Was du tun kannst, um besser zu altern
Ich habe den Longevity-Trend unter die Lupe genommen und erkläre dir, welche Tipps wirklich helfen, wenn du dir ein gesundes, langes Leben wünschst.
Am Anfang stand ein Video von Bryan Johnson. Ein US-Multimillionär, der beschlossen hat, alles dafür zu tun, nicht zu sterben. Er hat sehr helle Haut, ist sehr dünn und bezeichnet sich als »Verjüngungsathlet«.
Sein Ziel ist nicht nur die schnöde Unsterblichkeit, sondern er will seinen Körper sogar verjüngen. Diesem Ziel ordnet er alles unter. Essen, Schlafen, Sport, alles folgt klaren Regeln. Die Videos von Bryan Johnson schreckten mich ab, gleichzeitig war ich fasziniert. Denn obwohl das alles verrückt wirkt, sagt er auch immer wieder ziemlich nachvollziehbare Dinge. Zum Beispiel, dass es eigentlich verrückter sei, etwas zu tun, was unseren Körpern schade: zu wenig zu schlafen, Alkohol zu trinken oder zu viel und falsch zu essen.
Mit der Zeit wurde mir klar, dass Bryan Johnson nur die extreme Spitze des Eisbergs an Videos und Podcasts zum Thema Langlebigkeit – auf Englisch: Longevity – war. Vor allem im US-amerikanischen Raum gibt es einen regelrechten Hype. Ich begann, mich mit dem Thema zu beschäftigen, las Bücher,
Auch wenn ich den Tod nicht vermeiden kann, würde ich gerne schweren Krankheiten aus dem Weg gehen, wenn irgend möglich. Aber Millionen? Habe ich leider nicht. Ich brauche Langlebigkeit zum Discountpreis.
Und natürlich geht es nicht nur mir so, deshalb prangt der Langlebigkeitshype inzwischen auch in Deutschland auf vielen Titelbildern, von der
All das ruft natürlich auch fragwürdige »Expert:innen« auf den Plan, viele widersprechen sich, mischen Meinungen und Fakten. Wer zum Thema Langlebigkeit recherchiert, gerät schnell in ein Labyrinth aus »Blue Zones«, Nahrungsergänzungstipps, Trainingsplänen und steilen Thesen zur kommenden Unsterblichkeit.
Geht es hier um
Wie Geschäftsleute den Traum vom langen Leben zu Geld machen
Statistisch gesehen ist mit 44 Jahren mehr als die Hälfte meines Lebens rum. Bisher ist alles immer nur besser geworden: Die Rushhour des Lebens ist vorbei, ich fühle mich ausgeglichener, bin zufriedener als früher. Ein paar Bonusjahre würde ich gerne nehmen, nur gute sollten es nach Möglichkeit sein.
Diesen Wunsch werden auch andere haben:
Für manche scheint sich der Traum vom langen, gesunden Leben heute schon zu erfüllen. Der US-Journalist Dan Buettner schreibt darüber seit vielen Jahren.
Sie alle leben in den sogenannten Blue Zones. Das sind Gebiete, in denen ungewöhnlich viele Menschen sehr alt werden. Sie liegen etwa auf Sardinien, der griechischen Insel Ikaria oder der südjapanischen Insel Okinawa.
Vielleicht können wir uns ja ein klein wenig abschauen von denen, die es anscheinend richtig machen und schon heute 100 Jahre und älter werden. Eine fantastische Startrampe für allerlei Ratgeber, Kochbücher, Vortragsreihen.
Rote Karte für Blaue Zonen?
Doch die attraktive Startrampe bekommt allmählich ein paar Schlaglöcher.
Er stellt fest, dass die Zahlen im Zeitverlauf unstimmig sind:
Eurostat verfolgt die Lebenserwartung auf Sardinien, der italienischen blauen Zone, und auf Ikaria, in Griechenland. Als die Behörde 1990 mit der Aufzeichnung begann, lag Sardinien bei der Lebenserwartung im Alter auf Platz 51 von 128 Regionen in Europa und Ikaria auf Platz 109.
War hier also der Wunsch der Vater der Langlebigkeit? Zumindest zeigt die Kritik, dass es sich lohnt, genauer hinzusehen, wenn etwas zu schön klingt, um wahr zu sein. Dennoch bedeutet das nicht, dass wir jetzt unser Olivenöl wegkippen müssen. Wir sollten die Erkenntnisse nur woanders suchen. Und wissenschaftliche Studien kommen bei einigen Lehren aus den Blue Zones zu ähnlichen Ergebnissen.
Gehen wir zurück auf Los.
Was passiert, wenn wir altern?
So abgeschmackt es klingen mag: Alter ist nur eine Zahl. Das Altern als Prozess kann aber wissenschaftlich beschrieben und untersucht werden.
Wenn wir älter werden, steigt so also auch das Risiko für Krankheiten wie Krebs oder Demenz.
Aber Kratzer lassen sich vermeiden, wenn man gut genug aufpasst – und unvermeidliche Abnutzungserscheinungen repariert. Forschende wie er bezeichnen das Altern selbst als die allem zugrundeliegende Krankheit, die sich dann in den unterschiedlichen Symptomen äußert.
Analog sucht er nach einer Lösung, die den gesamten
In der Forschung gab es in den vergangenen Jahren dennoch einige Erfolge.
- So hat sich etwa bei Mäusen gezeigt, dass die Entfernung sogenannter
- Andere Experimente ließen den Schluss zu, dass der Stoff Taurin das Leben von Mäusen verlängert.
In der näheren Zukunft wird es vermutlich noch mehr erstaunliche Erkenntnisse geben, denn es fließt viel Geld in die Forschung. Die Crux:
Langlebigkeit bedeutet nicht (direkt) ewiges Leben
Das wollen vor allem die stärker begüterten Männer dieses Planeten nicht hinnehmen. Da muss doch mehr gehen.
Longevity-Influencer Bryan Johnson scheint gegen alles auf einmal zu Felde zu ziehen. Er hat seine persönliche Mission »Don’t die« genannt und er meint genau das. Er nennt sich methodenagnostisch, also: offen für alles, was Leben verheißt, auch wenn das bedeutet, dass Menschen eines Tages dafür mit KI verschmelzen müssen.
Im Hier und Jetzt löffelt er deswegen täglich einen grünen Brei aus Brokkoli, Linsen, Pilzen, Blumenkohl und 100%iger Schokolade (wegen der Antioxidantien), schluckt mehr als 100 Pillen, darunter auch das Diabetes-Medikament Metformin und das erwähnte Rapamycin, isst kalorienreduziert und treibt täglich eine Stunde Sport. Licht aus ist um 21 Uhr, ohne Diskussion.
Der Essensplan dient ihm auch als Grundlage eines seiner Geschäftsmodelle: legal erhältliche Nahrungs- und Ergänzungsmittel verkauft er inzwischen in die ganze Welt. Doch er sagt auch: die wichtigsten lebensverlängernden Maßnahmen kosten eigentlich (fast) kein Geld. Wissenschaftlich fundiert sind sie auch noch. Das ist doch fantastisch.
Bauen wir uns unsere eigene Blaue Zone!
Wie bauen wir uns also unsere eigene »Blue Zone« der Langlebigkeit?
Die erste gute Nachricht:
Es gibt aber auch ein paar Punkte, die wir alle selbst in die Hand nehmen können, vor allem unseren Lebensstil.
1. Schlafe gut!
Unser Körper regeneriert und repariert sich im Schlaf. Muskeln und anderes beschädigtes Gewebe werden wieder in Ordnung gebracht, Giftstoffe ausgespült, Gelerntes im Gehirn verarbeitet und archiviert.
Männer, die ausreichend Schlaf bekommen, leben im Schnitt etwa 5 Jahre länger, Frauen können im Schlaf 2 Jahre dazugewinnen. Aber wie viel Zeit im Träumeland ist genug? Als Faustregel nennen Forschende meist 7–9 Stunden, allerdings ist das Schlafbedürfnis von Mensch zu Mensch unterschiedlich.
Wichtig sind ein dunkles Schlafzimmer, möglichst keine lauten Geräusche in der Nacht, eine regelmäßige Schlafenszeit, körperliche Betätigung tagsüber. Alkohol beeinträchtigt die Schlafqualität, deshalb ist es besser, darauf zu verzichten, zumindest aber einen längeren Abstand zum Schlafen einzuhalten.
Meine Hacks: Um herauszufinden, wie viel Schlaf ich brauche, habe ich meine Bettzeit anfangs auf 21:30 Uhr gelegt und mir den Wecker auf den für mich spätestmöglichen Zeitpunkt 7 Uhr gestellt. Nach etwa 7,5–8 Stunden wache ich von alleine auf. Seitdem ich das weiß, gehe ich um 22 Uhr ins Bett und stehe meist ohne Wecker ausgeruht um 6 Uhr auf. Manchmal verschiebe ich aus sozialen Gründen die Zeit, aber nicht, um einfach noch eine Folge irgendeiner Serie zu gucken.
Vollständige Dunkelheit schafft eine Schlafmaske, manchmal kommen noch Ohrenstöpsel dazu, denn ich wache schnell von Geräuschen auf. Kaffee nach 12 Uhr meide ich. Manche Menschen brauchen den Koffeinstopp aber auch 12 Stunden vor dem Schlafen. Alkohol habe ich aufs Wochenende verbannt und für Situationen reserviert, in denen ich mir wirklich großen Genuss davon verspreche. Meist bleibt es bei 1–2 Gläsern Bier oder Wein.
2. Achte auf deine Ernährung!
Dass eine gesunde, ausgewogene Ernährung ein Schlüssel zur Langlebigkeit ist, wird die wenigsten verwundern. Aber nicht nur was wir essen, kann einen Unterschied machen, sondern auch wie viel bzw. wenig. Studien haben gezeigt, dass Tiere mehr als 1/3 Lebenszeit gewinnen, wenn sie weniger Nahrung bekommen, als sie normalerweise aus freien Stücken essen würden.
Ebenso die nächste:
Meine Hacks: Ich habe mich eine Weile am Essensplan von Bryan Johnson orientiert. Viel Linsen, Brokkoli, Nüsse, Beeren, alles pflanzlich. Allerdings auch ein wenig eintönig. Heute achte ich darauf, einfach so gut wie keine stark verarbeiteten Lebensmittel zu essen, weil die mein Sättigungsgefühl austricksen. Aber auf Brokkoli und Linsen komme ich doch immer wieder zurück.
Eis oder Schokolade gibt es bei mir trotzdem, einmal in der Woche auch Pizza. Allerdings setze ich mir (meist) ein klares Limit. Wichtig ist mir, grundsätzlich dabei zu bleiben. Nur weil ich auf einer Party mal Wein getrunken oder viele Süßigkeiten gegessen habe, ist nicht alles gleich dahin.
3. Bewege dich!
Der ganze Körper inklusive Gehirn profitiert von Bewegung. Sport senkt das Risiko für viele Krankheiten wie Diabetes Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs – außerdem hilft regelmäßiger Sport gegen Osteoporose und baut Stress ab. Bewegung ist also ein gewaltiger Faktor, wenn es darum geht, gesund alt zu werden. Die grundsätzliche Empfehlung lautet: Baue Bewegung im Alltag ein, wann immer es geht.
Telefonieren? Lieber im Gehen als im Sitzen. Lieber die Treppe als den Aufzug nehmen.
2-mal pro Woche empfiehlt die BZgA Krafttraining. Das geht auch ohne Geräte, zum Beispiel mit Youtube-Videos, wenn du schon etwas Erfahrung hast.
