Hast du Angst, über dunkle Plätze zu laufen?
Seitdem in Köln nachts ein 22-Jähriger erstochen wurde, heißt es: mehr Polizei! Mehr Überwachung! Das ist aber nur ein kleiner Teil der Lösung, wie gefährliche Orte wirklich sicherer werden können.
Der Ebertplatz in Köln ist einer dieser Orte, wo man die Hände tiefer in die Manteltaschen drückt. Wo man zielstrebigere, größere Schritte macht und erst auf der anderen Seite den Blick wieder schweifen lässt. Solche Straßen und Plätze – die Soziologie spricht von »Angsträumen« – gibt es in nahezu jeder Stadt.
Wie schnell die Stimmung kippen kann, erlebt Köln gerade am Ebertplatz,
Als
Der Begriff erinnert verdächtig an »No-Go-Area«, einen Kampfbegriff, den die
Vorzeige-Beispiel Fürth: Die sicherste deutsche Großstadt
Straßenkriminalität machte 2016 mit 1,3 Millionen registrierten Fällen etwa jeden fünften Eintrag in der
Mit
Ein weiterer wichtiger Faktor seien die Bewohner selbst, die in stabilen sozialen Strukturen lebten: »Wir sind keine Universitätsstadt mit schnell wechselnder Bevölkerung.« Fast wie im Dorf falle Ungewöhnliches schnell auf.
Nun hat nicht jede Stadt das Glück, direkt neben einer größeren zu liegen, die einen Teil der Verbrechen wie ein Magnet fortzieht. Wie sehen Lösungen aus, die auch in Leipzig, Berlin, Köln oder Hamburg funktionieren?
Sicherheit beginnt beim Stadtplaner
Dafür habe ich zuerst mit dem Soziologen Tim Lukas von der Universität Wuppertal gesprochen.
- Nutzungsmischung: Wenn immer Menschen auf einem Platz sind, gibt es auch immer potenzielle Zeugen. Deshalb ist wichtig, dass ein Platz rund um die Uhr für seine Anwohner relevant bleibt – wenn tagsüber Marktstände aufgebaut und nachts Kneipen geöffnet sind, ist der Platz nie ganz leer.
- Sichtachsen: Verwinkelte Gassen sind prima zum Auflauern – deshalb ist es wichtig, dass öffentliche Orte übersichtlich und schon von Weitem einsehbar sind. Dann gibt es für jeden Übergriff potenziell mehr Zeugen.
- Beleuchtung: Es ist naheliegend, aber wenn ein Platz in angenehmes Licht getaucht ist, fühlt er sich weniger bedrohlich an als eine Tiefgarage, in der die letzte Neonröhre bläulich flackert. Das steigert zumindest das subjektive Sicherheitsempfinden – auf die Frage, ob mehr Licht tatsächlich zu weniger Verbrechen führt, geben verschiedene Studien
- Freundlicher Eindruck: Wenn ein Platz ansprechend gestaltet ist (und dauerhaft in Schuss gehalten wird), halten sich Menschen gern dort auf. Stadtplaner haben bereits am Reißbrett einen Einfluss darauf, welche Menschen einen Platz später nutzen werden.
Diese Faktoren werden besonders bei Neu- und Umgestaltung von Plätzen immer wichtiger. Aber auch mit kleineren Maßnahmen im Bestand können Architekten nachjustieren. So haben Städte in den Niederlanden, Großbritannien, aber auch
Sicherheit hängt von den Menschen ab
Es ist eine Fehlannahme, dass Angsträume sicherer werden, indem man Angstmacher verdrängt: Im Juli hielten sich mit einem Mal weniger Bettler und Punks am Leipziger Hauptbahnhof auf, als – angeblich, um Touristen angemessen in der Bach-Stadt zu empfangen –
In Toronto gibt es schon seit 1999 sogenannte
Letztlich hat die gefühlte Sicherheit an einem bestimmten Ort auch immer mit dessen Image zu tun: »Angsträume sind Orte, die aufgrund ihrer baulichen und sozialen Beschaffenheit von Menschen gemieden werden«, sagt Tim Lukas.
Paradoxerweise tragen mehr Polizeikontrollen erst einmal nicht zu einem Imagewandel bei – denn sie decken mehr Delikte auf, die als
Sicherheit ist auch nicht alles
Sicherheit in der Stadt lässt sich aber auch nicht erzwingen, indem alles andere erstickt wird. Sie sei nur ein Wert unter vielen, sagt Tim Lukas: »Zum städtischen Leben gehören auch
Auf dem engen, städtischen Raum kollidieren viele Interessen – das birgt besondere Herausforderungen. Lukas erzählt von seinem Arbeitsort Wuppertal, wo gerade der Bahnhofsvorplatz neugestaltet wird und mit einer Einkaufsbrücke an die Innenstadt angebunden werden soll: »Die Stadt wollte aus Gründen der Kriminalprävention keine Glasüberdachung, aber die Läden wollten auch an Regentagen Geschäfte machen. Die Gewerbe haben sich durchgesetzt.«
Um die Sicherheit rund um den neuen Hauptbahnhof ging es dann auch in einem Bürger-Workshop. »Als die Leute alle Sicherheitsmaßnahmen aufgezählt hatten, die sie sinnvoll fanden, haben sie festgestellt: Das ist ein toter Ort. Dann haben sie überlegt, ein Nachbarschaftsfest, um sich kennenzulernen, wäre besser.«
Das wichtigste Mittel, damit im öffentlichen Raum keine Angsträume entstehen, ist soziale Kontrolle – und die Stadtplanung kann mit den oben genannten Schlüsselfaktoren darauf hinarbeiten, dass die Orte bevölkert werden.
So wird der Ebertplatz wieder sicher
Was aber ist mit Orten, die längst vom Angstraum zum Tatort geworden sind?
»Die Polizei hat den Ebertplatz aufgegeben«
Um diese Frage zu beantworten, kehren wir am besten auf den Kölner Ebertplatz zurück. Hier hatte Bezirksbürgermeister Andreas Hupke von den Grünen für eine
Die drastische Formulierung habe er absichtlich so gewählt, sagt mir der Grünen-Politiker. Er beklagt, dass er sich
Seitdem sich die Vorfälle heutzutage häufen, geht plötzlich alles schnell: CDU und AfD fordern im Stadtrat eine
Ob tatsächlich mehr Videoüberwachung kommt, wird geprüft.
Wenn wir sozialen Frieden wollen, brauchen wir Sozialarbeiter und Sozialraum-orientierte Polizisten, die das Grundgesetz durchsetzen und die ganze Konsequenz des Rechtsstaates aufzeigen.
Um Orten wie dem Ebertplatz, an denen offen mit Drogen gedealt wird, langfristig zu helfen, fährt der Bezirksbürgermeister schwere politische Geschütze auf: »Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz und am besten ein Einwanderungsministerium.« Außerdem solle Cannabis
Das wird freilich noch ein paar Jahre dauern. Dann könnte der Ebertplatz kaum wiederzuerkennen sein: Seit gut 10 Jahren ist bereits eine
Bis dahin müssen die Menschen, die den Ebertplatz überqueren, in das scheußliche Waschbeton-Loch hinabsteigen – Soziologe Tim Lukas rät dazu, sie bei einer Neugestaltung wieder über die Erde zu holen und den Platz auf Straßenniveau anzuheben. Auch auf dem Ebertplatz ist es nicht unmöglich, der Angst den Raum zu nehmen.
Änderungshinweis: Ich habe nachträglich noch einmal mit der Kölner Polizei telefoniert und ein paar Informationen nachgetragen.
Angst kann uns hemmen, aber auch schützen – oder sogar antreiben.
Willst du mehr über diese uralte Emotion wissen? Dieser Text ist Teil unserer Reihe zum Thema Angst!
Titelbild: David Ehl - copyright