Würdest du im Urlaub Kopftuch tragen?
Ich bin Feministin. Das hätte mich fast von einer Reise in den Iran abgehalten. Warum es gut war, dass ich trotzdem gefahren bin.
Bis zum Abflug ist es noch gut eine Woche und ich bin jetzt schon im Stress. Normalerweise stopfe ich meine Sachen erst kurz vor der Reise in meinen Rucksack. Dieses Mal ist es anders. Ich fahre in den Iran. Und mein Kleiderschrank gibt wirklich wenig her, was den strengen Vorschriften der Islamischen Republik gerecht würde.
Die im Lande geltenden islamischen Kleidervorschriften müssen beachtet werden. Dies gilt bereits beim Einsteigen in ein Flugzeug einer iranischen Fluggesellschaft. Damen tragen ein Kopftuch, das die Haare bedeckt. Da die Körperformen verhüllt sein sollen, tragen Frauen knöchellange Hosen und eine bis zur halben Oberschenkellänge reichende, dichte, lange Bluse oder nicht taillierte Jacke.
Während ich auf der Suche nach sittsamer Kleidung
Knapp 20 Jahre später weiß ich es besser. Als sich mir die Gelegenheit bietet, selbst in den Iran zu fahren, frage ich mich: Ist das eine gute Idee?
Schließlich überwiegt meine Neugier auf das Land. Und auch darauf, was es mit mir macht, wenn ich mich 2 Wochen an die Kleidervorschriften einer islamischen Republik halten muss.
Er frotzelt: »Ihr Touristinnen verhaltet euch überkorrekt«
Auch Ausländerinnen müssen im Iran den
Dazu kommt: Es würde ganz schön viel Mumm erfordern, das Kopftuch einfach so abzunehmen, wenn es um einen herum alle tragen. Das wird mir zum ersten Mal im Landeanflug auf Teheran bewusst, als alle weiblichen Fluggäste in der Maschine der ukrainischen Fluglinie anfangen, in ihren Taschen zu kramen. Kurzhaarschnitte, rote Mähnen, blonde Strähnchen – alles verschwindet nach und nach unter einer Lage Stoff. Das sieht bei manchen besser aus als bei anderen und schnell wird deutlich, wer hier Übung hat. Ich fühle mich albern mit meinem provisorisch um den Kopf gewickelten Schal. Schon beim Betreten des Flughafens stehen auffällig unauffällig 2 Männer in der Gangway, die besonders die ankommenden Passagierinnen mustern.
In den ersten Tagen in Teheran komme ich mir seltsam verkleidet vor – und sehe wohl auch so aus. Neben den schicken Hauptstädterinnen mit ihren taillierten Mänteln und den farblich perfekt abgestimmten Tüchern mache ich keine besonders gute Figur. Darüber wird auch später einer der Gastgeber unserer kleinen Reisegruppe Witze reißen: »Ihr Touristinnen denkt ja immer, ihr müsstet euch komplett verschleiern. Bei den meisten Iranerinnen sieht man viel mehr!«
Mir kommt es so vor, dass ihr euch das Leben im Iran strenger vorstellt, als es wirklich ist. Das Leben hier ist schon anstrengend, aber in Bezug auf Hijab oder auch Alkohol und die Beziehungen zwischen Jungs und Mädels habt ihr glaube ich andere Vorstellungen. Grundsätzlich ist das alles verboten, aber schon machbar.
Viele Iranerinnen – dazu zählt auch meine Reisebegleiterin
»Wir hassen es!«, sagt eine andere neue Bekannte, die auch zu denen gehört, die ihrem Haar wann immer möglich Frischluft gönnt. Mir kommt der Gedanke: Ich empfinde das Tragen des Kopftuchs vor allem deshalb als degradierend, weil es so albern ist, sich die ganze Zeit um dieses Stück Stoff auf dem Kopf sorgen zu müssen – auch wenn man keinerlei religiöse Gefühle damit verbindet.
Damit ich und alle, denen es ähnlich geht, das Kopftuch in der Öffentlichkeit trotzdem nicht abnehmen, gibt es die
Die strengen Blicke der Moralpolizei
Isfahan löst alles ein, was sich an Assoziationen im Kopf ansammelt, wenn man an das
Es ist schon dunkel, der stimmungsvoll beleuchtete Platz des Imams ist aber noch voller Leben. Damit das alles nicht ausartet, hat sich an einer Ecke
Auf einmal sticht eine elegant gekleidete junge Frau aus der Masse hervor. Mit theatralischer Geste streift sie ihr Kopftuch ab und schreitet wie auf einem Laufsteg in Richtung Basar. Ihre Freundin filmt jeden ihrer Schritte mit dem Smartphone. Die Sittenwächter haben davon nichts mitbekommen, aber auch sonst scheint niemand die Frau zu belästigen.
Meine Reisebegleitung Bita hatte schon erzählt, dass es eine neue Bewegung von Frauen gibt, die Bilder und Videos von sich
Der weiße Mittwoch, die heimliche Freiheit und ich
Unabhängig davon begannen Frauen im Dezember 2017 damit, auf Stromkästen, Parkbänken oder einfach am Straßenrand stehend stumm ihre Kopftücher zu schwenken. Das Regime griff hart durch: Medien berichteten im Februar
Schon im Jahr 2015 rief die Exil-Iranerin und Journalistin
Wie positioniere ich mich als Touristin – die ebenfalls gezwungen wird, Hijab zu tragen – in diesem Konflikt? Im Nachhinein muss ich zugeben: nicht besonders kritisch. Auf dem Basar in Teheran kaufe ich mir erst mal ein schickeres Tuch, grinse mit meinem ungewohnten Kopfschmuck für Selfies in die Kameras und nach einigen Tagen sitzt alles auch schon ein bisschen lässiger.