Peter Attia betont, dass Krafttraining mit dem Alter immer wichtiger werde, vor allem der Beinmuskulatur. Viele Stürze alter Menschen hängen mit Muskelschwäche in Gesäß und Beinen zusammen. Weil etwa ein Oberschenkelhalsbruch im Alter lange braucht, um zu heilen, gehen viele Muskeln verloren, die dann kaum zurückzugewinnen sind.
Meine Hacks: Obwohl ich früher sehr viel Sport getrieben habe und auch Marathons gelaufen bin, kam mir nach einer längeren Pause das Pensum ziemlich hoch vor. Und tatsächlich ist mein Körper anfangs in eine Überlastung geraten, ich habe mich zum Beispiel schneller erkältet. Ein behutsamer, aber stetiger Aufbau hilft dem Herz-Kreislauf-System, Sehnen und Gelenken, sich an die Belastung zu gewöhnen. Auch 15 Minuten Krafttraining sind am Anfang besser als nichts. Wieder gilt: Wichtig ist, dabeizubleiben.
4. Rauche nicht, trinke nicht!
Wer keinen Tabak raucht oder damit aufhört, gewinnt mit hoher Wahrscheinlichkeit viele qualitativ hochwertige Lebensjahre dazu. Rauchen schädigt den gesamten Körper. Lebenslanges Rauchen verkürzt das Leben im Schnitt um etwa 10 Jahre. Das Gute: Wer aufhört, gewinnt immer.
Was ist mit dem Gläschen in Ehren?
Meine Hacks: Alkohol nur, wenn ich das Gefühl habe, dass es sich wirklich lohnt. Dann trinke ich möglichst nicht mehr als 2 Drinks. Denn mal ehrlich: Wird der Rausch danach wirklich noch besser? Der Schlaf jedenfalls verschlechtert sich massiv. Beim Tabak bin ich seit mehr als 13 Jahren abstinent. Nie anzufangen ist hier der beste Hack, denn Aufhören ist immer schwer.
5. Und sonst?!
Gut schlafen, essen, viel Bewegung, kein Tabak und Alkohol – darüber hinaus gibt es noch einige Dinge, die dabei helfen können, gut alt zu werden.
Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen kann bei der Früherkennung vieler Krankheiten helfen. Außerdem sind Freundschaften sehr wichtig. Wie viele es sind, ist nicht ausschlaggebend, aber wer gute soziale Bindungen hat, dem geht es im Durchschnitt besser. Einsamkeit – nicht nur im hohen Alter – ist inzwischen ein großes gesellschaftliches Problem.
Alles klar, wirst du jetzt vielleicht denken, all diese Ratschläge befolgen und dabei keinen Stress empfinden, wie soll das denn gehen? Vermutlich, indem du gnädig mit dir selbst bist und deinen Frieden damit machst, dass nicht alles auf einmal geht.
Doch regelmäßig ein bisschen Sport zu treiben, ist immer noch besser, als einmal viel und dann wieder 2 Wochen gar nichts zu tun. Lang genug zu schlafen, ist unglaublich erholsam, vor allem, wenn es regelmäßig dazu kommt. Aber wenn ich am Wochenende Freunde treffen und mit ihnen lachen kann, werde ich dafür auch mal eine Mütze Schlaf sausen lassen. Über die Zeit bin ich im Rückblick auf die vergangenen 2 Jahre – mit einigen Ausreißern, die sich gelohnt haben – aber doch erstaunlich konsistent geblieben.
Der Megatrend zur Langlebigkeit kann nämlich auch so interpretiert werden: Lasse dich nicht vom Leben kaputtmachen, nimm dir Pausen und achte auf dich. Vielleicht klappt es dann ja mit dem Holzhacken jenseits der 90. Wenn nicht, gibt es immer noch Holzspalter.
Mit Illustrationen von Claudia Wieczorek für Perspective Daily