Ich werde solange laut und deutlich sagen, dass ich Feminist bin, bis es nur noch mit einem Achselzucken quittiert wird. Warum explodiert das Twitter-Universum jedes Mal, wenn ich sage, dass ich Feminist bin? Warum ist das so ein großes Thema für die Medien? Es sollte nichts sein, das derartige Reaktionen provoziert. Es ist dasselbe, als würde ich sagen: Ich glaube an die Gleichheit von Männern und Frauen und ich glaube daran, dass wir noch verdammt viel Arbeit vor uns haben.
ist nicht der Einzige, dem zuverlässig immer dann ein Emotionssturm entgegenschlägt, wenn er das F-Wort Es geht eigentlich allen so, die sich mit dem Thema beschäftigen – egal ob als Kommentatoren in der Öffentlichkeit oder als Gleichstellungsbeauftragte an Universitäten und in Unternehmen. Überall dort, wo Menschen von Feminismus sprechen, fühlen sich andere davon provoziert.
weiß, wie man mit Antifeministen spricht. Die Sozialwissenschaftlerin gehört zu einem Netzwerk freiberuflicher Argumentationstrainerinnen,
Ich will von ihr wissen: Mit welchen Argumenten halte ich gut dagegen – und bleibe trotzdem im Gespräch?
Im Gegensatz zu sexistischen Kommentaren sind antifeministische Argumente manchmal recht subtil und auf den ersten Blick gar nicht als solche erkennbar. Erst mit der Zeit stellt man fest, dass sich bestimmte Argumentationsmuster wiederholen.
Ich fange mal mit einer relativ harmlos klingenden Bemerkung an, die mir oft begegnet, wenn ich über Feminismus diskutiere und schreibe: »Alle ›Ismen‹ sind Dogmen. Und Dogmen sind immer schlecht.«
Lisa Gutsche:
Ein Klassiker! Zu sagen: »Feminismus, das klingt doch schon wie Islamismus …«
Genau. Wozu würdest du raten, wenn jemand so argumentiert?
Lisa Gutsche:
Ich könnte dir jetzt eine persönliche Antwort geben, aber in der Regel fragen wir die Leute in den Seminaren erst mal: Welches Ziel verfolgt ihr mit der Reaktion auf eine solche Aussage? Wenn es ein Online-Kommentar zu einem deiner Artikel ist, wäre die nächste Frage: Möchtest du hierzu wirklich ein inhaltliches Statement abgeben? Oder würdest du den Kommentar am liebsten löschen, weil du keine Lust hast, dich darum zu kümmern?
Auch wenn es mir manchmal schwerfällt, will ich als Journalistin darauf inhaltlich reagieren und versuchen, in einen konstruktiven Austausch zu treten. Mein Ziel in so einem Fall wäre, dass sich die Person mit dem eigentlichen Thema auseinandersetzt.
Lisa Gutsche:
Dann würde ich dir empfehlen, als Erstes einmal nachzufragen, was die Person mit so einer Aussage denn meint. In der Regel ist das die unverfänglichste Art und Weise, in eine Argumentation einzusteigen, weil er oder sie dann darlegen muss, was für ein Inhalt hinter seiner oder ihrer Aussage steht. Du könntest also fragen: »Was meinst du denn mit ›dogmatisch‹? Was meinst du mit ›anderen Ismen‹?«
Und wie würde deine persönliche Antwort aussehen?
Lisa Gutsche:
Ich glaube, das kommt auf meine Tagesform an. Ich könnte mir vorstellen, dass ich, wenn ich viel Arbeit in etwas gesteckt habe und Leute das dann mit so einem Kommentar abwatschen, mit ein bisschen Sarkasmus reagieren würde. Wobei das mit Humor so ein Ding ist – man kann damit auch Menschen vor den Kopf stoßen und so dazu beitragen, dass die Kommunikation noch stärker aufgeladen wird.
Unter dem Artikel einer Kollegin zum Thema habe ich gelesen: »Selbst schuld!« Kleinkinder würden ja vor allem von Frauen erzogen. Und wenn diese Frauen Mädchen Unterordnung beibringen, während sie Jungs nicht die Gleichheit von Geschlechtern und Gewaltlosigkeit vermitteln können, machten diese Frauen wohl etwas gehörig falsch.
Lisa Gutsche:
Habt ihr eine Dann wäre hier schon die Frage, ob das dagegen verstößt. Ich finde eine Aussage wie »Selbst schuld« ehrlich gesagt ziemlich gewaltvoll. In der Konsequenz meint er ja: Frauen als homogene Masse sind verantwortlich dafür, Hier ist aber auch wieder die Frage: Was möchtest du erreichen, wenn du auf einen solchen Kommentar reagierst?
Nehmen wir einmal an, ich möchte, dass die Person einsieht, dass sie hier betreibt und strukturelle Machtverhältnisse ignoriert.
Lisa Gutsche:
Es ist ein sehr hehrer Gedanke, dass man mit einem Kommentar eine Person dazu bringen kann, ihre Meinung zu ändern. Ganz oft ist es nicht so.
Du kannst aber natürlich versuchen, eine neue Perspektive und eine andere Sichtweise einzubringen. Und da wäre hier das, was du gerade gesagt hast, ja eine Möglichkeit. Zu sagen: »Hey, du machst Frauen mitverantwortlich für Gewalt, ist das wirklich das, was du sagen willst?« Als Gesprächsstrategie nennen wir das: die Aussage auf ihren Kern zuspitzen. Wenn die Person dann sagt: »Ja, auf jeden Fall«, dann kann man sich schon fragen, ob es sinnvoll ist, darauf noch zu reagieren.
Man könnte auch antworten, dass Menschen nie selbst schuld sind, wenn ihnen Gewalt passiert, und versuchen, über eine empathische Schiene zu gehen.
Es gibt also gar nicht die eine Lösung oder die eine Strategie?
Lisa Gutsche:
Jede Person und jede Situation ist unterschiedlich. Ein Ziel unserer Trainings ist es, den Teilnehmerinnen dabei zu helfen, sich klarzumachen, welches Ziel sie in der Argumentation verfolgen. Danach richtet sich die Reaktion.
In euren Seminaren geht es gar nicht um ein Einüben von ganz konkreten Gegenargumenten zu antifeministischen Positionen?
Lisa Gutsche:
Doch, auch! Aber wir präsentieren nicht das Argument und liefern dann dazu das Gegenargument. Das wäre sehr frontal und wir würden so tun, als hätten wir alle Antworten. Wenn man sich konkrete Gegenargumente holen will,
Wir starten in den Trainings damit, dass wir fragen: »Wer ist euer Gegenüber? Wie möchtet ihr reagieren? Wollt ihr überhaupt in eine Diskussion gehen?« Das zieht ja auch Kapazitäten und widerspricht manchmal dem Selbstschutz. Ganz oft verausgabt man sich emotional.
Bei mir ist das so: Einerseits freue ich mich, wenn sich Menschen überhaupt mit feministischen Inhalten auseinandersetzen. Ich merke aber auch, dass mein Puls bei manchen Kommentaren in die Höhe schießt. Zum Beispiel, dann aber stur behauptet wird, Feminismus ginge davon aus, dass Frauen besser seien als Männer. In meiner ersten Reaktion auf solche Argumente fühle ich mich manchmal sehr in der Defensive.
Lisa Gutsche:
Das ist ja auch oft gewollt. Eine Person, die eine solche Aussage tätigt, ist eigentlich in der Bringschuld, zu erklären, was sie meint. Du bist nicht in der Bringschuld, das sofort widerlegen zu müssen. Manchmal hat die Person wahrscheinlich gar kein Interesse daran, dass es zu einer Diskussion kommt, sondern will einfach mal ihre Meinung raushauen. Da ist dann die Frage, ob ich Energie investieren will, mir eine gute Antwort zu überlegen. Das ist etwas, womit viele unserer Teilnehmerinnen immer wieder konfrontiert sind: Sie denken, dass das, was sie sagen, Hand und Fuß haben, vorsichtig formuliert und aufmerksam sein muss, damit die Inhalte gut rüberkommen … Aber die Person, die vorher kommentiert hat, die macht sich diese Gedanken wahrscheinlich nicht.
»Feminismus kann ein krasses Reizwort sein«
Ich bemerke, dass es Menschen gibt, vor allem Männer, die bei anderen Themen sehr rational und überlegt reagieren und diskutieren – die sich aber scheinbar allein von dem Begriff Feminismus angegriffen fühlen, komplett zumachen und sofort auf eine sehr emotionale Schiene wechseln. Warum ist das so?
Lisa Gutsche:
Feminismus als Feindbild ist ja älter als der Begriff überhaupt. Da geht es um Fragen von Macht und Privilegien, es geht darum, wie eine Gesellschaft gerecht gestaltet werden kann. Wenn du aber die Ungerechtigkeit gar nicht siehst, dann kann Feminismus ein krasses Reizwort sein.
Was wir vor allem im antifeministischen Diskurs von konservativen bis extrem rechten Akteuren erleben, ist, dass die sich in einer expliziten Gegnerschaft zu einem omnipotent verstandenen Feminismus verstehen. Ganz oft hat das auch Feminismus als etwas, das die Männer unterdrücken soll und unsere Kinder zu geschlechtslosen Menschen macht. Das ist ja wirklich etwas, das Leute glauben!
Und wie geht man mit so etwas um?
Lisa Gutsche:
Man muss wieder schauen: Mit wem habe ich es zu tun? Habe ich es mit Menschen zu tun, die sich von Feminismus angegriffen fühlen, denen aber einfach noch Informationen darüber fehlen? Dann kann man auf die persönliche Ebene gehen und nachfragen: »Wo betrifft dich das denn? Wo in deinem Leben macht Feminismus etwas Schlechtes? Hat Feminismus schon einmal dafür gesorgt, dass du weniger Geld verdienst?« Mit so einer Nachfrage kann man die Person vielleicht ein bisschen öffnen und sehen, was dann noch kommt.
Während eines Gesprächs kann sich aber auch herausstellen, dass eine Person es richtig findet, dass Frauen weniger Geld verdienen. Dann ist die Ungleichheit der Geschlechter ein Wert, an den diese Person glaubt.
