Mit dem E-Auto in den Winterurlaub. Ich habe es getan!
2 Kinder, rund 1.750 Kilometer, über ein Dutzend Stopps: Warum ich es trotzdem noch mal machen würde.
Wir fahren im Dunklen auf einer Landstraße durch die bayerische Provinz. Die Orte heißen hier Maxlried und Hohenfurch. Es klingt nach Idylle, aber dafür fehlt mir jetzt das Gespür. Schneeflocken wirbeln umher und das Thermometer zeigt 5 Grad Celsius unter Null. Seit ein paar Minuten fällt die Reichweitenanzeige des Autos schneller, als uns recht sein kann.
Während unsere Töchter auf der Rückbank mit dem Tablet beschäftigt sind, dämmert uns vorne: Ans Zwischenziel, nach Augsburg, kommen wir so nicht mehr. Obwohl der Strom eigentlich locker hätte reichen sollen. Wir haben das Schicksal herausgefordert, das wussten wir schon vorher. Denn unser Vorhaben ist die Königsdisziplin für ein Elektroauto: in den Winterurlaub nach Österreich – und zurück. Kann das gut gehen?
Mit dem Stromauto auf die Piste – wollen wir das wirklich?
Aber der Reihe nach. Dass wir über Weihnachten und Neujahr zum Skifahren nach Österreich wollen, ist klar. Nach 5 Jahren in Brasilien können es unsere Töchter kaum erwarten, ordentlich Schnee zu sehen. Mit den Großeltern haben wir uns im »Gsöllhof« Zimmer gemietet. Skifahren, zusammen kochen und vor dem Kachelofen in der Stube sitzen – vor unserer Zeit im Ausland war das jedes Jahr traute Gewohnheit.
Die Frage: Die erste lange elektrische Urlaubsfahrt – und dann auch noch gleich ins
Also vielleicht doch der Zug! Wir recherchieren im Netz und finden: Preise von deutlich über 300 Euro für 4 Personen und eine Fahrtzeit von über 10 Stunden pro Strecke. Außerdem der Gedanke daran, uns mit 2 Kindern und 2 großen Koffern durch den vollbesetzten Zug zu quetschen. Schließlich wird es das Auto.
Planung ist alles
Der Leaf soll mit vollem Akku 270 Kilometer zurücklegen können, im gemischten Stadt- und
Dabei helfen uns
Dann ist da noch die Frage nach den Ladesäulen: Von denen gibt es in Deutschland noch nicht allzu viele, außerdem herrscht bei Preisen und Anbietern ziemliches Chaos. Und wir möchten unterwegs gern Ökostrom nutzen. Gar nicht so leicht, denn an den Zapfsäulen hat man wenig Wahlmöglichkeiten; im Mix ist manchmal auch Kohle- und Atomstrom. Nach ein wenig Recherche stoße ich auf die Lösung: ein spezieller
Am Abreisetag steht die Nagelprobe für den Kofferraum an, 2 große Koffer müssen mit, dazu noch eine weiche Tasche mit Jacken, Schuhen, Handschuhen. Kleinigkeiten stopfen wir in die Lücken. Passt! Die Skier können wir zum Glück bei den Schwiegereltern in den VW-Bus legen – hätten sie im Notfall aber auch auf unser Dach packen können. Bleibt nur noch die Tasche mit der Verpflegung – die problemlos in den Fußraum der Jüngeren unserer beiden Töchter (9 und 3 Jahre) passt. Es kann losgehen!
Die Hinfahrt: Raststätten-Hopping für Fortgeschrittene
Abfahrt in Wuppertal am frühen Mittag: Die ersten 138 Kilometer nach Heiligenroth laufen ohne Probleme. Ich halte den Chip an die Säule, drücke einen Knopf zur Bestätigung und schon laden wir. Es dauert 42
Die Kinder spielen im Schnee, wir Alten trinken einen Kaffee. Der nächste Stopp in Kleinostheim nach weiteren 121 Kilometern. Wieder Kaffee, wieder etwas zu essen aus der Verpflegungstasche, wieder Beine vertreten, wieder
Die letzten 20 Minuten der Ladezeit fließt der Strom allerdings schon deutlich langsamer, weil die Batterie zu warm geworden ist. »Rapidgate« – ein Effekt, der bei E-Autos unter Hochleistung gern mal auftritt: Bei Schnellladungen erhitzt sich der Akku relativ zügig, die Elektronik muss den Fluss der Elektronen drosseln. Der Leaf hat, anders als zum Beispiel ein Tesla, keine Akkukühlung, die hier abhelfen würde. Bei einem weiteren Ladestopp könnte es problematisch werden, heute fällt es nicht so sehr ins Gewicht, der zweite ist ja bereits der letzte Ladevorgang.
Nach 400 Kilometern, für die wir 7 Stunden und 11 Minuten gebraucht haben, kommen wir in Rothenburg ob der Tauber an. Für mich als Fahrer ist die Reise bisher entspannt: Mehr als Tempo 110 auf der Autobahn fahre ich nicht, weil sonst die Reichweite zu stark leidet. Neben unserem Hotel entdecken wir eine Volksbank mit Ladesäule, wir dürfen kostenlos parken und aufladen.
