Der Klimawandel ist ein Glücksfall für den Kapitalismus – findet dieser Mega-Investor
Blackrock ist der größte Vermögensverwalter der Welt. In einem Rundbrief fordert Geschäftsführer Larry Fink jetzt konsequenten Klimaschutz von allen, die künftig sein Geld wollen. Ein Weckruf für die Finanzbranche?
In schwierigen Zeiten gilt es, den Gürtel enger zu schnallen. Als im vergangenen Jahr die Coronapandemie über die Welt hereinbrach, war schnell klar: Das würden schwierige Zeiten werden.
Wochen, in denen die Innenstädte und Geschäfte gespenstisch leer sind und die Sorge vor überfüllten Notaufnahmen über allem schwebt, sind keine Zeit, um Wohlstandsdebatten zu führen oder idealistische Pläne für die ferne Zukunft voranzutreiben. Das Krisenmanagement verdrängte alles andere von der Prioritätenliste – wie zum Beispiel den Klimaschutz.
Auch die Börsen reagieren sensibel auf schwierige Zeiten – so auch im Februar 2020, als die Aktienmärkte innerhalb weniger Tage so stark einbrachen wie zuletzt während der Finanzkrise 2008. Doch dann geschah etwas Überraschendes: Die Kurse erholten sich nicht nur in rasantem Tempo, sodass die Börsenjournalist:innen schon im Herbst wieder neue Rekordstände für DAX, Dow Jones und NASDAQ verkünden konnten. Es waren vor allem auch die nachhaltigen Anlagen auf den Finanzmärkten, deren grüne Triebe in die Höhe schossen und alles andere überflügelten. Gerade in der Krise wetteten viele auf den Klimaschutz.
Mit Blackrock, dem größten privaten Investmentunternehmen der Welt, ist nun auch einer der wichtigsten Player an den Finanzmärkten auf die grüne Überholspur gewechselt. Das kommuniziert zumindest der Geschäftsführer von Blackrock, Larry Fink. Recherchen der Nichtregierungsorganisation Urgewald zeigen hingegen, wie tief der Konzern noch immer mit der Kohlebranche verstrickt ist – und wie weit der Weg für Blackrock zum potenziellen »Greenrock« noch ist.
Wird Blackrock jetzt grün?
Anfang Januar 2021 verschickte Larry Fink wie jedes Jahr seinen offenen
Wir rufen Unternehmen daher dazu auf, einen Plan vorzulegen, aus dem hervorgeht, wie sie ihr Geschäftsmodell an eine klimaneutrale Wirtschaft anpassen wollen – also an eine Wirtschaft, in der die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius begrenzt wird und die mit dem globalen Ziel von Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050 vereinbar ist. Wir fordern Sie auf darzulegen, wie Sie diesen Plan in Ihre langfristige Geschäftsstrategie einbinden und wie Ihr Aufsichtsrat die Einhaltung überprüfen wird.
Wenn Unternehmen künftig Geld vom größten Finanzverwalter der Welt haben möchten, sollten sie also zeitnah anfangen, darüber nachzudenken, wie das eigene Geschäft zum Klimawandel beiträgt. Und je nachdem, wie die Antwort ausfällt, einen Plan vorlegen, wie sich das ändern könnte. Bis 2050, schreibt Larry Fink, sollten die gesamten Investments von Blackrock klimaneutral sein. Wer sich nicht rechtzeitig auf den Weg dorthin mache, fliege schon deutlich früher aus dem Portfolio.
