Was passiert mit unseren Daten, wenn wir sterben?
Unser digitales Ich stirbt nicht mit uns. Sein Eigenleben kann unsere Angehörigen noch monatelang beschäftigen und einiges kosten. Das muss nicht sein.
Vor einem Jahr klagte eine verzweifelte Mutter aus Berlin gegen Facebook. 2012 war ihre 15-jährige Tochter von einer U-Bahn erfasst worden und kam ums Leben. Die Eltern zweifelten: Waren vielleicht doch Selbstmord und Mobbing die wahren Gründe für den frühen Tod ihrer Tochter? Um ihre Zweifel aus dem Weg zu räumen, wollten sich die Eltern Zugang zum Facebook-Profil ihrer Tochter verschaffen. Doch das soziale Netzwerk rückte das Passwort nicht raus und die Eltern klagten.
Das Berliner Kammergericht gab Facebook Recht. Der Account blieb gesperrt, die privaten Daten ihrer verstorbenen Tochter für die Eltern unerreichbar.
Hast du deinen digitalen Nachlass schon geregelt?
was mit ihren Daten nach dem eigenen Tod passieren soll. Gleichzeitig würde der Großteil genau das gern regeln –
Was also sollte jeder über den »Digitalen Nachlass« wissen?
Warum uns unsere Daten auch nach dem Tod nicht egal sein sollten
Dabei entstehen riesige Datenmengen:
Stirbt ein Mensch, verschwinden seine Spuren im Netz nicht einfach. Chat-Nachrichten, Urlaubsbilder, Lieblings-Listen, Reviews, »Über mich«-Seiten mit persönlichen Angaben,
»Wenn ich tot bin, interessieren mich meine Daten auch nicht mehr!«
Als die Mutter aus Berlin in den Facebook-Nachrichten ihrer Tochter nicht nach Gewissheit suchen konnte, nagten die Zweifel weiter an ihr. Sie wollte wissen, warum ihre Tochter so früh sterben musste. Sie brauchte Gewissheit, um den Tod verarbeiten zu können.
Andere Daten schaden vielleicht dem Andenken des Verstorbenen – etwa wenn nachträglich peinliche oder anzügliche Bilder im Netz auftauchen. Spätestens,
Tatsächlich wollen 80% der Deutschen solche Fälle verhindern, fühlen sich aber beim Thema zu schlecht informiert, um vorsorgen zu können. Da hilft es nicht,
Die 5 wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema »Digitaler Nachlass«
Wer also kann weiterhelfen, wenn es darum geht, was für Angehörige (im Zweifel) erlaubt ist? Ich spreche mit Christian Solmecke, Rechtsanwalt der
1. Können Verwandte den Zugang zum Online-Profil eines Verstorbenen verlangen?
Das weiß aktuell niemand. Der Fall der verstorbenen 15-Jährigen aus Berlin beschäftigt noch immer die Gerichte. Die Eltern gingen in Revision beim
2. Können Verwandte ein Profil löschen lassen?
Ja, zumindest wenn es sich um
Viele Unternehmen haben auf ihrer Seite dazu spezielle Kontaktformulare.
3. Was ist mit Bildern in sozialen Medien – können die Verwandten eine Löschung verlangen, wenn jemand Fotos eines Verstorbenen einstellt?
Ja, das können sie, zumindest in einem
4. Gehören die Daten eines Verstorbenen dem Unternehmen – oder können diese vererbt werden?
»Tatsächlich gibt es nach Ansicht der meisten Juristen weder so etwas wie Besitz noch Eigentum an digitalen Gütern wie digitalen Fotos oder Daten«
Es ist kompliziert.
Solmecke selbst vertritt aber eine andere Auffassung und vergleicht digitale
5. Dürfen Unternehmen mit den öffentlichen Daten eines Verstorbenen Werbung treiben?
Ja, aber nur solange das Profil noch aktiv ist. Im Falle sozialer Medien wie Facebook regeln nämlich die Nutzungsbedingungen, was das Netzwerk wie verwenden darf – etwa mit dem eigenen Profil Werbung zu treiben, bis es gelöscht wird. Christian Solmecke macht klar: »Solange das Unternehmen vom Tod des Mitglieds nichts weiß, wird es also auch mit seinem Profil weiter Werbung treiben.«
Viele Fragen im Bereich »Digitaler Nachlass« sind also aktuell noch ungeklärt. Selbst in eindeutigen Fällen kommt auf Verwandte ein langer Schriftverkehr mit den Unternehmen zu, der sich Monate lang hinzieht. Währenddessen können aber schon weiterlaufende Kosten für Online-Dienste entstehen, ganz abgesehen vom psychologischen Stress für die Angehörigen.
Wollen wir unseren Angehörigen das ersparen, müssen wir selbst vorsorgen.
So regeln wir, was nach dem Tod mit unseren Daten geschieht
Damit unsere Verwandten es nach unserem Tod leichter haben, reicht eine mündliche Abmachung nicht aus. Damit der eigene »Digitale Nachlass« trotz offener Rechtsfragen gut vorbereitet wird, gibt es mehrere Möglichkeiten:
1. Master-Passwörterliste speichern und pflegen: Auf einer Liste können wir Passwörter und Zugänge sammeln –
2. Vollmacht über den digitalen Nachlass: Für den Fall, dass wir in der Passwortliste etwas vergessen (oder sie nicht aktuell ist), ist eine
3. Digitale Nachlassdienste beauftragen: Um die Angehörigen komplett zu entlasten, kann auch ein
Damit die Vorsorge klappen kann, müssen wir natürlich selbst einen Überblick über unsere Online-Spuren haben. Wie willst du (online) in Erinnerung bleiben?
Ihnen auf die Schliche zu kommen, bietet auch eine gute Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie wir (online) in Erinnerung bleiben wollen.
Facebooks Gedenkmodus kann helfen, die Trauer zu verarbeiten
Während andere soziale Netzwerke bis heute nur das Löschen eines Profils ermöglichen, führte Facebook 2015 den sogenannten
- Wie eine Todesanzeige: Neben dem Namen wird »In Erinnerung an« angezeigt und das Profil verliert die Moderator-Funktion von Gruppen.
- Keine Nutzung mehr: Das Profil taucht nicht mehr bei Freundschaftsvorschlägen oder Geburtstagserinnerungen auf und Facebook darf keine Werbung mehr damit betreiben.
- Unveränderbar: Ist der Gedenkzustand einmal aktiviert, kann sich niemand mehr mit dem Profil anmelden. Damit muss auch niemand mehr um Passwörter und Sicherheit Sorge haben.
Konten im Gedenkzustand stellen […] eine Möglichkeit dar, um das Leben geliebter Personen zu feiern und ihrer zu gedenken.
Doch damit nicht genug: Nutzer können zu Lebzeiten in den Einstellungen
Damit macht Facebook etwas möglich, wofür Silke Szymura vom Blog »Dein Tod und ich« schon lange wirbt: digitales Gedenken.
Statt an den Stadtrand zu fahren und ein Grab zu besuchen, kann jeder mit einem Gedenkprofil interagieren und dort trauern – jederzeit und von zu Hause aus.
Schon ein »In Erinnerung an« in der Freundesliste kann Anlass sein, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Facebook hat das Thema erst vor knapp 2 Jahren entdeckt und will die Funktion ausbauen. Silke Szymura denkt bereits weiter. Warum nicht »auch Erinnerungen für alle Freunde am Todestag oder Vorschläge von schönen gemeinsamen Erinnerungen?«.
Das mag befremdlich wirken. Doch Silke Szymura ist überzeugt davon, dass gerade online der Tod wieder mehr in die Mitte unserer Gesellschaft rücken kann. Gedenkprofile können dabei helfen, das Tabu zu brechen. So lernen wir vielleicht, besser mit dem umzugehen, was auf uns alle zukommt.
Mit Illustrationen von Adrian Szymanski für Perspective Daily