Nach einem guten Frühstück mit Brötchen, Ei und reichlich Kaffee machen wir einen Rundgang über die Stadtmauer und durch das historische Städtchen. Mittags geht es weiter. Wieder lernen wir viele neue Rastplätze kennen: Jettingen-Scheppach, Irschenberg-Süd, Bad Reichenhall-Süd – die ersten Berge tauchen am Horizont auf.
Es trennen uns noch etwa 100 Kilometer vom Zielort, Haus im Ennstal in Österreich, als die Temperatur unter den Gefrierpunkt fällt. Und mit ihr der Akkuladestand. 60 Kilometer vor der Ankunft packt uns endgültig die Reichweitenpanik: Innerhalb weniger Minuten verlieren wir fast alles, was wir an Puffer eingeplant hatten. Bauchgrummeln. Ich versuche, so sparsam wie möglich zu fahren. Zum Glück geht es jetzt auf einer Landstraße weiter. Der Bordcomputer passt die Berechnungen entsprechend an. Endlich kommen wir an unserer Ferienwohnung in Weißenbach an, einem Dorf, das zur 2.500-Einwohner-Gemeinde Haus im Ennstal gehört. Jetzt haben wir noch 10 Kilometer im Akku. Punktlandung, Durchatmen. Meine Schwiegereltern mit dem VW-Bus sind längst da.
Vor Ort: Schon mal umsonst vollgetankt?
Nach 8 Stunden und 470 Kilometern – so die Bilanz des zweiten Abschnitts – habe ich keine Lust mehr, mich noch nach einer Ladesäule umzusehen. Wir setzen uns in die »Speckhütte«, ein rustikales Restaurant, zum Abendessen – unser Ankunftsritual.
Als wir am nächsten Morgen aufstehen, ist der Himmel grau und trist. Schnee liegt im Dorf noch keiner. In der Ferne, auf den Pisten, können wir ihn aber sehen. Das reicht für Urlaubsstimmung – und Freude aufs Skifahren.
Unser Auto ist immer noch nicht aufgeladen, mit den 10 Kilometern Rest-Reichweite kommen wir aber locker 2-mal zur Piste und zurück. Das ist alles, was wir brauchen. Das Laden verschiebe ich erst mal.
2 Tage später wird es dann aber doch einmal Zeit: Die einfachste Möglichkeit, unseren Wagen zu laden, liegt sehr nah am »Hauser Kaibling«, dem Skiberg in Haus. Hinter einer McDonald’s-Filiale steht die Schnellladesäule. Allerdings rechnet sie nicht nach Strommenge ab, sondern pauschal 59 Cent pro Verbindungsminute. Am Ende stehen rund 1 Euro pro
An einem Parkplatz der Talstation entdeckt meine Frau kurz vor Ende des Urlaubs schließlich ein paar brandneue Ladesäulen des örtlichen Stromanbieters – die Nutzung ist sogar noch kostenlos. Klar, vor der Rückfahrt laden wir hier noch einmal auf. Wir sind bereit für die Heimreise.
Die Rückfahrt: Im Würgegriff der Naturgewalten
Wir fahren vor 10 Uhr los – früh für unsere Verhältnisse. Ein erster Ladestopp in Hochfelln Nord, dann weiter nach Penzberg, südlich des Starnberger Sees, wo wir Freunde zum Kaffee besuchen. 223 Kilometer in gemütlichen 5 Stunden. In der Ortsmitte gibt es Lademöglichkeiten, die sind aber von Benzinern zugeparkt. Das passiert in Innenstädten leider immer wieder.
Als der Parkplatz frei wird, dann das nächste Problem: Mit meinen Lade-Chips und Apps komme ich nicht
Als wir endlich weiterfahren, haben wir genug Saft im Akku, um locker in Augsburg anzukommen, und sogar noch einiges an Reserve. Denken wir zumindest. Doch auf der Hälfte der Strecke der Schock: Nach Augsburg reicht es wohl nicht mehr. Warum? Neben der Kälte, die dem Akku zusetzt, laufen Heizung, Scheibenwischer, Scheinwerfer und Sitzheizung, ein Hörspiel klingt aus den Boxen. Das ist zusammengenommen zu viel.
Mit einer Handvoll Kilometern im Akku schaffen wir es gerade noch zu einer Ladestelle vor Augsburg. Hier tanken wir
Nach der Übernachtung und ein wenig Sightseeing in Augsburg steigen wir um 14 Uhr ins Auto, um die restlichen 560 Kilometer nach Wuppertal zu fahren. Alles läuft gut. Doch als wir kurz nach 22 Uhr an einem verlassenen Rastplatz stoppen, wird es unheimlich. Die Ladesäule steht auf einem dunklen Abschnitt an einem Gebüsch. Eine ganze Stunde hier stehen? Lieber nicht. Auch den Mädels ist mulmig zumute.
