Ständig in Eile? So holst du dir deine Zeit zurück
Dafür braucht es nur 3 kleine Veränderungen in deinem Leben.
Wenn wir dieses Wochenende in der Nacht von Samstag auf Sonntag unsere Uhren umstellen und um Punkt 2 Uhr eine Stunde in der Zeit vorrücken, dann steht uns wohl einer der letzten Tage bevor, der nur 23 Stunden hat. Die gestohlene Stunde, die uns erst ein halbes Jahr später zurückgegeben wird, gehört dann endlich und dauerhaft wieder uns.
Bereits seit einiger Zeit setzen sich Europapolitiker dafür ein, dass die Zeitumstellung abgeschafft wird. Einige
Damit würden einige Probleme verschwinden, die lange bekannt sind. Denn die Zeit macht etwas mit uns und wenn sie sich plötzlich ändert, kann das ernste gesundheitliche Probleme hervorrufen. Nach einem »Cloxit« würde es zukünftig wohl weniger Verspätungen, Unfälle und Krankmeldungen geben und selbst das Herzinfarktrisiko wäre niedriger. All diese Folgen der Umstellung sind
Doch der »Cloxit« löst nur eines von vielen Problemen in unserem schwierigen Verhältnis zur Zeit. In unserer temporeichen Gesellschaft ist Zeit das höchste Gut. Und sie ist dauernd bedroht. Zwänge des Alltags, ständige Kommunikation,
Doch was geschähe, würde man den »Cloxit« einmal wörtlich nehmen und aus der Zeit heraustreten? Ist ein Leben, das sich nicht permanent nach der Uhrzeit richtet, überhaupt noch denkbar?
Meine These lautet: Ja, es gibt da draußen noch so etwas wie Inseln der Zeit. Aber sie sind ein wenig versteckt und manche drohen ganz zu verschwinden.
Begeben wir uns also auf die Suche.
Die Insel der Schlafenden
Ich beginne die Suche dort, wo ich zum ersten Mal mit der Zeit in Berührung komme. Um 6:50 Uhr klingelt mein Wecker. Ich werde wach und starte einen Tag, der bereits bis ins Detail geplant ist, bevor ich auch nur einmal auf die Snooze-Taste gedrückt habe. Die folgenden 16 Stunden sind bestimmt von Aufgaben, Terminen und Zielen. Erst wenn ich abends im Bett liege, komme ich zur Ruhe und kann, wenn meine Tochter mich lässt, 7 Stunden schlafen.
Das Schlafzimmer erscheint mir auf den ersten Blick als die letzte Insel der Zeit. Der Schlaf ist die einzige Zeit, die sich nicht wegrationalisieren lässt, weil der Mensch den Schlaf nun einmal braucht. Es ist die Zeit, in der ich ohne Schuldgefühle einmal gar nichts tue und zur Ruhe komme.
Im Idealfall ist das Schlafzimmer der Ort, an dem die Welt draußen bleibt. Doch in Wahrheit gilt das tief verinnerlichte Optimierungsdenken längst auch für unser Schlafverhalten. Unser Schlaf ist von vielen Seiten bedroht. Nein, nicht nur von hungrigen Babys, sondern auch von anderen Faktoren. Denn die verbreitete Annahme, dass Schlaf unproduktiv ist und keinen Mehrwert bringt, führt dazu, dass auch Schlaf möglichst effizient sein muss.
Das erkennt man zum Beispiel daran, dass die Schlafindustrie boomt. Hochwertige Matratzen, Kissen und Wake-up-Light-Wecker sollen den perfekten Schlaf ermöglichen. Hinzu kommt die digitale Selbstüberwachung. Spezielle Apps und Fitnessarmbänder messen die Dauer und die vermeintliche Qualität des Schlafs.
