Warum die Superreichen nichts für dich übrig haben
Die Wohlhabendsten entlasten, damit die Wirtschaft floriert? So lautete lange Zeit das Versprechen der neoliberalen Wirtschaftspolitik – auch hier in Deutschland. Doch eine neue Studie zeigt, dass Theorie und Praxis so weit auseinanderliegen wie die Kluft zwischen Arm und Reich.
Wer Ende April dieses Jahres der Rede von US-Präsident Joe Biden vor dem Kongress lauschte, konnte Zeug:in einer historischen Kehrtwende der US-amerikanischen Wirtschaftspolitik in diesem Jahrhundert werden. Angesichts der Folgen der Coronakrise für die Menschen seines Landes sagte Biden:
Die Pandemie hat alles noch schlimmer gemacht: 20 Millionen Menschen aus der Mittelschicht haben ihre Jobs verloren. In exakt demselben Zeitraum haben 650 Milliardäre ihr Vermögen um mehr als eine Billion Dollar gesteigert. […] Trickle-down-Ökonomie hat noch nie funktioniert – und nun ist es an der Zeit, die Wirtschaft von unten und aus der Mitte heraus wachsen zu lassen.
Hier kannst du den Ausschnitt seiner Rede im Original sehen.
Dass die Superreichen überall auf der Welt noch viel reicher geworden sind, als sie es zuvor schon waren, während Milliarden von Menschen unter den Folgen der Pandemie leiden, ist inzwischen keine Neuigkeit mehr. Auch bei uns in Deutschland ergibt sich dieses Bild,
- Beate Heister und Karl Albrecht junior (ALDI Süd): + 5,0 Milliarden Euro
- Dieter Schwarz (LIDL): + 14,4 Milliarden Euro
- Klaus-Michel Kühne (Kühne+Nagel): + 13,3 Milliarden Euro
- Susanne Klatten (BMW): + 10,2 Milliarden Euro
- Stefan Quandt (BMW): + 9,2 Milliarden Euro
- Theo Albrecht junior und Familie (ALDI Nord): + 1,5 Milliarden Euro
- Reinhold Würth und Familie (Würth): + 4,4 Milliarden Euro
Neu ist, dass ausgerechnet der Präsident der USA, dem Land mit den meisten Milliardär:innen weltweit, zugibt, dass eines der größten Versprechen der Besitzenden gegenüber den »kleinen Leuten« ein Mythos ist: Das Versprechen, dass Reichtum immer nach unten durchsickere, es also gut für alle sei, wenn deren Vermögen weiter wachsen würden.
Anhand eines einfachen Beispiels lässt sich in wenigen Minuten lernen, was es mit dieser sogenannten »Trickle-down economics« auf sich hat – und warum das Ganze ein extrem kostspieliger Holzweg ist.
Warum Superreiche schlechte Partys schmeißen
Die Idee hinter dem
Stellen wir uns nun vor, wir würden Champagner aus einer vollen Flasche in das oberste Glas schütten – was wird geschehen? Richtig: Es wird irgendwann überlaufen und sich in die darunter liegenden Gläser ergießen. Sind diese voll, geht es wieder eine Etage tiefer und so weiter und so fort, bis alle Gläser reichlich gefüllt sind und sich jeder Partygast ein Gläschen genehmigen kann.
Auf dieser Denkweise basierte die in erster Linie von Republikaner:innen propagierte US-Wirtschaftspolitik in den vergangen 4 Jahrzehnten: Superreiche und Großkonzerne entlasten, um Wirtschaftswachstum anzukurbeln und Jobs zu schaffen. Schampus für alle!
Die Idee dahinter ist, dass Wohlhabende ihre Vermögenszuwächse in Unternehmen reinvestieren und auch privat durch ihren Reichtum und Konsum auf lange Sicht viele Arbeitsplätze schaffen würden.
Es gibt nur ein Problem: Das oberste Glas läuft nicht über, sondern wird einfach immer größer – und der Rest der Party guckt in die Röhre.
Die Wissenschaftler:innen analysierten im Rahmen ihrer Studie umfangreiche Steuersenkungen für Reiche in 18 Ländern, darunter die USA, Japan und Norwegen, in einem Zeitraum von 50 Jahren (1965–2015). Ihre Ergebnisse lassen die Champagnerpyramide endgültig in sich zusammenstürzen. Die Studienautoren David Hope und Julian Limberg stellen klar:
Unsere Analyse findet starke Beweise dafür, dass Steuersenkungen für Reiche die Einkommensungleichheit erhöhen, aber keinen Effekt auf Wachstum oder Arbeitslosigkeit haben.
Die Ergebnisse ihrer Studie bieten wichtige Argumente für die aktuellen Debatten über die wirtschaftlichen Folgen der Besteuerung von Superreichen. Sie belegt, dass Steuersenkungen in den oberen Einkommensklassen zwar für einen höheren Anteil an Spitzeneinkommen sorgt, die versprochene Steigerung der Wirtschaftsleistung, die allen Bürger:innen zugutekommen soll, aber nichts anderes als ein Wolkenschloss ist.
Wie der Trickle-down-Mythos auch Deutschland Milliarden kostet
Auch in Deutschland sind die politischen Entscheider:innen auf den Trickle-down-Mythos hereingefallen – mit ungeahnten Folgen, die bis heute nachwirken. Im Jahr 2000 kam es unter der rot-grünen Regierung Gerhard Schröders (SPD) zu den umfangreichsten Steuersenkungen der Nachkriegszeit, in Zuge derer der Spitzensteuersatz sowie Gewinnsteuern für Unternehmen deutlich gesenkt wurden. Dies sorgte innerhalb kürzester Zeit für massive Steuerausfälle,
In meinen Daily von letzter Woche schreibe ich über die extrem ungerechte Schieflage im deutschen Steuersystem.
Du willst tiefer ins Thema einsteigen und erfahren, wie die Vermögensteuer abgeschafft und dafür die Mehrwertsteuer für uns alle erhöht wurde?
Hier findest du das andere aktuelle Daily:
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily