CO2-Steuer: Was Deutschland von Schweden lernen kann
Deutschland will mehr Klimaschutz. Aber wie geht das, ohne der Wirtschaft zu schaden und die Ärmsten zu schröpfen? Schweden macht es vor.
Der eine nennt sie einen »Eckpfeiler der schwedischen Klimapolitik«.
Der nächste spricht vom »Rückgrat aller Steuern im Umweltbereich« und dem
CO2-intensive Güter wie Fleisch, Plastik oder Zement werden nicht direkt besteuert, stehen aber über die Energie, die bei ihrer Herstellung verwendet wird, auch unter dem Einfluss der CO2-Steuer. Und obwohl so fast alle Einwohner des Landes direkt von höheren Preisen betroffen sind, ist die Steuer in Schweden weithin akzeptiert, keine der Parlamentsparteien möchte sie abschaffen.
Warum ist das so? Und was kann Deutschland davon lernen?
Die CO2-Steuer kam nicht allein
Für Antworten lohnt es sich, in der Geschichte einige Jahrzehnte zurückzuschauen. Weiß man, unter welchen Umständen die Steuer eingeführt wurde, versteht man besser, warum sie so gut funktioniert.
Stefan Nyström, der die CO2-Steuer für einen »Eckpfeiler der schwedischen Klimapolitik« hält, leitet heute die Abteilung Klima im Naturvårdsverket, Schwedens oberster Naturschutzbehörde. Im Jahr 1991, als Schweden die CO2-Steuer einführte, war er Sekretär im schwedischen Umweltministerium. »Den Gedanken, Emissionen zu besteuern, gab es damals schon lange«, erzählt er. Bis zur UN-Konferenz 1972 ließen sich die Ideen zurückverfolgen. Diese erste Konferenz der Vereinten Nationen zum Thema Umwelt fand ausgerechnet in Stockholm statt. »In den Jahren danach diskutierte man groß und breit, wie man das Steuersystem ändern könnte. Ob man zum Beispiel eher Emissionen und Rohstoffe als Arbeit und Einkommen besteuern könnte.«
Das Ganze lief schließlich auf Pläne für eine große Steuerreform hinaus, bei der unter anderem die Mehrwertsteuer erhöht und die zur damaligen Zeit
So bekam Schweden seine
Gleichzeitig wurde die Energiesteuer gesenkt, sodass sich etwa die Benzinpreise anfangs kaum änderten. Stefan Nyström dazu:
Im Grunde wurde ein Teil der Steuern einfach umbenannt. Ich denke, nur so war es überhaupt möglich, eine CO2-Steuer einzuführen. Natürlich gab es Gegenstimmen, die komplette Öl-, Auto- und Industrielobby sah ihre Interessen bedroht. Aber es gab keine großen Proteste oder Diskussionen ausschließlich um die Kohlendioxid-Steuer.
In der großen Welle, die eine umfassende Steuerreform durch die öffentliche Debatte spült, ging die CO2-Steuer wohl einfach ein bisschen unter.
Dass sie heute so akzeptiert ist, kann auch daran liegen, dass sie schon bei ihrer Einführung breite Unterstützung in der Politik hatte. Für ihre Verabschiedung stimmte der regierende sozialdemokratische Block gemeinsam mit Oppositionsparteien aus dem konservativen Block. Diese Haltung hat bis heute Bestand: Seit 1991 hat Schweden sowohl sozialdemokratische als auch konservative Regierungen gehabt, seit 1991 ist der Steuersatz stets gestiegen oder gleich geblieben, nie gesunken. »Es gibt in Schweden keine Debatte darüber, ob wir die Steuer behalten sollten oder nicht«, sagt Daniel Waluszewski, Mitarbeiter in der Abteilung Steuern im schwedischen Finanzministerium. »Wenn diskutiert wird, dann über die Höhe des Steuersatzes.«
Eine CO2-Steuer geht nur mit Ausnahmen
Ganz ohne Kritik kommt eine CO2-Steuer natürlich auch im konsensliebenden Schweden nicht aus. Ein starkes Argument gegen die Steuer kommt von links:
»Gerade der Unterschied Stadt – Land ist einer, der im Zusammenhang mit der CO2-Steuer viel diskutiert wird«, sagt Waluszewski. In Schweden ist das eine Frage, die ohnehin emotionaler diskutiert wird als in Deutschland, da das Gefälle zwischen der Metropolregion Stockholm und dem sprichwörtlichen »Rest von Schweden« deutlich größer ist als hierzulande.
Ein anderes Argument, das auch in Deutschland oft gegen die CO2-Steuer ins Feld geführt wird, ist die Konkurrenzkraft der einheimischen Industrie. Gustav Martinsson ist Wirtschaftswissenschaftler an der Kungliga Tekniska Högskolan (KTH) in Stockholm und erforscht die Auswirkungen der Steuer auf einzelne Unternehmen. »Man hat bei allen Diskussionen immer die Carbon Leakage mit im Hinterkopf«, sagt er. Was er damit meint: »Es gibt dieses Risiko, dass Unternehmen ihre Standorte in Schweden stilllegen, weil es zu teuer wird. Aber man weiß bisher nicht, wie groß das Risiko tatsächlich ist.« Aus Sicht des Klimaschutzes wäre das kontraproduktiv, weil die Nachfrage nach gewissen Gütern dann nicht mehr mit einheimischer Produktion, sondern mit noch CO2-intensiveren Importen aus dem Ausland gedeckt würde.
Eine andere Variante der Carbon Leakage ist, dass Unternehmen ihre Produktionsstandorte selbst ins Ausland verlegen und so die Emissionen einfach auslagern. Diese Variante dürfte in Deutschland eine noch größere Rolle spielen als in Schweden, wo ein großer Teil der Industrie auf heimischen Rohstoffen wie Erz und Holz baut, die sich nicht einfach verlegen lassen.
Wenn EU-Regelungen zum Hemmnis werden
Entsprechend bekam die Industrie in Schweden schon kurz nach der Einführung der Steuer einen eigenen, deutlich geringeren Steuersatz genehmigt. Der stieg langsamer an als der reguläre Satz, sodass die Industrie mehr Zeit hatte, sich auf die Steuer einzustellen. Im vergangenen Jahr wurden die beiden Sätze schließlich angeglichen.
Ausnahmen gibt es aber nach wie vor: zum Beispiel für Dieseltreibstoff in der Landwirtschaft oder in Minen und Teilen des öffentlichen Nahverkehrs, für Kerosin und Schiffsdiesel. Außerdem sind alle Teile der Industrie ausgenommen, die vom
In Schweden hat die Einführung des Zertifikatsystems, das eigentlich den Klimaschutz ankurbeln sollte, »Die Einführung des ETS war für schwedische Unternehmen im Grunde eine Steuersenkung.«
also paradoxerweise dazu geführt, dass große Emissionsverursacher heute weniger für ihre Treibhausgase zahlen müssen als der Rest der Industrie und Privatverbraucher. Der Wirtschaftswissenschaftler Gustav Martinsson meint: »Die Einführung des ETS war für schwedische Unternehmen im Grunde eine Steuersenkung.«
Was aber hat die CO2-Steuer in Schweden gebracht?
Wie viel CO2 wurde durch die schwedische CO2-Steuer nun tatsächlich vermieden?
Stellt man diese Frage Wissenschaftlern oder auch den zuständigen Ministerien, ist die Antwort immer ungefähr die gleiche: Das lässt sich so genau nicht sagen. Tatsächlich ist es schwierig, die Auswirkungen einer einzelnen politischen Maßnahme isoliert auszumachen, wenn parallel andere Maßnahmen greifen, sich die weltweite Wirtschaftslage ändert und neue Technologien entstehen. Bei einigen konkreten Erfolgen hat die CO2-Steuer aber höchstwahrscheinlich eine Rolle gespielt.
Im schwedischen Wärmesektor ist
Außerdem sind die gesamten Treibhausgasemissionen in Schweden seit 1990 um 26% gesunken, während das Bruttoinlandsprodukt um 75% angestiegen ist. Die einheimische Wirtschaft hat durch die Einführung der Steuer also langfristig keinen Schaden genommen. Schaut man auf das Verhältnis zwischen Emissionen und Bruttosozialprodukt, sieht man außerdem, dass in Schweden und anderen Ländern mit CO2-Steuer die Emissionen pro erwirtschaftetem Dollar besonders gering sind. Es gibt dort also großen Wohlstand und geringe Emissionen zur gleichen Zeit. Dass die CO2-Steuer der Grund dafür ist, lässt sich durch die Zahlen nicht belegen, aber sie deuten zumindest darauf hin, dass ein Zusammenhang besteht.
Und so ist es schwer, nach beinahe 30 Jahren Gegner der schwedischen CO2-Steuer zu finden. Gustav Martinsson ist zwar durchaus kritisch: »Wenn die Steuer international als gutes Beispiel genannt wird, ist das oft ein vereinfachtes Bild. Dass die größten Verursacher besonders wenig bezahlen, ist aus Klimasicht problematisch«, sagt er. Und dennoch ist er der Meinung: »Die Steuer ist trotz allem vielleicht ideal, so wie sie ist, denn ohne Ausnahmen wäre sie nicht durchsetzbar. Grundsätzlich ist eine Steuer die beste Maßnahme gegen das Grundproblem – dass Kohlendioxid nichts kostet.«
»Der einzige Weg, um neuen Arten der fossilen Energieverschwendung vorzubeugen, ist ein Preis auf Kohlendioxid.«
Der schwedische Umweltökonom Thomas Sterner von der Universität Göteborg ist noch deutlicher. In Leitartikeln in der schwedischen Tageszeitung Dagens ETC argumentiert er regelmäßig für die CO2-Steuer. Er schreibt: »Hätten wir eine weltweite Abmachung, in der alle Länder den gleichen hohen Preis auf Kohlendioxid und andere relevante Treibhausgase erheben würden, dann würden die Leute höchstwahrscheinlich genau die Maßnahmen ergreifen, die ihnen möglichst große CO2-Reduktionen für möglichst wenig Geld einbringen.« Und: »Es ist gut, wenn die Politik Elektroautos unterstützt, öffentlichen Nahverkehr, Wärmeisolierung in Häusern und die Umstellung der Stahlindustrie. Aber der einzige Weg, um neuen Arten der fossilen Energieverschwendung vorzubeugen, ist ein Preis auf Kohlendioxid.«
Titelbild: Raphael Andres - gemeinfrei