Dein Chef will, dass du zurück ins Büro kommst? Das kannst du tun
Viele Unternehmen wollen ihre Angestellten wieder öfter im Büro sehen – und riskieren, ihre besten Arbeitskräfte zu verlieren. Was Bürozwang mit unserer Arbeit macht.
Der Handelskonzern Amazon, Computerhersteller Dell, das Softwareunternehmen SAP und etliche Finanzdienstleister beordern ihre Mitarbeitenden aus dem Homeoffice zurück ins Mutterschiff. Die neue Präsenzpflicht gilt meist für 3–5 Wochenarbeitstage. Vor allem in den USA preschen Unternehmen mit den neuen Regelungen vor.
Fehlt es ihnen an Vertrauen in ihre Angestellten?
Keineswegs, glaubt man Amazon-Chef Andy Jassy. Er schrieb in einer inzwischen veröffentlichten E-Mail an die Mitarbeitenden, es gehe bei der strengen Büropflicht
Ähnlich beschreiben es andere Unternehmen.
Und bei uns?
Arbeitsforscher:innen kaufen den Unternehmen die »Firmenkultur«-Begründung aber nicht ganz ab und glauben, dass noch etwas ganz anderes dahintersteckt.
Was das ist und wie du dich wehren kannst, wenn dich dein:e Chef:in zurück ins Büro kommandiert, darum geht es in diesem Artikel.
Zurück ins Büro wegen der »Kultur«?
Machen wir uns erst mal klar, was »zurück ins Büro« heißt. Für viele Arbeitnehmenden geht das zusammen mit Pendelzeiten und -kosten, mehr Stress, geringeren Erholungszeiten, weniger Flexibilität und für Eltern: Kinderjonglage. Das ist die eine Seite.
Die andere klingt deutlich positiver: Amazons CEO Andy Jassy schreibt seinen Angestellten, dass eigentlich alles gut laufe. Allerdings sei es auch wegen schnellerer Entscheidungsprozesse besser, an einem echten Ort zusammen zu sein. Die Deutsche Bank argumentiert auf Anfrage ähnlich: »Wir sind überzeugt, dass der persönliche Austausch und die direkte Zusammenarbeit in räumlicher Nähe identitätsstiftend und Ausdruck unserer Unternehmenskultur sind.«
Was stimmt denn jetzt: Büroidylle oder Bürostress?
Ob Menschen Arbeit zu Hause oder im Büro bevorzugen, kommt laut Wirtschaftsprofessor Nicholas Bloom von der Stanford University auf die jeweiligen Lebensumstände an. Wer beengt wohne, tendiere vielleicht eher zum Büro, wer Familie und lange Anfahrtswege habe, bleibe lieber zu Hause. Berufseinsteiger:innen könnten vor Ort vielleicht besser von den alten Hasen lernen.
Eine pauschale Entscheidung für ein ganzes Unternehmen kann also nie für alle eine gute Lösung sein.
Das klingt nach Situationen, die Unternehmen mit Motivation und Freiwilligkeit eigentlich in den Griff bekommen könnten. So machen wir es zum Beispiel auch bei Perspective Daily.
Wenn Großunternehmen wie Amazon oder die Deutsche Bank die Präsenz stattdessen von oben herab diktieren, wirkt das mehr nach Misstrauen als nach Tschakka-Kultur.
Dabei müssten sich misstrauische Unternehmen nur die Studienlage anschauen: Diese weisen klar in Richtung Flexibilität.
Also warum machen sie es dann?
Wer Mitarbeiter:innen halten will, fasst flexible Modelle nicht an
Eine These zum »Präsenzpflichttrend«, die Bloom, aber auch der deutsche Organisationsforscher Florian Kunze äußern:
Auch der Softwarekonzern SAP setzt auf mehr Präsenz. Gleichzeitig will das Unternehmen massiv Stellen abbauen. Weil sich SAP stärker Richtung KI umstrukturiert, fallen bestimmte Jobs weg. Dazu gibt es sogar ein Freiwilligenprogramm, das Abfindungen und Frühverrentungen umfasst.
Es gibt also ganz unterschiedliche Motivationen für den Ruf nach mehr Homeoffice.
Ich habe mit einem Mitarbeiter aus dem Bereich der IT-Beratung gesprochen. Hier werden alle verfügbaren Hände gebraucht.
