aus denen Menschen auf tierische Produkte verzichten. Welcher ist für dich persönlich der wichtigste?
Marc Pierschel:
Der ethische Punkt war schon so der initiale Punkt, würde ich sagen. Vor 16 Jahren – ich war schon Vegetarier – habe ich ein bisschen recherchiert, woher Milch und Eier kommen. Bei den Zuständen in der Tierhaltung war für mich die klare Konsequenz, vegan zu leben.
Du lebst also seit 16 Jahren vegan. Da bist du sicher schon so ziemlich allen Vorurteilen gegenüber Veganismus begegnet. Was entgegnest du Menschen, die dir sagen, dass deine Ernährung ungesund ist?
Marc Pierschel:
Man muss sich ausgewogen ernähren – aber das muss man bei normaler Ernährung auch. Das einzige Problem ist so ein bisschen B12. Aber da gibt es mittlerweile zum Beispiel Zahnpasta mit B12.
Wie viel Anstrengung kostet es dich im Alltag, deine vegane Ernährung durchzuhalten?
Marc Pierschel:
Keine. Das ist mittlerweile so normal geworden. Es wird auch immer einfacher durch die Alternativen, die es im Supermarkt gibt und die vielen veganen Restaurants.
Hand aufs Herz: Für wie wahrscheinlich hältst du es, dass wir eines Tages in einer Welt leben, in der Tiere respektiert und nicht gegessen werden?
Marc Pierschel:
Ob es das je global geben wird, weiß ich nicht, aber dieses Thema Cultured Meat bringt wirklich noch mal eine neue Ebene rein. Wenn das in 5–10 Jahren wirklich eine Alternative zu Fleischprodukten ist, also wettbewerbsfähig produziert wird, dann wird sich vieles rasant ändern. Mal schauen, was dann passiert.
Der Physiker Felix begrüßt den Trend zu Hafermilch und fährt gern Rad. Er weiß aber auch, dass das nicht genügen wird, um die Welt vor der Klimakatastrophe und dem Ökokollaps zu bewahren. Deshalb schreibt er über Menschen, Ideen und Technik, die eine Zukunft ermöglichen. Davon gibt es zum Glück jede Menge!