Warum Ärzte diesen Hundenasen vertrauen

Sicherer, gesünder und glücklicher dank Hund: Unser liebstes Haustier kann mehr als Stöckchen fangen – wenn wir es lassen.

1. März 2019  –  9 Minuten

Jeden Dienstag dreht Wolfgang Heles mit Romy seine Runde im Seniorenhaus Zur Buche in Konz. Die beginnt bei den schwer dementen Senioren mit besonderem Pflegebedarf. Im Aufenthaltsraum schweigen die meisten, weil die wenigsten sprechen können. Ein paar versuchen trotzdem zu kommunizieren. geht ein paar Schritte auf Romy zu, zeigt auf sie und sagt mit ausdruckslosem Gesicht: »Bababababa!« Der Befehl ist der blonden Labrador-Hündin unbekannt. Erst als Wolfgang Heles der Seniorin ein Stück Möhre in die Hand legt, kommt die Hündin. Das kennt sie. Vorsichtig drückt sie ihre feuchte Nase in die Hand der alten Dame und schnappt sich den Snack. Anneliese Lämpel schüttelt die Hand, verzieht das Gesicht und ruft ein schnelleres: »Bababababa«, in ihrem Gesicht breitet sich ein Grinsen aus.

Romy weiß nicht, dass sie Sie freut sich einfach nur über Aufmerksamkeit und Leckerlis. Und die Bewohner des Seniorenhauses freuen sich über den vierbeinigen Besuch. Denn der kann mehr, als Senioren ein Lächeln in die Gesichter zu zaubern.

Manche Senioren können Besuchshund Romy nicht mehr selbst streicheln. Deshalb führt Wolfgang Heles die Hand dieser Seniorin über das Fell der Hündin. – Quelle: Nicole Paschek

Visite vom Vierbeiner: Besuchshunde

Egal ob in Seniorenheimen, Kindertagesstätten, Krankenhäusern oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen – Besuchshunde drehen in ganz unterschiedlichen Institutionen ihre Runden, lassen sich dort füttern und streicheln oder machen sogar kleine Kunststücke. Dabei besteht ihre positive Wirkung vor allem aus 2 Aspekten:

  1. Abwechslung: Hunde sind eine egal ob Auf den 1 1/2-stündigen Rundgängen von Romy, die ich begleiten durfte, zähle ich jedes Mal mindestens 10 Angestelltenhände, die ihr kurz übers Fell fahren oder lächelnd ein Leckerli zustecken. Da fällt es auch den Angestellten leichter, einer Seniorin zum zehnten Mal zu bestätigen, dass sie ihre Tabletten bereits bekommen hat.
  2. Nähe: Neben der ermöglichen Hunde aber auch Kontakte, die ohne sie gar nicht zustande kommen würden. So können sie Brücken zu Menschen bauen, die ohne Hund nicht gebaut würden. Die Seniorin Jutta Berg streichelt Romy immer nur kurz. Dann hält sie die Hand vom Hundebesitzer Wolfgang Heles, sucht den Blickkontakt zu ihm und gibt ihm sogar einen Kuss auf die Wange. Ihre Tischnachbarin blickt Romy zwar nur an, erzählt ihrem Besitzer dann aber von ihrem Besuch am Vortag und zeigt ihm ihre Halskette.

Auch wenn der Besuchshund eigentlich nur Hund sein muss, sind nicht alle für diese Arbeit geeignet. Neben einem tadellosen Grundgehorsam müssen sie eine gute Sozialisierung und ein bestimmtes Wesen mitbringen. Sie sollen beispielsweise die Ruhe bewahren, wenn Menschen mit eingeschränkter Mobilität, Spasmen oder beeinträchtigtem Körpergefühl den Hund beim Streicheln mal unsanft oder unerwartet berühren. So wartet Romy geduldig darauf, freigelassen zu werden, als Anneliese Lämpel sich breitbeinig über sie stellt und

In der relativ kurzen Ausbildung zum Besuchshund werden die Vier- und Zweibeiner auf ihren Einsatz vorbereitet. Dabei lernen die Vierbeiner Rollstühle und Gehhilfen kennen und werden mit ungewohnten Geräuschen vertraut gemacht. Der Zweibeiner lernt in der Zeit die Grenzen des Hundes einzuschätzen. Wenn Romy von den vielen Eindrücken im Seniorenhaus erschöpft ist, signalisiert sie das beispielsweise, indem sie sich hinlegt.

Im Liegen beginnt für andere Hunde wiederum erst die Arbeit – als Therapiehunde.

Jeden Dienstag besucht Wolfgang Heles die Bewohner des Seniorenhauses »Zur Buche« in Konz. Mit dabei ist Besuchshund Romy. – Quelle: Nicole Paschek

Eisbrecher für harte Nüsse: Therapiehunde

Therapiehunde begleiten Menschen zum Beispiel bei der Psycho-, Sprach- oder Lerntherapie. Die Psychologin Karin Hediger spricht deshalb lieber von Die Psychologin erforscht an der Universität Basel den Einsatz von Tieren im therapeutischen Kontext und verweist auf ein Thema, das wir schon von den Besuchshunden kennen: »Viele Patienten haben Mühe, Nähe zuzulassen.« Der Therapiehund fordert diese aber ein, indem er die streichelnde Hand sucht oder zu spielen beginnt. »Für den Therapeuten ist der Hund eine Brücke zum Patienten. Er macht es einfacher, eine Beziehung zum Klienten aufzubauen.« Im besten Fall öffnen sich die Patienten dadurch, werden

Das wiederum wirkt sich Sie bekommen einen doppelten Boost:

  • Ego-Boost: Eine gesteigerte Lebenszufriedenheit, ein erhöhtes Selbstbewusstsein und weniger Angst vor Einsamkeit sind nur 3 der messbaren Ergebnisse von Therapiehunden auf der sogenannten psychosozialen Ebene.
  • Immun-Boost: Auf der rein körperlichen Ebene kann die Interaktion mit Therapiehunden mit einem niedrigeren Blutdruck einhergehen und den Puls sowie den Spiegel des Stresshormons Cortisol positiv beeinflussen. Begegnen sich Hund und Patient, wird genau wie bei positiv wahrgenommenen menschlichen Begegnungen das

Hunde können also – wenn man sie mag – therapiefördernd und eine echte Wohltat sein. Für manche Menschen werden sie als Assistenzhunde sogar zu unverzichtbaren Helfern im Alltag.

Therapiehunde im Einsatz können Ego und Immunsystem positiv beeinflussen. – Quelle: pixabay

Intelligenter Ungehorsam als Überlebenshilfe: Assistenzhunde

Wenn sich Hündin Millie vor ihr Herrchen stellt und ihn daran hindert weiterzugehen, zeigt sie intelligenten Ungehorsam. Denn ihr Herrchen ist blind und würde ohne Millie ins Gleisbett fallen. Das zu verhindern hat der Vierbeiner in seiner Für ihre Zweibeiner sind Millie und ihre Kollegen also nicht nur praktische, sondern teils lebensnotwendige Assistenten.

»Assistenzhunde ersetzen ausgefallene Sinnes- und Körperfunktionen.« – Thomas Hansen, Vorstandsmitglied Associata-Assistenzhunde e. V.

Sie öffnen Türen und lassen ihre Besitzer wissen, wenn es an der Haustür klingelt, sie übergeben dem Kassierer den Geldbeutel und signalisieren eine Unterzuckerung oder einen Außer als Blindenführhunde werden Assistenzhunde beispielsweise auch für gehörlose Menschen, Epileptiker, Diabetiker, oder Menschen mit Posttraumatischer Belastungsstörung »Für einen Menschen mit Behinderung ersetzen Assistenzhunde ausgefallene Sinnes- und/oder Körperfunktionen. Daraus entstehende Beeinträchtigungen mildern sie ab. Und das ganz konkret und individuell«, erläutert Thomas Hansen, Vorstandsmitglied beim

Deutschlandweit sind etwa wie viele andere Assistenzhunde es gibt, Bis zu 2 Jahre dauert die Ausbildung eines Assistenzhundes, und auch hier gilt: Neigt ein Patient etwa zu selbstverletzendem Verhalten, muss der Hund hartnäckig sein und ihn immer wieder daran hindern.