In diesem Fall muss man dann wohl wirklich nicht mehr weiter diskutieren!
Lisa Gutsche:
Genau. Aber wir können diese Wertedifferenz herausstellen und unseren Wert – gleiche Rechte für alle – daneben stellen. Schon deshalb, weil wir im Netz selten allein sind und viele mitlesen.
Warum es wichtig ist, solidarisch zu sein
Ein anderes Argument, das immer wieder auftaucht: »Wehr dich halt, wenn du etwas ungerecht findest!« Wenn man als Frau von oben herab behandelt wird, kommt einem ja auch selbst der Gedanke: Warum bin ich eigentlich nicht schlagfertiger?
Lisa Gutsche:
Es ist ein Problem unserer Gesellschaft, dass wir von allen Menschen erwarten, dass sie laut, hart und krass sind. Das ist ein bisschen wie dieses »Selbst schuld«-Argument. Ja, natürlich müssen zum Teil Kämpfe ausgefochten werden, das bedeutet aber nicht, dass man laut sein muss. Das Schöne an politischen Bewegungen ist ja, dass immer ein kollektiver Gedanke dahintersteckt, ein Gedanke von Solidarität. Die Vorstellung einer harten Einzelkämpferin, die sich allein gegen alles wehren muss, ist ein sehr neoliberaler Gedanke.
Im Job wird das schon oft erwartet …
Lisa Gutsche:
Businessmeetings sind noch mal eine andere Geschichte. Da rutschen wir gerade ein bisschen aus der Argumentation heraus, weil hier noch viele andere Sachen mit hineinspielen: wie ich durch kleine Verhaltensänderungen zeigen kann, dass das hier mein Raum ist. Ich kenne eine Kollegin, die unterbricht aus Prinzip in Seminaren den ersten Mann, der redet. Meistens checken das die Leute gar nicht, aber für sie ist das eine klare Grenzziehung, die sagt: Ich kann das.
Frauen können sich gegenseitig unterstützen oder sich Männer ranholen, die die Problematik auch sehen und denen manchmal eher zugehört wird. Sich gegenseitig Bälle zuspielen, das funktioniert natürlich auch im Beruf.
Es gibt Herausforderungen wie den Klimawandel, Manche Menschen führen das als Argument in Diskussionen über Feminismus ins Feld: dass das im Moment ja nun wirklich nicht das wichtigste Thema sei.
Lisa Gutsche:
Noch so ein Klassiker! »Frauen sind doch längst gleichberechtigt, lasst uns endlich mal über etwas Wichtigeres sprechen!« Doch, das hören wir viel. »Klimawandel ist wichtig, um Feminismus können wir uns dann später kümmern.« Es gibt viele Möglichkeiten, darauf einzugehen. Man kann fragen, warum die Person die beiden Themen gegeneinander ausspielt – ist es denn nicht möglich, sich gegen den Klimawandel und für die Gleichstellung der Geschlechter zu engagieren?
Eine andere mögliche Antwort wäre: Frauen, und diskriminierte Gruppen generell, sind weltweit an vorderster Front, wenn es darum geht, auf den Klimawandel aufmerksam zu machen oder Alternativen zu der jetzigen Art der Produktionsweise aufzuzeigen – und auch wenn es darum geht, Gerechtigkeit zu erkämpfen. Denn es sind oft Frauen, die am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels in Ländern des globalen Südens betroffen sind.
Gibt es eine Art von Argumenten, die dafür sorgen, dass Menschen sofort blockieren und gar nicht mehr gesprächsbereit sind?
Lisa Gutsche:
Jede Situation und jede Person ist unterschiedlich, das würde ich gerne noch einmal unterstreichen. Vor allem unterscheiden sich Online-Situationen auch noch mal ganz stark von Face-to-Face-Kommunikation. Textbasierte Kommunikation kann auch Vorteile haben, aber der Nachteil ist ganz oft, dass gewaltvolle Aussagen sehr viel schneller kommen, weil der Augenkontakt fehlt.
Was mir auch noch wichtig ist: Antifeminismus richtet sich gegen Frauen, aber auch ganz stark gegen eine vielfältige Gesellschaft. Gegen Menschen, die ein anderes Familienbild haben als das klassische Vater-Mutter-Kind, gegen Leute, die von einer vermeintlichen Norm abweichen und als Bedrohung gesehen werden. Und wenn dich solche Kommentare persönlich nicht verletzen, verletzten sie vielleicht andere Menschen und greifen sie in ihrem Sein und ihrer Identität an. Da würde ich mir wünschen: Seid solidarisch mit Leuten, die davon betroffen sind!
Mit Illustrationen von
Tobias Kaiser
für Perspective Daily
Als Politikwissenschaftlerin interessiert sich Katharina dafür, was Gesellschaften bewegt. Sie fragt sich: Wer bestimmt die Regeln? Welche Ideen stehen im Wettstreit miteinander? Wie werden aus Konflikten Kompromisse? Einer Sache ist sie sich allerdings sicher: Nichts muss bleiben, wie es ist.