Mit Beton verbauen wir unsere Zukunft. Hier sind 3 echte Alternativen
In den kommenden 40 Jahren wird sich die weltweite Wohnfläche wahrscheinlich verdoppeln. Doch wir können auf keinen Fall so weiterbauen wie bisher. Müssen wir auch nicht.
Madeleine Gmehling steht mit ihrer Tochter im Arm auf der Baustelle und sieht dem Kran zu, wie er die Wände ihres Hauses einschwebt: »Hui! Da kommt die Balkontüre, Madita!« Die kleine Madita reißt die Kulleraugen auf, japst und reckt die Ärmchen. Vater Benjamin läuft umher und dokumentiert mit dem Handy, wie das Familienglück zusammengestückelt wird, Bauteil für Bauteil. Sie sind nicht die Einzigen, die hier bauen lassen. Ein Stück weiter stehen schon Kräne und Häuser mit baufrischem, weißem Putz. Was die Gmehlings allerdings von ihren künftigen Nachbarn unterscheidet, ist die Wahl des Baustoffs: Sie werden zwischen Holzwänden leben. Eine von vielen vielversprechenden Alternativen.
Doch noch werden die meisten Häuser in Deutschland heute aus
Global gesehen ist Beton nach Wasser das meistverwendete Material der Erde.
Und es ist kein Wunder, dass der Baustoff so verbreitet ist: Beton ist stabil, formbar und günstig. Doch für die Umwelt ist der Baustoff ein Problem.
Denn um Beton herzustellen, braucht man Wasser, Zement und Sand. Doch letzterer wird
Der Sandabbau zerstört in diesen Ländern Ökosysteme und macht den Menschen das Leben schwer. Zum Beispiel, weil die Böden den Regen ohne die filternden Sandschichten nicht mehr ausreichend reinigen können und so das Grundwasser verschmutzt wird.
Das zweite große Beton-Problem ist, dass seine Herstellung dem Klima schadet: Der Stoff ist für
Wäre die Betonindustrie ein eigenes Land, es wäre nach China und den USA der drittgrößte CO2-Produzent. Das Problem an der Sache: Bei der Zementherstellung entsteht CO2 als Nebenprodukt des chemischen Prozesses, in dem Calciumcarbonat zu Zement gebrannt wird. Deshalb nutzt es auch wenig, wenn die Branche in der Produktion auf erneuerbare Energiequellen umschwenkt – der Prozess bleibt derselbe. Gleichzeitig boomt die globale Bauindustrie weiter: Die Vereinten Nationen rechnen damit, dass es 2060 doppelt so viel Wohnfläche auf der Erde geben wird
Deshalb sind Alternativen dringend gefragt.
Das Wettrennen um die beste Alternative läuft
Der Industrie ist bewusst, dass es keinen CO2-freien Zement geben kann. Deshalb investieren die Hersteller große Summen in Technologien, die den Ausstoß zumindest reduzieren sollen. Allen voran das Verfahren »Carbon Capture and Storage (CCS)«, bei dem das CO2 bei der Zementherstellung direkt abgezweigt und gebunden wird, bevor es in die Atmosphäre gelangt. Doch noch ist die Technik sehr teuer und energieaufwendig, was sich wieder negativ auf die Bilanz auswirkt.
Johannes Kreißig, Geschäftsführer der
Das ändert sich jetzt. Architekten und Ingenieure werden kreativ – wie bei den Gmehlings. Im Haus der jungen Familie besteht nur die Bodenplatte aus Beton: ein Klotz von 5 mal 16 Metern, mitten auf dem Acker. Die Arbeiter der Reutlinger Firma, die ihr neues Holzhaus baut, setzen die Holzbauteile Stück für Stück auf das Betonfundament und fixieren sie mit Mörtel. Für ein ideales Raumklima, gute Wärmedämmung und den Brandschutz haben die Zimmerer in den Wänden Hölzer mit verschiedenen Eigenschaften kombiniert. Jede Wand besteht aus 2 Holzschichten, in den Zwischenraum wird Zellulose gefüllt, als Dämmung. »Also alte Zeitungen. 90% dieses Hauses sind recycelbar«, ruft einer der Arbeiter vom Gerüst herunter.
Mit einem dicken Hammer klopft er die Holzwände von oben fest. Schon morgen Abend soll der Rohbau stehen – nach insgesamt nur 2 Tagen. Die junge Familie entschied sich auch deshalb fürs Holz, weil das Aufstellen schnell geht. Die Ökologie spielte anfangs gar nicht so die entscheidende Rolle. »Unser Architekt hat uns auf die Idee Holzhaus gebracht. Er plant sonst exklusivere Sachen und schwört auf Holz. Er hat uns gezeigt, dass Holzbau auch für uns leistbar ist«, erzählt Benjamin Gmehling. Ungefähr 270.000 Euro kostet das Haus, ähnlich viel wie ein Vergleichbares aus Beton oder Ziegeln.
Die Lego-Lösung: Plattenrecycling
So wie bei den Gmehlings läuft es oft. Architekten spielen eine große Rolle dabei, wenn es darum geht, ökologische Baualternativen bekannt zu machen. Sie sind das Bindeglied zwischen Baubranche und Verbrauchern. Nur wenn sie sich mit innovativen Materialien und Bauweisen auskennen, können sie Kunden richtig beraten, in deren Sinne – und im Sinne der Umwelt. Doch weil die Zementhersteller nicht nur viel Geld in Technologie investieren, um Kohlenstoff zu binden, sondern auch Imagekampagnen fahren und eine starke Lobby haben, zieht der Holzbau noch immer oft den Kürzeren.
Noch schwieriger hat es Angelika Mettke. Auch sie hat eine Idee, um den Beton-Verbrauch zu reduzieren – doch mit ihrer Lösung ist kaum Geld zu verdienen. Mettke ist Professorin an der
Für ihr Engagement hat sie 2016 den deutschen Umweltpreis und damit ein wenig Bekanntheit für ihre Idee erhalten – und die braucht sie. Denn ihr Plan geht nur auf, wenn alle mitmachen: Bauherren, Abrissfirmen und Planer der neuen Häuser müssen sich koordinieren und zeitlich aufeinander abstimmen, wenn es zum Plattenrecycling kommen soll.
Johannes Kreißig von der Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen kann sich weitere Einsatzgebiete für die Recycle-Technik vorstellen. »Die Herausforderung im Betonrecycling ist, Häuser, aber auch Brücken und Autobahnen so zu bauen, dass man ganze Module wiederverwerten kann.« Das bedeutet: weniger Vergießen von Beton an der Baustelle und mehr Zusammenstecken von Fertigteilen – Betonbau nach dem Legoprinzip.
Die Hightech-Hoffnung: Textilbeton
Es gibt aber auch Bereiche, in denen Beton nicht so leicht ersetzbar ist wie in Hauswänden. Fundamente wie das des Einfamilienhauses der Familie Gmehling, aber auch
An der
»Um dieselbe Last zu tragen wie Stahl, sind nur 5–10% der Masse an Carbon nötig«, sagt Schladitz. So geht die Rechnung auf:
Und die Technik hat sich bereits bewährt: Forscher der Technischen Universität Berlin testen derzeit die Belastbarkeit der weltweit ersten vorgespannten Carbonbetonbrücke. Bei der Sanierung einer Brücke in Stuttgart und eines Tonnendaches in Zwickau kamen ebenfalls Carbonfasern zum Einsatz. Alex Hückler, der als Ingenieur am Testprojekt in Berlin mitarbeitet, schätzt, dass Carbonbeton bald Alltag auf dem Bau sein wird: »In 3 Jahren werden die ersten Bauten stehen, in 10 Jahren ist der Stoff etabliert.«
»In 3 Jahren werden die ersten Bauten aus Carbonbeton stehen, in 10 Jahren ist der Stoff etabliert.«
Bei allen Vorteilen hat Carbonbeton aber auch einen großen Nachteil: Nach Ende seiner Lebensdauer lässt er sich nur sehr schwer in seine Bestandteile trennen. Gelingt es doch, ist unklar, wie sich die gebrauchten Carbonfasern wiederverwerten lassen.
Während der Carbonbeton noch zur Serienform heranreift, feiert der lange unterschätzte Baustoff Holz schon länger sein Comeback. Nicht nur in Einfamilienhäusern wie dem der Gmehlings, sondern auch in Hochbauten und Fabrikhallen:
- In Japan ist
- In der Hamburger Hafencity entsteht
- In der Nähe von Darmstadt baute Alnatura, der Händler von Biolebensmitteln, 2013
Bei Familie Gmehling fliegt inzwischen die letzte Wand für heute ein. Sie trennt die Wohnküche vom Eingangsbereich. Benjamin und Madeleine Gmehling betreten vorsichtig den Rohbau und weisen einander entzückt auf Details hin. »Wie groß die Fenster sind! Als wir in der alten Wohnung geplant, gemessen und versucht haben, uns das vorzustellen, hat es viel kleiner ausgesehen.« Wenn auch mit Fassade, Fenstern und der Einrichtung alles nach Plan geht, können sie Weihnachten schon in ihrem neuen Haus verbringen – und den Nachbarn einen Vorgeschmack darauf geben, wie die Stadt von morgen aussehen könnte.
Titelbild: Ivan Bandura - CC0 1.0