Doch, es gibt dumme Fragen!
Warum es schlau ist, sie trotzdem zu beantworten.
Wie, du weißt das nicht?
Hast du noch nicht davon gehört? Echt?!
Aber das war doch jetzt überall in den Medien!
Kommt dir das bekannt vor? Dann bist auch du schon mal dem Phänomen des Ignorance Shamings (etwa »Unwissen beschämen«) begegnet. Der Gesprächspartner reagiert auf eine Frage irritiert, verständnislos, genervt oder sogar herablassend. Durch die Wissens-Kluft »Ich weiß etwas, das du nicht weißt« schließt er darauf, dass der Fragensteller entweder dumm oder ungebildet, mindestens aber desinteressiert
Vielleicht kennst du die Situation sogar von beiden Seiten: Weil du Angst hattest, für deine Frage belächelt zu werden, hast du sie gar nicht erst gestellt. Für unsere Gesellschaft ist es gefährlich, wenn wir vermeintlich dumme Fragen einfach abtun!
Lieber hast du wissend genickt und gelächelt oder dich dezent aus dem Gespräch ausgeklinkt – mit dem Gefühl »Hier habe ich nichts verloren«. Manchmal hast du so lang abgewogen, ob du eine Frage stellen »darfst« oder sie klug genug ist, dass das Thema an dir vorübergezogen war, als du dich endlich durchgerungen hattest, doch zu fragen. Auf der anderen Seite hast du bestimmt auch schon mal anderen das Gefühl gegeben, gerade eine peinliche Wissenslücke offenbart zu haben. Und dir eine entnervte oder herablassende Reaktion nicht verkneifen können.
Das ist ärgerlich für dich. Für unsere Gesellschaft ist es aber gefährlich, wenn wir vermeintlich dumme Fragen einfach abtun!
Hallo, ihr da oben?!
»Es gibt keine dummen Fragen – nur dumme Antworten.« Eigentlich eine Binsenweisheit, oder? Doch die nette Ermahnung zur Geduld mit vermeintlich dummen Fragestellern ändert nichts daran, dass manche Fragen uns fassungslos machen oder zur Weißglut treiben können.
Trotzdem führt es nirgendwohin, das Gegenüber
- Runter vom Ignoranzgipfel:
Wer sich ein wenig in ein Thema eingearbeitet hat, geht schnell davon aus, es durchdrungen zu haben. Wir befinden uns dann hoch
Fragen bringen Experten, Laien und alle dazwischen wieder näher zueinander.
So überschätzen wir uns und geben vielleicht gefährliches Halbwissen weiter, anstatt zu antworten: »Ich habe gerade erst angefangen, mich damit auseinanderzusetzen. Wie ich das verstehe, …« Schon eine einfache Nachfrage des Gegenübers kann die Selbstüberschätzung frühzeitig ins Wanken bringen – und uns wieder auf den Teppich holen. - Niemand ist unantastbar:
Studien zum sogenannten Earned Dogmatism (»verdienter Dogmatismus«)
- Gruppendenken aufbrechen:
Menschen tendieren in Gruppen dazu, besonders die Informationen zu teilen und zu diskutieren, die bereits
So können vermeintlich dumme Fragen verkrustete Denkstrukturen aufbrechen. Bleibt die Frage: Wann ist eine Frage »dumm«?
Was heißt hier überhaupt dumm?
»Dumm« und »Dummheit« sind immer relative Urteile, die wir aus unserer eigenen Informations-Welt fällen. Die Frage ist, wie viel Menschen für ihr Wissen »können«. Meine Lebensumstände bestimmen mit, welches Wissen mich erreicht.
Ja, Wissen kostet Energie und Engagement. Menschen erarbeiten es sich, müssen es auffrischen und anpassen. Sie suchen Lernmöglichkeiten aktiv auf – melden sich für den Russischkurs an, führen abends eine Diskussion über Bitcoin, bringen sich selbst das Gitarrespielen bei.
Aber es hängt nun mal auch von vielen
Ignorance Shaming ignoriert den Fragesteller in seinem Bedürfnis, etwas zu verstehen. Dabei ist es eine Sache, wenn die Professorin den Studenten, der Vater sein Kind, ein Freund eine Bekannte »Ignorance shamed«. Aber wenn sich ganze gesellschaftliche Gruppen mit ihren Fragen und Anliegen von einer »Wissens-Elite« alleingelassen fühlen, spaltet das die Gesellschaft weiter. So können Menschen – und Parteien – stark werden, die dieses Erklärungs- und Gesprächsvakuum mit einfachen Antworten füllen.
Der Astronom
Es gibt naive Fragen, langweilige Fragen, schlecht formulierte Fragen, Fragen, die nach unzureichender Selbstkritik gestellt werden. Aber jede Frage ist ein Aufschrei, die Welt verstehen zu wollen. Es gibt keine dummen Fragen.
Vermeintlich dumme Fragen zeugen eben nicht – zumindest nicht immer – von Dummheit. Manchmal stellen wir Fragen aus Faulheit oder Verlegenheit, aus dem Bedürfnis, irgendetwas beizutragen. Vor allem zeigen ehrliche Fragen das Bedürfnis, mitreden – und mitdenken – zu wollen. Vielleicht können wir Fragen öfter mal als mutige Selbstoffenbarung sehen. Und sie so gleichzeitig als Auftakt für eine Diskussion oder Annäherung.
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