Und Geld wollen viele von Blackrock. Rund 9 Billionen US-Dollar verwaltet das Unternehmen mit Hauptsitz in New York. Mehr als doppelt so viel Geld, wie ganz Deutschland innerhalb von 2 Jahren
Katrin Ganswindt führt bei der Nichtregierungsorganisation Urgewald Kohle- sowie Divestment-Kampagnen und beobachtet Blackrock seit mehreren Jahren. Auch wenn ihr die Bekenntnisse der Investmentfirma noch nicht weit genug gehen, hält sie die Ankündigung von CEO Larry Fink für einen wichtigen nächsten Schritt: »Grundlegend gut daran ist, dass Blackrock sich genau anschauen will, wie die Klimaperformance der Unternehmen aussieht, in die sie investieren. Was mir zu wenig ist: Es wird nicht gesagt, wie genau die Performance bewertet wird.«
Die Klimaperformance eines Unternehmens zu messen ist keine ganz einfache Sache. Im Idealfall gibt es einen möglichst konkreten Bewertungsrahmen, woran sich alle Unternehmen messen lassen müssen, sodass die Ergebnisse vergleichbar und für Außenstehende einsehbar sind. Welcher Rahmen das bei Blackrock sein soll? »Sie nennen einige Initiativen, die solche Bewertungsrahmen vorgeben, sagen aber nicht, welchen sie konkret nutzen. Es ist alles noch sehr allgemein gehalten und deshalb unklar, ob sich das später alles überprüfen lässt«, so Ganswindt. Aber interessiert das überhaupt jemanden?
Warum grüne Geldanlagen immer attraktiver werden
Mit dem Bekenntnis zum Klimaschutz folgt Blackrock einem Trend: Die Nachfrage nach nachhaltigen Geldanlagen ist im Pandemiejahr 2020 entgegen vieler Erwartungen explodiert. Während Erdöl zwischenzeitlich so wenige Abnehmer:innen fand, dass die
Im Zeitraum Januar–November 2020 investierten Anleger:innen weltweit fast doppelt so viel in nachhaltige Fonds und ETFs wie im Vorjahr, schreibt Blackrock-CEO Larry Fink in seinem offenen Brief; insgesamt rund
Die Ursachen dafür, dass das Kapital zunehmend sensibel wird für Klimabilanzen und CO2-Emissionen, sind vielfältig. Immer mehr Vermögen wird in die Hände einer jüngeren Generation vererbt, für die Nachhaltigkeit wichtiger ist als für ihre Eltern und Großeltern. Gleichzeitig üben Organisationen wie Urgewald Druck auf die Unternehmen aus.
Doch letztlich sind es vor allem diese Argumente, die auch innerhalb der Logik der Finanzmärkte greifen,
- Rendite: Im Coronajahr 2020 haben die nachhaltigen Varianten der größten Finanzprodukte fast alle
- Risiko: Unternehmen, die wenig nachhaltig wirtschafteten, seien anfälliger für Risiken wie Naturkatastrophen, aber auch künftige politische Regulierungen, die dem Klimaschutz dienen sollen. Darin zu investieren ist folglich riskanter – und weniger attraktiv.
- Investor:innen-Wanderung: Sturm und Drang vieler Investor:innen zu nachhaltigen Geldanlagen macht es für klimafreundliche Unternehmen deutlich einfacher, an Geld zu kommen, wodurch immer mehr Unternehmen einen Anreiz haben, selbst nachhaltigere Praktiken zu übernehmen.
»Es ist super, wenn der Anteil der grünen Geldanlagen wächst«, sagt Katrin Ganswindt von Urgewald. »Aber dem Klima bringt es nur etwas, wenn es einhergeht mit einer Reduktion auf der anderen Seite. Es ist nichts gewonnen, wenn Blackrock grüne Fonds auflegt, sie sich aber nicht in gleichem Maße aus den fossilen Unternehmen zurückziehen. Man nimmt auch nicht ab, indem man Salat zu den Spaghetti hinzufügt, sondern erst, wenn man die Spaghetti weglässt.«
Was Blackrock tun kann, wenn Unternehmen nicht mitziehen
Bis vor Kurzem war es für Unternehmen wie Blackrock nicht üblich, überhaupt »politische« Regeln aufzustellen. Deshalb empfindet es Katrin Ganswindt bereits als Fortschritt, dass Blackrock neuerdings überhaupt anerkennt, dass das Unternehmen sowohl eine gewaltige Macht als auch eine große Verantwortung hat.