Wie positioniere ich mich als Touristin im Konflikt um das Kopftuch? Ich muss zugeben: nicht besonders kritisch.
Ich meine sogar, langsam auch Vorteile zu erkennen: Bad Hair Day? Mir doch egal! Das alles rührt nicht daher, dass ich meine feministischen Positionen über Nacht vergessen habe. Aber mich hat schließlich niemand zum Urlaub im Iran gezwungen. Dann sollte ich mich auch an die Regeln im Land halten. Oder?
Masih Alinejad sieht das offenbar anders.
Die Islamische Republik verlangt auch von Nicht-Musliminnen, die den Iran besuchen, das Kopftuch zu tragen. Wenn der Kopftuchzwang alle Frauen betrifft, sollten auch alle Frauen ihre Stimme erheben.
Nicht alle fühlen sich eingeschränkt
Auch wenn man sich ein Stück weit daran gewöhnt: Ich fühle mich durch den Hijab eingeschränkt. Es nervt, dass ich mir jedes Mal ein Tuch umwickeln muss, selbst wenn ich nur im Innenhof des Hostels einen Tee trinken will. Aber abgesehen von meiner Gefühlswelt: Wie viele Frauen im Iran fühlen sich tatsächlich durch den Hijab in ihren Rechten beschnitten?
Aber es gibt natürlich auch
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Am 1. April 1979 stimmte eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung (nach offiziellen Angaben 98%) für die Errichtung der Islamischen Republik unter dem aus dem französischen Exil zurückgekehrten
Khomeini und seine Anhänger stürzten Mohammad Reza Pahlavi, den letzten Schah von Persien. Dessen Vater hatte den Tschador in der Öffentlichkeit im Jahr 1936 verboten, sein großes Vorbild war Kemal Atatürk und die säkulare Republik, die dieser in der Türkei errichtet hatte. Es war eine erzwungene Emanzipation, die unter seinem Nachfolger und Sohn,
Die
Religiöse Iranerinnen waren überzeugt, dass ihnen das westliche Frauenbild, aufgezwungen im Namen des Fortschritts, den Respekt versagte. Sie fühlten sich stigmatisiert als rückwärtsgewandt und unzivilisiert.
Nach der Revolution hätten sich viele von ihnen das erste Mal als gleichwertige Bürgerinnen empfunden. Auch viele nichtreligiöse Frauen solidarisierten sich und schwangen sich bei Demonstrationen zu diesem Zweck auch mal selbst einen Tschador über.
Mit der Islamischen Revolution pendelte das System im Vergleich zur westlich inspirierten Express-Modernisierung der vergangenen Jahrzehnte also in ein anderes Extrem: Fortan durften sich Frauen in der Öffentlichkeit nicht mehr unverschleiert zeigen. Gegen diese Bevormundung kam es
Heute sind Frauen trotz Diskriminierung per Gesetz und dem Zwang zum Hijab überall im Alltag präsent:
Was hatte ich eigentlich erwartet?
Im westlichen medialen Diskurs ist das Bild der unterdrückten muslimischen Frau omnipräsent. Was hatte ich also erwartet, als ich mich auf die Reise machte? Die Vorstellung vom Straßenchaos in Teheran war ziemlich akkurat. Darüber hinaus hatte ich aber eine angespannte Atmosphäre befürchtet: eingeschüchterte Frauen, die sich in ständiger Angst vor der Regelüberschreitung und deren Konsequenzen durch den Alltag bewegen. Und auch, dass das auf mich abfärben könnte. In den ersten Tagen verhalte ich mich sehr vorsichtig. Als ein guter Freund, der zufällig auch gerade im Iran auf Reisen war, mich in Teheran umarmt, ist es mir richtig unangenehm. Ist das nicht verboten?!
Ich beobachte viel und stelle besonders meiner Reisebegleiterin Bita viele Fragen: Ist es ihr unangenehm, wenn ihr das Kopftuch mal vom Kopf rutscht? Macht sie sich Sorgen, was die anderen von ihr denken? »Nicht so richtig. Im Moment ist die Stimmung im Iran nicht besonders streng, die Generation vor mir hatte es viel schwerer.«
Allmählich entspanne ich mich. Das eigene Erleben auf dem Weg von Teheran nach Schiras im Süden des Landes ersetzt Stück für Stück
Der Liberalismus der Gesellschaft, der in vielen Gesprächen und auch im Straßenbild deutlich wird, steht für mich im krassen Gegensatz zum
Mitgenommen habe ich in den Iran neben knielangen Cardigans und viel Neugier auch einige Fremdbilder. Was bringe ich mit zurück? Ich kann nicht reklamieren, dass ich nun weiß, wie »Frauen im Iran« fühlen und leben – dazu gibt es schließlich genauso viele Wahrheiten wie Frauen. Aber einen Aspekt ihrer kollektiven Realität habe ich 2 Wochen lang am eigenen Körper erlebt. Als ich mir nach der Reise die Bilder von Frauen anschaue, die bei My Stealthy Freedom Videos von ihrem Protest posten, spüre ich neben Bewunderung für ihren Mut auch ein Gefühl der Solidarität. Wäre ich eine von ihnen, würde ich im Iran leben? Daran möchte ich zumindest glauben.
Titelbild: Anton Fuchsloch - copyright