Hunde können Patienten sogar ohne direkten Kontakt helfen – indem sie beim Diagnostizieren mit anpacken.

Sondereinsatz für Spürnasen: Diagnostikhunde

Labradorhündin Emely macht sich in einem der Testräume der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Österreich an die Arbeit. Die Hündin geht an einem Gestell mit 5 menschlichen Atemproben vorbei. An jeder Probe bleibt sie stehen und schnüffelt. 4 Mal geht die Hündin weiter. Doch vor der letzten Probe Ganz klar: Dieser Atem stinkt nach Krebs. Lungenkrebs.

Schaue dir hier den Ausschnitt von Quarks zu den Hunden an, die in einer Studie Krebs erschnüffeln (4:40 Minuten).

Als Wissenschaftler zeigten, dass Hunde lernen können, Krebs zu erschnüffeln, war die Hoffnung groß: Sollten sie etwa in der Lage sein, Zahlreiche Krebssuch-Hundestaffeln machten sich an die Arbeit.

Doch dass Hunde in einer möglichst realen Testsituation So zeigten Emily und ihre »Kollegen« in fast 70% der Fälle auch die Proben von gesunden Patienten fälschlicherweise als »Krebs-Proben« an. »Das ist natürlich katastrophal und für ein flächendeckendes Screening nicht geeignet«, erläutert der Pneumologe und Studienleiter Klaus Hackner. Nichtsdestotrotz können Hunde lernen, Krebs zu erschnüffeln.

Egal ob als Besuchs-, Therapie-, Assistenz- oder Diagnostikhund – die Vierbeiner können unserem Wohlbefinden und unserer Gesundheit Doch bis die Hunde an die Arbeit dürfen, ist viel Vorarbeit nötig.

Besuchshund Romy freut sich immer besonders über Streicheleinheiten von einem der Pfleger. – Quelle: Nicole Paschek

Das Kleingedruckte

Los geht es mit der Überzeugungsarbeit: Bevor Besuchs- und Therapiehunde in einer Einrichtung arbeiten dürfen, müssen häufig erst Mitarbeiter, »Kunden« und die Einrichtungsleitung überzeugt werden. So auch im Konzer Seniorenhaus Zur Buche:

Wir sind ein offenes Haus und alle Hunde sind herzlich willkommen. Irgendwann kamen dann Angehörige und haben uns angeboten, mit ihren Tieren nicht nur die eigenen Eltern, sondern auch andere Bewohner zu besuchen. Daraus entstand dann ein ehrenamtlicher Besuchsdienst.Ines Bohrer, Heimleitung vom Seniorenhaus »Zur Buche« in Konz

Hinzu kommen Gesetze und Vorschriften, die beachtet werden müssen. Wer beispielsweise einen Therapiehund einsetzen möchte, benötigt nach § 11 des Tierschutzgesetzes zunächst eine Zulassung dafür. Bezogen auf die Ausbildung des Hundes muss entschieden werden, und wer die Kosten dafür trägt.

Während Besuchs- und Therapiehunde einen mehr oder weniger festen Arbeitsplatz haben, begleiten Assistenzhunde ihre Zweibeiner im Alltag. Auf dem Amt, beim Arzt oder im Supermarkt werden sie aber teilweise daran gehindert, ihren Job zu machen – nämlich dann, Einheitliche gesetzliche Regelungen dazu gibt es bisher nicht.

Du willst genauer wissen, welche rechtlichen Grauzonen für Assistenzhunde bestehen?