»Ich bin sehr optimistisch, was die Zukunft des Kapitalismus und der Wirtschaft anbelangt – nicht trotz der Energiewende, sondern gerade wegen ihr.« – Blackrock-CEO Larry Fink
Im Prinzip hat Blackrock 2 Möglichkeiten, diese Macht konkret auszuspielen: Die erste Möglichkeit ist das Stimmrecht, das Blackrock als Anteilseigner und Aktionär der größten Unternehmen der Welt ausüben kann. Blackrock kann bei Personal- und Strategieentscheidungen mitmischen und so natürlich auch das Stimmverhalten anderer Teilhaber:innen beeinflussen.
Konkret kann das zum Beispiel so aussehen:
Das Stimmverhalten von Blackrock habe lange zu wünschen übriggelassen, sagt Katrin Ganswindt, sich in letzter Zeit aber gebessert. Im vergangenen Jahr habe Blackrock aufgrund von mangelndem Engagement im Klimaschutz in 69 Fällen gegen Pläne der Unternehmen und in 64 Fällen gegen Personal gestimmt, während 191 Unternehmen auf einer »Watchlist« gelandet seien, also kritisch beobachtet würden,
Die andere Möglichkeit und Ultima Ratio ist es, die Anteile der Unternehmen zu verkaufen. Den Unternehmen ginge dadurch viel Kapital verloren, die Kurse könnten wackeln, andere Investor:innen könnten folgen. Eine Situation, die ein Aktienunternehmen mit Sicherheit vermeiden möchte.
Hier kommt jedoch eine Besonderheit ins Spiel: Während Blackrock Unternehmen aus normalen, aktiv gemanagten Fonds im Prinzip einfach streichen und die Anteile verkaufen kann, liegt die Sache bei passiv gemanagten Fonds, den ETFs, anders. Diese Aktienkörbe werden nicht von Manager:innen aus Fleisch und Blut bestückt, sondern von Algorithmen. Beispiel DAX: Er bildet automatisch die 30 größten deutschen Unternehmen ab, daran kann Blackrock nichts ändern. Einen Klimasünder wie RWE könnte Blackrock aus einem herkömmlichen DAX-ETF also nicht streichen.
Vor einem Divestment, also dem Verkauf »schmutziger« Aktien, steht in der Regel das sogenannte »Engagement« – ein langfristiger Dialog zwischen Investmentfirma und Unternehmen, das zu einem besseren Klimagebaren des Unternehmens führen soll. »Am Ende des Engagements muss aber immer die Divestmentdrohung stehen«, sagt Katrin Ganswindt, »denn wenn ein Unternehmen trotz Gesprächen einfach noch 30 Jahre weitermachen kann wie bisher, hat das Engagement einfach nicht Hand und Fuß. Unternehmen wie Blackrock müssen sagen: Wir fordern einen klaren Weg ein. Nach einem Jahr muss es einen klaren Klimaschutzplan geben, den wir evaluieren können.«
Die Schritte, die Blackrock nun gehe, könnten außerdem dazu führen, dass auch die Politik strengere Regeln für Finanzunternehmen im Klimaschutz auferlegt, so die Hoffnung. »Regierungen trauen sich oft erst etwas zu tun, wenn sie sehen, dass der Widerstand in der Wirtschaft nicht riesig ist«, sagt Katrin Ganswindt.
Die Finanzindustrie sei wie eine Schafherde. »Die schauen immer, was ihre Mitstreiter machen, wollen nicht allein dastehen und zum Außenseiter werden. Und es gibt immer Leitschafe, denen gefolgt wird. Also ist für uns die Frage: Wo findet man ein Leitschaf, dem die anderen folgen, das aber auch gut bewegt werden kann?«
Auch wenn bei Blackrock noch nicht alles nachhaltig ist, was grün glänzt – das schwarze Schaf der Finanzbranche ist das Unternehmen nicht mehr. Und vielleicht ziehen die anderen Schafe bald mit.
Dieser Artikel ist Teil des journalistischen Projekts »Tu, was du für richtig hältst!«, das dir helfen soll, dein Verhalten mit deinen Idealen in Einklang zu bringen. Um mehr darüber zu erfahren und herauszufinden, wie groß die Lücke zwischen deinen Idealen und deinem Verhalten ist, klicke hier! Das Projekt erfolgt in Kooperation mit dem Wuppertal Institut (WI) und wird gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily