Ist das 1,5-Grad-Ziel ohne Technikwunder noch zu erreichen?
Die meisten Klimaszenarien bauen auf Technologien, von denen wir nicht wissen, ob es sie jemals geben wird. Wie das Schlimmste dennoch zu verhindern wäre, zeigt eine neue Studie.
Ist es überhaupt noch realistisch, dass wir unter 1,5 Grad Celsius Erderwärmung bleiben? Darüber streiten sich aktuell Klimabewegung und Klimapolitik. 2018 hieß es in einem
Sie modellierten zahlreiche Pfade, auf denen sich die Emissionen von Treibhausgasen so reduzieren ließen, dass die Erde sich wahrscheinlich nicht langfristig um mehr als 1,5 Grad Celsius erhitzen würde. Was die meisten dieser sogenannten Emissionspfade gemein haben: Sie gehen einerseits davon aus, dass die Wirtschaft überall weiterwächst, was das Erreichen der Ziele stark erschwert. Gleichzeitig gehen sie davon aus, dass es in Zukunft technologisch möglich sein wird, CO2 aus der Atmosphäre zurückzuholen und zu speichern. Das wiederum ist heute technisch noch nicht möglich, und ob es in Zukunft möglich sein wird, ist ungewiss.
Linda Schneider, Referentin für internationale Klimapolitik in der Heinrich-Böll-Stiftung, sieht das kritisch:
Keine dieser
Gemeinsam mit 4 Autor:innen verschiedener wissenschaftlicher Institute hat sie daher ein weiteres Szenario skizziert, das die bisherigen Emissionspfade des IPCC ergänzen soll: Das
Die Einschnitte betreffen den Globalen Norden
Doch wie genau soll das gehen? Zunächst ist wichtig zu betonen, dass die Studie zwar ein globales Szenario skizziert, die großen Einschnitte in Produktion und Konsum jedoch ausschließlich für den
Doch nun zu den konkreten Punkten, die das Szenario für uns im Globalen Norden vorschlägt. Die Studie konzentriert sich auf 3 energieintensive Bereiche: Transport, Wohnen und Ernährung. Die einzelnen Vorschläge sind erst mal nicht überraschend: weniger Individualverkehr, kleinere Wohnflächen,
In Deutschland und den anderen Ländern des Globalen Nordens müsste der Fleischkonsum laut der Studie innerhalb der nächsten 10 Jahre um 60% zurückgehen, um mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar zu sein.
Wie kommen die Autor:innen zu dem Schluss, dass dies machbar sei?
»Ernährung ist natürlich ein touchy topic«, weiß Co-Autorin Linda Schneider, also ein empfindliches Thema. »Allerdings ist das Level des Fleischkonsums momentan wirklich jenseits von gesund. Wir haben uns mit unserem Reduktionsvorschlag an den Richtlinien einer gesunden Ernährung der WHO orientiert.«
Im Societal Transformation Scenario geht es jedoch nicht nur um individuelle Verhaltensänderungen. Die Autor:innen betonen, dass diese allein nicht ausreichen würden, und schlagen deshalb in allen Bereichen politische Begleitmaßnahmen vor. Diese Maßnahmen bleiben in der Studie recht oberflächlich, es ist etwa von »Internalisierung aller externen Kosten bei der Fleischproduktion« die Rede. Das begründen die Autor:innen damit, dass die politischen Maßnahmen ihrer Meinung nach in einem inklusiven demokratischen Prozess ausdiskutiert werden müssten.
Ohne gesamtgesellschaftliche Transformation wird das nichts
Was das Fliegen betrifft, so sieht das Szenario vor, dass
»Unser Wunsch ist, dass das Szenario eine Debatte darüber anregt, wie viel mehr potenzielle Zukünfte wir haben.« – Linda Schneider, Co-Autorin
Auf den letzten 10 Seiten der Veröffentlichung skizzieren die Autor:innen noch mal ihre »Vorstellung von Morgen«, und es wird deutlich: Das Szenario ist nur umsetzbar, wenn sich die gesamte Gesellschaft auf große Veränderungen in der Art des Wirtschaftens und Zusammenlebens einlässt. Den Gedanken, dass das alles ganz schön unrealistisch sei, nehmen die Autor:innen vorweg: »Die Veränderungen, die wir annehmen, mögen in Bezug auf ihre Richtung, ihr Tempo und ihre Skalierung unrealistisch erscheinen. Doch die Katastrophe, die sich vor unser aller Augen ausbreitet, macht es umso wichtiger zu betonen, dass die von uns vorgesehenen Veränderungen technisch möglich sind – während für Szenarien, die auf die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Emissionen oder auf Technologien ›negativer Emissionen‹ setzen, bereits jetzt Unsicherheiten und Grenzen des Machbaren festgestellt wurden.«
Wer mehr über das Societal Transformation Scenario erfahren möchte, kann sich am heutigen Dienstag ab 15 Uhr
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys:
Titelbild: Daria Nepriakhina - CC0 1.0