Seit 2 Wochen entfaltet sich in Brasilien ein Polit-Thriller. Was wir darüber wissen
Geheime Absprachen haben dem Rechtsextremen Jair Bolsonaro ins Präsidentenamt verholfen. Das zeigen Leaks anonymer Informanten. Jetzt gerät die Regierung unter Druck.
Der Skandal, der Brasilien seit Wochen durcheinanderwirbelt, ist einer der größten in der Geschichte der Republik. Er ist so groß,
In den beiden Hauptrollen: der von vielen immer noch verehrte, linke Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (Arbeiterpartei PT) und Sérgio Moro, ein Ex-Bundesrichter. Letzterer genießt für seine Urteile gegen korrupte Politiker und Unternehmer bei vielen Brasilianerinnen und Brasilianern Heldenstatus. Seit Januar 2019 besetzt er das Amt des Justizministers in der Regierung des rechtsextremen Präsidenten Jair Messias Bolsonaro. In den zentralen Nebenrollen: eben jener Präsident, der trotz allerlei menschenverachtender Bemerkungen mit dem Versprechen an die Macht kam, Korruption zu bekämpfen. Auch mit von der Partie ist der junge Staatsanwalt Deltan Dallagnol.
Worum geht es in diesem Drama? Vordergründig um die Verurteilung des Ex-Präsidenten Lula da Silva zu einer hohen Haftstrafe wegen Korruption. Seine Verurteilung erst hat dem heutigen Präsidenten Bolsonaro den Weg in den Präsidentenpalast geebnet. Zum Jahreswechsel 2017/2018 hätte man es für einen alkoholseligen Witz auf einer Silvesterparty gehalten, dass ein politischer Außenseiter wie Jair Messias Bolsonaro einmal das Land regieren könnte. Und es gibt noch eine Parallele zu House of Cards: Den eindeutig Guten wirst du nicht finden.
Warum das alles für uns nicht nur Unterhaltungswert besitzt, sondern reale Konsequenzen hat? Brasilien ist flächenmäßig der fünftgrößte Staat der Welt und Heimat für mehr als 200 Millionen Menschen. Amazonas, Ölreserven und die gigantische Fleisch- und
Lulas Niedergang, Bolsonaros Aufstieg und Moros Beitrag
Um den Zusammenhang zwischen den Personen, dem Prozess gegen den meist nur Lula genannten Politiker und der aktuellen Situation Brasiliens genauer nachvollziehen zu können, müssen wir ein paar Jahre zurückgehen. Mitte 2017 verurteilte der damalige Richter Sérgio Moro Ex-Präsident
Der Last-minute-Ersatzkandidat von Lulas Arbeiterpartei PT, Fernando Haddad, konnte hingegen nicht überzeugen und verlor die Stichwahl Ende Oktober.
Chats unter Ermittlern in Lulas Verfahren, rund um die Zeit vor der brasilianischen Präsidentschaftswahl, belegen die politische Gesinnung der Personen, die zur Task Force
Anwältin Daniella Meggiolaro, Vorsitzende der Kommission für Strafrecht der Anwaltsvereinigung OAB in São Paulo, sagt:
Moro war immer das große Symbol dieses Kampfes gegen die Korruption. Er war ein Held. Lula war für viele jetzt der Bandit und die Arbeiterpartei PT das große Symbol für die Korruption. Die Wahl von Bolsonaro war eine Wahl gegen die Korruption und gegen die PT, die meisten haben ihn nicht gewählt, weil er ein toller Kandidat war.
Den Richter, der mit seinen Urteilen also wesentlich zum Ausgang der Wahl beigetragen hatte, indem er Lula hinter Gitter brachte, machte Jair Bolsonaro schließlich zum Justizminister. Schon damals hatte es einen Beigeschmack, dass Moro nahtlos von der Richterbank ins Kabinett wechselte. Politische Ambitionen hatte er bis dahin stets von sich gewiesen. Durch die geleakten Chats wird der Beigeschmack jetzt noch schaler. Offenbar war er im Prozess gegen den Ex-Präsidenten nicht unparteiisch und gab der Staatsanwaltschaft sogar Ratschläge zu Ermittlungsansätzen.
Titelbild: sergio souza - CC0 1.0