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Außerdem lauern überall dort, wo Hunde mit Menschen in Kontakt kommen, die nicht ihre Besitzer sind, mögliche Konflikte:

  • Angst: Immer dann, wenn Romy zu Besuch kommt, gibt es eine Pflegerin, die sich gar nicht freut. Sie hat Angst vor Hunden, flüchtet hinter die Küchentheke und verbarrikadiert den Zugang mit einem Essenswagen. Romys Besitzer Wolfgang Heles fragt im Zweifelsfall nach, ob jemand Hunde mag, und versucht diejenigen zu meiden, die das nicht tun oder Angst haben.
  • Hygienebedenken: Ja, Hunde sind Besuchs-, Therapie- und Assistenzhunde sollten deshalb und So besucht Romy niemanden, der gerade isst. Beispielsweise haben Assistenzhunde gelernt, sich nur auf Kommando zu entleeren, sodass es nicht zu Missgeschicken in Gebäuden kommt.
  • Akzeptanz: »Der Köter hat hier nichts zu suchen!«, schimpft eine Seniorin lauthals, wenn sie Romy sieht. Viele Menschen wissen nicht, dass es Besuchshunde gibt oder wozu Assistenzhunde da sein sollen. Wieso sollte ein Hund mit im Wartezimmer sitzen dürfen, während der eigene Vierbeiner draußen angeleint bleiben muss? Vor allem dann, wenn der Begleiter des Assistenzhundes Dagegen hilft: und miteinander reden.
  • Allergien: Manche Menschen sind gegen Hunde allergisch und froh, wenn sie in öffentlichen Gebäuden keinen Hunden begegnen. Auch hier geht es um Akzeptanz und Kommunikation – kaum jemand würde einem blinden Menschen sagen: »Mit Hund kommst du nicht rein«, oder?
  • Neid: Wo es »Sonderrechte« gibt, sind auch Neider nicht weit. Aus den USA gibt es Berichte von »fake service dogs«, also untrainierten Hunden, die mit einer Assistenzhundeweste herumlaufen und ein So machen sie Menschen, die tatsächlich auf einen Assistenzhund angewiesen sind, das Leben unnötig schwer.

Was also muss hier passieren, damit der Einsatz von Hunden im Gesundheitssystem besser wird – für Mensch und Tier?

Wolfgang Heles verteilt kleine Möhrenstücke, damit die Senioren sie an Besuchshund Romy verfüttern können. – Quelle: Nicole Paschek

Was muss sich ändern?

Mindestens 2 Dinge:

  1. Einheitliche Standards: In Deutschland gibt es – leider auch unseriöse. Um Hund und Halter zu schützen, brauchen wir einheitliche Ausbildungsstandards, einheitliche Prüfungen von Hund, Halter und Trainer sowie Damit die professionell ausgebildeten Hunde auf den ersten Blick erkannt werden können, brauchen wir außerdem
  2. Ethische Arbeitsbedingungen: Kein Mensch sollte 24 Stunden lang arbeiten. Warum sollten Hunde es tun? Auch sie sind Lebewesen mit Bedürfnissen und keine Maschinen. Deshalb sind bessere Studien zur Frage nötig, wie sich die Arbeit der Hunde

Bis dahin hofft Blindenführhündin Millie, dass Außenstehende sie in Ruhe ihren Job machen lassen. Das bedeutet konkret: Und wenn die treue Begleiterin wird ihr Herrchen ihr ein liebevolles Zuhause für den verdienten Lebensabend suchen.

Derweil besucht Romy weiterhin jeden Dienstag das Seniorenhaus Zur Buche. Dort ist Anne Müller gerade am Kegeln. Egal was die Pflegekräfte sie fragen, sie antwortet immer nur mit »Wawawa«. Wolfgang Heles gibt ihr ein Stück Möhre für den Hund und fragt sie: »Weißt du, wer das ist?« – »Ro-my«, sagt sie lächelnd. Wolfgang Heles schaut die anwesende Pflegerin erstaunt an: »Wenn sie will, dann kann sie.« Romy geht weiter. Anne Müller zeigt auf die Kugel und sagt: »Wawawa!«

Titelbild: Patrick Tomasso - CC0 1.0

von Nicole Paschek 
Nicole Paschek hat Verhaltens- und Neurobiologie an der Georg-August-Universität Göttingen studiert. Als freie Wissenschaftsjournalistin beantwortet sie am liebsten die Frage, wieso wir uns so verhalten, wie wir es tun.
Themen: Gesellschaft   Gesundheit