Ungefähr 2-mal in der Woche gehe er ins Büro und dann auch mit Freude, um Kolleg:innen zu sehen. Ein Bürozwang sei in seiner Branche derzeit nicht durchsetzbar, sagt König. Er erwarte zwar keinen solchen Schritt von seinem Unternehmen, werde eine derart unflexible Regelung aber nicht akzeptieren – und viele Kolleg:innen wohl auch nicht. »Die meisten könnten sofort woanders arbeiten«, sagt er.
Außerdem sei das Homeoffice auch vom Unternehmen eingeplant, weil im IT-Bereich längst auch international gesucht werde. Königs Arbeitgeber hat die Büroflächen entsprechend der Nachfrage an vielen Standorten deutlich reduziert und lockt mit gemeinsamem Frühstück oder anderen Teamaktivitäten Mitarbeitende auf freiwilliger Basis ins Büro. Wer so vorgeht, kann laut Forscher Nicholas Bloom doppelt profitieren:
- Wer ortsunabhängig einstellt, hat größere Chancen, die besten vorhandenen Arbeitskräfte im Land (oder auf der Welt) zu finden.
- Unternehmen sollten mehr auf Profitabilität achten als auf Produktivität. Selbst wenn die letztere sinke, wiege die Kostenersparnis verlorene Produktivität oft auf.
Es gibt also einen Haufen Argumente, flexible Arbeit zu ermöglichen. Wenn dich dein:e Chef:in trotzdem ins Büro zwingen will, hast du immer noch ein paar Optionen.
Was du tun kannst, wenn du zurück ins Büro kommen sollst
Grundsätzlich haben Arbeitgebende in der Tat das Recht, zu bestimmen, ob, wann und wie lange die Angestellten im Büro arbeiten sollen.
- Prüfe deinen Arbeitsvertrag. Oft sind eine bestimmte Anzahl von Tagen festgehalten, an denen du zu Hause arbeiten darfst. Ist darin ein Recht auf Homeoffice festgehalten, kann dein:e Chef:in dir dieses nicht einfach von heute auf morgen nehmen. Existiert so ein Passus nicht, kannst du das Gespräch suchen.
- Argumentiere. Sprich mit deinem Chef oder deiner Chefin und erkläre deine persönliche Situation, warum du nicht einfach das Homeoffice aufgeben kannst. Müsstest du etwa wegen Care-Arbeit oder langer Arbeitswege sonst deine Stundenzahl reduzieren? Kannst du mit Homeoffice vielleicht auch mal flexibler sein, als nur starr von 9 bis 17 Uhr zu arbeiten? Zählst du die Vorteile für dein Unternehmen auf, ist vielleicht ein Kompromiss möglich.
- Sprich mit dem Betriebsrat. Wenn dein Unternehmen einen Betriebsrat hat, kann er für dich eintreten. In manchen Fällen gibt es eine Betriebsvereinbarung zur Arbeit in den eigenen 4 Wänden. Gibt es diese nicht, kann der Betriebsrat aber immerhin den Unmut der Belegschaft bündeln und ihn der Unternehmensleitung vortragen.
- Schließe dich mit anderen zusammen. Wenn du mit deiner Haltung zur Büropflicht nicht allein bist, schließe dich mit den anderen zusammen.
- Kündige. Wenn alles nichts hilft, du dich mit mehr Arbeit im Büro nicht abfinden willst oder es einfach nicht einrichten kannst, so oft im Büro zu erscheinen, bleibt dir im ärgsten Fall nur der Absprung. Dann solltest du dir allerdings sicher sein, dass du problemlos eine neue Stelle findest. Vorher gibt es einige Fragen zu beantworten: Wie sehr schätzt du dein Arbeitsumfeld? Bist du bereit, es aufzugeben und noch mal woanders neu anzufangen? Kannst du einen gleichwertigen Job finden, der dich genauso erfüllt wie der aktuelle? Ist die neue Bürokultur vielleicht nur das eine kleine Ärgernis oder ist dir Flexibilität so wichtig, dass ohne sie alles nichts ist?
Grundsätzlich gilt:
Ein paar US-Konzerne, die vorpreschen, machen noch längst keinen Trend in Deutschland.
Mit Illustrationen von Claudia Wieczorek für Perspective Daily