Überhaupt ist der Einzug von Smartphones und Tablets ins Schlafzimmer eine Bedrohung für die nächtliche Ruhe. Das Licht der Geräte mit seinen hohen Blauanteilen
Daher braucht es so etwas wie eine neue Schlaf-Wach-Kultur,
Wie der letzte DAK-Report zeigt, litten 80% der Erwerbstätigen unter Schlafproblemen und jeder 10. Arbeitnehmer sogar unter schweren Schlafproblemen. Seit 2010 ist der Anteil der von Ein- und Durchschlafproblemen Geplagten um 66% angestiegen und schwere Schlafstörungen nahmen um 60% zu.
Es ist also an der Zeit, dass wir die Nacht und den Schlaf zurückerobern. Weg mit den Smartwatches, Schluss mit der Schlafanalyse, Handy weg und Licht aus!
Dazu gehört auch ein Umdenken, was den Umgang mit verschiedenen Chronotypen angeht. Schließlich weiß die Schlafforschung längst, dass Menschen sehr unterschiedliche
Schluss mit Bildschirmen im Bett. Erobere deinen Schlaf zurück.
Das Tageslicht am Morgen ist besonders wichtig, damit wir wach in den Tag starten. Eine Abschaffung der Sommerzeit wäre daher ein erster Schritt hin zu einer neuen Schlaf-Wach-Kultur, die das Schlafzimmer wieder in eine Insel der Zeit verwandeln würde.
Aber gibt es nicht auch abseits des Schlafzimmers Möglichkeiten, das Lebenstempo zu verlangsamen?
Die Insel der Achtsamen
Vor einer Weile habe ich eine Yoga-Probestunde besucht. War ich anfangs noch ein wenig irritiert über die
Yoga, Meditation und andere Entspannungstechniken sind bewusste Unterbrechungen im Alltag. Die positive Wirkung dieser kurzen Auszeiten hält anschließend weiter an, sie ist
Und dort entdecke ich eine weitere Insel der Zeit. Doch sie offenbart sich nur, wenn wir Platz für sie schaffen. Praktiken wie Yoga, Meditation und Achtsamkeit liefern ebenso wie pures Nichtstun und scheinbares Zeitvergeuden einen Gegenentwurf zu einer schnelllebigen Welt der vollen Terminkalender, in der Konzentration kaum mehr möglich scheint. Diese Praktiken helfen uns dabei, in Kontakt mit uns selbst zu kommen und das Ticken der Uhr leiser zu stellen.
Denn in einer Welt, in der alles immer verfügbar ist, herrscht ein Zeitverständnis, nach dem es keine naturgegebenen oder gesellschaftlichen Pausen mehr gibt. Die Freiheit, grenzenlos zu kommunizieren, zu konsumieren, zu arbeiten und Dinge zu erledigen, wird in Wahrheit zu einem Zwang. Dem Zwang, alles verfügbar zu machen und in Reichweite zu bringen, was erreichbar scheint. »Am Ende wundern wir uns, warum wir uns geistig so ausgebrannt fühlen und häufig die wirklich entscheidenden Aufgaben aus dem Blick verlieren«, schreibt der Wissenschaftsjournalist Ulrich Schnabel dazu treffend in seinem Buch »Muße. Vom Glück des Nichtstuns«. Nur wer das rasende Tempo des Alltags durchbricht und eine Pause macht, kann die Kontrolle über seine Zeit zurückgewinnen. Ansonsten bleiben wir Getriebene.
Die Eile lässt dich ausgebrannt fühlen? Gewinne die Kontrolle über deine Zeit zurück!
Dabei darf man aber eines nicht übersehen: Wenn Achtsamkeitsübungen in einen vollen Terminkalender eingepflegt werden, unterliegen auch sie der Gefahr der Beschleunigung und können ihren eigentlichen Zweck verlieren. Der Saunabesuch und die Yoga-Stunde nach Feierabend sind keine echten gesellschaftlichen Gegenentwürfe, sie sind Teil des Systems. Meine Yoga-Lehrerin hatte es ja gesagt: Die Übungen sind Bewältigungsstrategien, um uns an die schnelllebige Welt da draußen anzupassen. Sie sind
Die kurzzeitige Loslösung vom Alltag dient nur dazu, die Leistungsfähigkeit zu erhalten, um in der Welt zu bestehen. Kurz tut man so, als stünde die Zeit still, nur um anschließend umso schneller weiter zu hasten. Ein wenig ähnelt diese Form des »Cloxits« der
Wir treten nicht aus der Zeit heraus, solange wir mit dem Smartphone erfassen, wie lange wir heute wieder meditiert haben, und solange wir uns von der App dazu gratulieren lassen. Erst dann, wenn wir überrascht aus der inneren Versenkung auftauchen und uns fragen, wo die Zeit geblieben ist, machen wir sie zu unserer Zeit.
Deshalb brauchen wir mehr Unterbrechungen im Leben, die keinen Termincharakter haben und keinen beabsichtigten Zweck erfüllen. Echte Mußestunden, schreibt Ulrich Schnabel, seien »jene Stunden, in denen wir ganz das Gefühl haben, Herr über unsere Zeit zu sein, in denen wir einmal nicht dem Geld, der Karriere oder dem Erfolg hinterherrennen«. Zeit, in der wir zu uns selbst und unserer eigenen Bestimmung kommen. Diese Momente zuzulassen ist entscheidend.
Die Insel der Langsamkeit
Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich nach der Probestunde das Haus der Yoga-Lehrerin verlassen habe und wie mein Blick sofort in Richtung Armbanduhr ging. Wie lange hat das jetzt alles gedauert? Ein Automatismus. Ich musste zur Arbeit und in einer Zeitungsredaktion kommt man nicht weit mit Kundalini-Mantren.
Geübtere Yoga-Schüler als ich verstehen es vermutlich besser, den Zustand der inneren Klarheit und Verlangsamung hinüber in den Alltag zu retten. Zeit zu gestalten bedeutet nicht nur, Termine zu managen. Es geht nicht allein darum, was wir in unserer Zeit tun, sondern auch, wie wir die Dinge tun und erleben.
Dass die Lebensgeschwindigkeiten der Menschen völlig verschieden sind, hat auch der US-amerikanische Sozialpsychologe Robert Levine erkannt, nachdem er sich jahrelang damit beschäftigt hat, wie Kulturen mit der Uhrzeit umgehen. In »Eine Landkarte der Zeit«, einem Klassiker der Zeitforschung, zeigt er, wie Gewohnheiten und Kulturen, aber auch der Wohnort, das Klima und der Wohlstand unser Zeitverständnis beeinflussen. Deutschland zählt seinen Erkenntnissen nach zu den Ländern mit dem höchsten Lebenstempo. Ganz andere Vorstellungen von zeitlicher Disziplin herrschen hingegen zum Beispiel in Brasilien.
Robert Levine hat für alle, die dazu neigen, ständig unter Zeitdruck zu stehen, 10 Fragen entwickelt, die dabei helfen, das eigene Verhalten zu überdenken. Hier sind sie in leicht abgewandelter Form:
- Schaust du häufig auf die Uhr und bist du dir der jeweiligen Uhrzeit besonders bewusst?
- Sprichst du hastig und wirst ungeduldig, wenn jemand zu lange braucht, um auf den Punkt zu kommen?
- Isst du hastig und bist du oft die erste Person am Tisch, die fertig ist?
- Gehst du schneller als die meisten Menschen?
- Regst du dich über zähfließenden Verkehr auf?
- Weist du jeder Tätigkeit einen gewissen Zeitrahmen zu?
- Bist du ein zwanghafter Listenschreiber?
- Hast du ein Übermaß an nervöser Energie?
- Hasst du es, zu warten?
- Geben andere Menschen dir den Rat, langsamer zu werden?
Ohne Routinen zu durchbrechen geht es nicht.
Um den eigenen Umgang mit der Zeit zu verändern, müssen natürlich Routinen durchbrochen, neue Denkweisen eingeübt und Gewohnheiten etabliert werden. Doch wer erst einmal damit anfängt, sein Verhalten in den beschriebenen Situationen zu hinterfragen, der schafft es vielleicht auch, sein Lebenstempo dort zu reduzieren, wo es unnötig hoch ist. Wer sich bewusst entscheidet,
Titelbild: Daniel Monteiro - CC0 1.0