Wir haben Glück: Keine 10 Kilometer weiter steht am Rastplatz Urbacher Wald ein weiterer Ladepunkt. Wieder eine dunkle Ecke. In Sichtweite 2 Autos, deren Reifen vor längerer Zeit abmontiert wurden und die an den Türen die Spuren von Stemmeisen im Blech aufweisen. So richtig familienfreundlich ist diese Umgebung auch nicht. Aber es hilft nichts, wir gehen Kaffee trinken. Und merken nach 45 Minuten, dass der Ladepunkt irgendwann zwischendurch den Geist aufgegeben hat. Inzwischen ist es 23:15 Uhr und unsere Töchter sind ebenso müde und genervt wie wir. Weitere 8 Kilometer von hier gibt es noch eine Lademöglichkeit. Pures Glück. Endlich klappt alles und wir laden – wieder mal – kostenlos.
Um 01:40 Uhr geht das Abenteuer zu Ende. Zu Hause! Die Kinder schlafen, völlig fertig von der knapp 12-stündigen Fahrt.
Nach dem Ausschlafen
Einiges lief bescheiden, aber am Ende steht die Gewissheit: Man kann auch mit einem E-Auto der gemäßigten Preiskategorie eine Reise mit knapp 900 Kilometern Distanz stemmen. Doch für wie viel Geld haben wir Strom
Die Hinfahrt hat uns 55,28 Euro gekostet, die Rückfahrt 60,68 Euro. Auffällig ist die Schwankung der Preise bei ähnlich langen Ladevorgängen und -volumen.
Ein sparsamer Benziner der Kompaktklasse verbraucht im Vergleich etwa 5 Liter. Mit dem
Welche Stellschrauben lassen sich noch drehen, um E-Mobilität auf der Mittel- und Langstrecke attraktiver zu machen?
- Mehr Ladesäulen: Das gängigste Vorurteil bestätigt sich: Es gibt noch zu wenig Ladepunkte. Mal stehen 3 Schnellladesäulen im Umkreis von 20 Kilometern und dann unter Umständen 50–60 Kilometer lang gar nichts. Auf jede Raststätte gehört mindestens eine Lademöglichkeit, künftig wohl eher 2. Denn ist eine Säule besetzt oder außer Betrieb, kann man schnell in Schwierigkeiten geraten. Bis Ende des Jahres läuft ein Förderprogramm des Bundesverkehrsministeriums, das hier Abhilfe schaffen soll.
- Einheitliche Bezahlmöglichkeit: Chips, Karten und Apps: Wer alles abdecken möchte, hat schnell 3–4 Anhänger am Schlüsselbund baumeln. Eine Kreditkarte sollte reichen, sodass man nicht auf Apps, Chips oder das Smartphone angewiesen ist.
- Preisregulierung: Bei dem Wust an Tarifen ist es schwer, den Überblick zu behalten. Die gleiche Ladesäule hat je nach Abrechnungsverbund zum Teil unterschiedliche Preise. Außerdem verlangen einige Anbieter Pauschalen, andere eine Mischung aus Bezahlung pro Minute und geladener Strommenge. Die Preise vergleichbar halten könnte das Bundesverkehrsministerium, indem es die Förderung von Schnellladesäulen an einen bestimmten Abrechnungsmodus koppelt und so
- Ökostrom für alle – immer: Ist eine Ladestation mit Fördermitteln vom Bund aufgestellt worden, muss dort die Versorgung mit Ökostrom sichergestellt sein. Allerdings gilt diese Auflage für nicht geförderte Stationen bislang nicht. Es wäre ein Schritt in Richtung umweltfreundliches Autofahren, wenn Ökostrom an E-Auto-Ladestellen generell Vorschrift wäre. Denn Studien zeigen, dass der Strommix zu einem guten Teil darüber entscheidet, wie umweltfreundlich ein E-Auto
Ach ja: Für den Sommer planen wir einen Roadtrip durch Westeuropa. Nach dieser Erfahrung ist das ein Klacks!
Update, 4. Februar:
Ökostromanbieter Lichtblick gibt einen Lade-Chip aus, der europaweit an vielen Ladepunkten zum Tanken genutzt werden kann. Dieses Netz umfasst auch Ladesäulen mit herkömmlichem Strommix – also Nicht-Ökostrom. Es gilt: Wer die Säule aufstellt, bestimmt die Zusammensetzung des Stroms.
Vom Bundesverkehrsministerium seit dem Jahr 2016 geförderte Lademöglichkeiten müssen zertifizierten Ökostrom oder vor Ort hergestellten Ökostrom herausgeben. Diese machen laut des Ministeriums bereits mehr als die Hälfte des öffentlich zugänglichen Lade-Netzes aus. In einer dritten Förderrunde sollen jetzt noch einmal etwa 13.000 Ladestellen dazukommen. Die Wahrscheinlichkeit, unterwegs Ökostrom zu tanken liegt aktuell bei mehr als 50%.
Der Chip des Unternehmens Lichtblick hat damit, anders als hier im Artikel erwähnt, aber nichts zu tun. Auf meine Anfrage hat Lichtblick angekündigt, die entsprechenden Informationen auf der eigenen Website klarer darzustellen.
Mit Illustrationen von Adrian Szymanski für Perspective Daily