Statussymbole: Was sie über uns und die Gesellschaft verraten
Die Rolex am Handgelenk, ein Sportwagen, aber auch viel Freizeit oder ein großer Freundeskreis können Statussymbole sein. Darum brauchen wir sie.
Spielen Statussymbole in deinem Leben eine Rolle?
Viele Menschen antworten auf diese Frage intuitiv mit »Nein«. Doch wenn auch nicht bewusst – unbewusst besitzen, nutzen oder streben wir alle auf die ein oder andere Art und Weise
Statussymbole – ein Spiegel der Gesellschaft
Innerhalb der letzten Jahrzehnte hat sich in Bezug auf Statussymbole vieles verändert: technische Fortschritte wie soziale Medien und Smartphones, der voranschreitende Klimawandel, ein zunehmendes Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit und nicht zuletzt die Coronakrise. All diese Ereignisse wandelten unsere Gesellschaft und somit auch die Statussymbole. Denn Statussymbole sind ein Spiegel der Zeit. Sie zeigen an, mit welchen Themen sich eine Gesellschaft gegenwärtig befasst, und werden im gesellschaftlichen Diskurs immer wieder neu abgesteckt. Besonders deutlich wird das am Vergleich dieser Sparkassen-Werbung aus dem Jahr 1995: 2 Männer vergleichen in einem Café ihren Status. Der eine zückt unvermittelt Fotos aus dem Jackett und präsentiert dem anderen:
26 Jahre später, im Februar 2021, versucht die Sparkasse dagegen ganz anders die Herzen (und Geldbeutel) der Kund:innen zu gewinnen: Im Werbevideo werden Menschen verschiedenster Altersklasse, Herkunft und mit verschiedensten Interessen gezeigt. Jede:r gibt an, was ihm oder ihr beim Thema Finanzen am Herzen liegt: »Es geht um mehr Platz, […] ums Klima, […] um die Kunst, […] ihre neue Waschmaschine, […] um etwas, was ein Leben lang hält!« Schließlich blendet sich der neue Slogan der Sparkasse ein:
An der Darstellung wird deutlich, dass bislang allgemeingültige Statussymbole wie das Eigenheim, das Automobil oder eben doch ein Boot augenscheinlich an Bedeutung verloren haben. Aber sind die aufgeführten Interessen wie
Was Statussymbole ausmachen
Die Definition des Begriffs ist auf den ersten Blick simpel: Ein Statussymbol ist »ein sichtbares, externales Symbol der sozialen Position, ein Indikator des ökonomischen oder sozialen Status«, schreibt David Cherrington, Professor für Unternehmungsführung an der Brigham Young University, USA,
Der Begriff »Haben«, also das Besitzen von materiellen Gütern wie »Mein Haus, mein Auto, mein Boot«, wird häufig mit Statussymbolen in Verbindung gebracht und steht für das Kapital einer Person. Kapital kann aber mehr als materielle Besitztümer sein. Beispielsweise lassen sich Werte wie
Hierzu ist ein Ansatz des Sozialwissenschaftlers
- Ökonomisches Kapital meint Eigentum und Geld.
- Soziales Kapital umfasst soziale Beziehungen.
- Kulturelles Kapital spiegelt Wissen, Bildung, Werte und Einstellungen wider.
Alle 3 zusammen bestimmen die Platzierung eines Individuums im sozialen Raum. Bourdieu differenzierte dabei in der französischen Klassengesellschaft des 20. Jahrhunderts zwischen Ober-, Mittel- und Unterschicht. Heute, im 21. Jahrhundert, ist die Differenzierung dieser 3 sozialen Schichten nicht mehr zeitgemäß, sie sind komplexer. Anstatt aber über die eigene soziale Schichtzugehörigkeit zu grübeln, lohnt vielmehr ein Blick in das soziale Umfeld, die eigene »Bubble«.
Darum solltest du einen Blick in deine Bubble werfen
Die Menschen, mit denen wir uns umgeben, sind entscheidend, wenn es um unsere Statussymbole geht. Sie sind nämlich unser Referenzwert, die Vergleichsgruppe. Nehmen wir das Beispiel einer Schulklasse: Einige Schüler:innen werden dem sozialen Kapital »Beliebtheit« wahrscheinlich eine höhere Bedeutung zumessen als dem kulturellen Kapital »gute Noten«.
Als wichtigeres kulturelles Kapital könnte bei Schüler:innen beispielsweise eine Spotify-Playlist gelten, die von den Peers gemocht wird. Hier spielt die Bewertung ihres Habitus, also die typischen Gewohnheiten, Einstellungen und Gegenstände ihrer sozialen Gruppe, eine bedeutende Rolle. Die richtige Mischung in der Spotify-Playlist beweist eine gewisse Musikkenntnis von dem, was als »in« gilt – und sichert die Anerkennung der Gruppe. Der richtige Geschmack
Statussymbole anderer sozialer Gruppen erfüllen für die Schüler:innen hingegen keine Funktion. In der sozialen Gruppe ihrer Elterngeneration ist es beispielsweise wahrscheinlicher, dass das Eigenheim, die berufliche Stellung, ein teures Auto und finanzielle Rücklagen eine höhere Wertschätzung genießen.
Was gilt in deiner Bubble als »in«?
Verändert sich der Habitus einer sozialen Gruppe, verändern sich auch Statussymbole. Wenn die Schulklasse zunehmend weniger die Onlineplattform Facebook nutzt, wird die Anzahl an Kontakten auf dieser Plattform unbedeutend. Findet die App Tiktok stärkeren Anklang unter den Schüler:innen, werden sie sich um mehr Follower:innen auf dieser digitalen Plattform bemühen, um ihren Status auszudrücken.
Warum wir Statussymbole nutzen
Aber wieso lassen sich Menschen überhaupt darauf ein, sich aufgrund ihres Status bewerten zu lassen, und bewerten andere danach? Hierzu ist eine Definition des sozialen Status relevant. Nach dem Kulturanthropologen
- den zugeschriebenen Charakteristiken, wie beispielsweise der Herkunft oder dem Geschlecht,
- und den erworbenen Charakteristiken, wie einem Bildungsabschluss oder einem Dienstwagen.
Dabei ist die zweite Komponente laut Linton der ausschlaggebende Grund, weswegen sich Menschen bereitwillig in Hierarchien unterordnen: Um Anerkennung für Leistung zu erfahren und hierdurch Status zu erwerben, ist eine Rangordnung nun mal zwingend erforderlich. Schließlich würde wahrscheinlich auch niemand die Fußball-Europameisterschaft verfolgen, wenn stattdessen einfach Freundschaftsspiele mit Amateur:innen stattfänden.
Anerkennung ist eines der Kernbedürfnisse des Menschen. Seit Jahrzehnten setzen sich Forschungsarbeiten in der Motivationspsychologie damit auseinander und untersuchen, was Menschen in ihrem Handeln antreibt. Die Motive »Anschluss an andere« und »Anerkennung von Leistung« finden sich bei allen Aufzählungen der bekanntesten Wissenschaftler:innen der Motivationspsychologie wieder. Der Mensch ist eben ein soziales Wesen. Wir alle bedienen uns für sozialen Anschluss und Anerkennung bewusst oder unbewusst der Statussymbole – eine Welt ohne sie ist nicht möglich. Dabei erzielen Statussymbole über verschiedene Wirkmechanismen ihren gewünschten Effekt.
Wie Statussymbole wirken
Wir Menschen wollen zu einer Gruppe gehören. Gleichzeitig wollen wir uns durch diese auserwählte Gruppe und in der Gruppe bewusst von anderen abgrenzen, individuell sein. Das tun wir unter anderem dadurch, dass wir uns kulturelles Kapital aneignen, also Wissen und Bildung. Der Sozialwissenschaftler Pierre Bourdieu nannte das Phänomen »Distinktion«. Wer über Ressourcen – wie etwa Geld, Zeit und Gesundheit – im Überfluss verfügt, kann diese in erlesene Güter oder den Lebensstil investieren, um »Geschmack« zu signalisieren.
Ein Beispiel ist die Tischetikette: Zwar wissen die meisten Menschen mit Messer und Gabel umzugehen, doch nicht jede:r weiß, dass die äußere kleine Gabel auf der linken Seite im Gedeck eines gehobenen Restaurants für den Salat gedacht ist, die innere hingegen für das Dessert. Oder dass eine 5-Uhr-Stellung des Bestecks auf dem Teller signalisieren soll, dass man fertig gegessen hat. Für dieses kulturelle Kapital sind Ressourcen notwendig: seien es zeitliche (Recherchieren), monetäre (regelmäßiger Besuch entsprechender Lokale) oder soziale (von der Familie oder Freund:innen gelernt). Wer sich mühelos nach Knigge verhält, zeigt Personal und Tischnachbar:innen wortwörtlich »Klasse« – wenn diese ebenfalls darüber verfügen. Unwissenden Tischnachbar:innen, die nicht über das entsprechende kulturelle Kapital verfügen, entgeht dieses Signal.
Statussymbole helfen Menschen, Gleichgesinnte zu erkennen
Genauso sieht es mit vielen anderen Dingen aus – dem Tragen von nachhaltigen Klamottenmarken oder dem Kauf von Bio-Lebensmitteln. Nur wer über entsprechendes kulturelles Kapital verfügt, erkennt den feinen Unterschied und somit das Statussymbol. Sie helfen Menschen insgeheim, untereinander zu kommunizieren und Gleichgesinnte zu erkennen.
Der Konsum von diesen feinsinnigen und versteckten Statussymbolen hat in den letzten Jahren zugenommen. Er wird auch als
Ergänzend zum Trend des Stealth Luxury kommt hinzu, dass ehemalige Luxusgüter wie teure Autos und Prunkschmuck zunehmend negativ wahrgenommen werden. Für viele wirken sie prahlerisch und angesichts des wachsenden Nachhaltigkeitsbewusstseins in der Gesellschaft verschwenderisch und egoistisch. Diese negativen Gefühle gegenüber Luxuskonsum gehen sogar so weit, dass sie dem Träger oder der Trägerin schaden können. In München fanden beispielsweise einige
Der Trend des versteckten Luxuskonsums und die eventuellen negativen Folgen bei demonstrativem Konsum erwecken den Eindruck, dass der sogenannte Geltungskonsum
Die Studie offenbart eine weitere Eigenschaft von Statussymbolen. Wird ein Gut verfügbarer, verliert es zunehmend seine Bedeutung als Statussymbol. Etwas, was beispielsweise in der Modebranche als
Zusammenfassend lassen sich für Statussymbole folgende Eigenschaften feststellen:
Wie ist der Status quo der Statussymbole?
Die Eigenschaften, die Statussymbole ausmachen, verändern sich ständig mit der Gesellschaft. Ein Ereignis, das unsere Gesellschaft grundlegend verändert hat, ist die immer noch anhaltende Coronapandemie. Durch Social Distancing und Homeoffice konnten viele Statussymbole nicht mehr so einfach ihre Funktion erfüllen. Um den Stand während der Pandemie und somit auch den Wandel von Statussymbolen aufzuzeigen, befragten wir insgesamt 150 Menschen inmitten des Lockdowns 2021 mithilfe eines
Hier ein Einblick in die
Platz 1 belegte für die Befragten der Immobilienbesitz (eigenes Haus oder Wohnung).
Das sagt die Wissenschaft dazu:
Forscher:innen der Universität Hohenheim fanden im Jahr 2016 heraus, dass
Platz 2 wurde von exklusiven Reisen belegt.
Das sagt die Wissenschaft dazu:
In einer Studie mit mehr als 1.000 Teilnehmenden kamen Wissenschaftler:innen zu dem Ergebnis, dass das Zurschaustellen von Reiseerfahrungen in den sozialen Medien die
Vor allem in Zeiten des Lockdowns mag sich der eine oder die andere schönere und größere 4 Wände gewünscht haben. Es ist daher auch verständlich, dass die Wohnungsausstattung Platz 3 der wichtigsten Statussymbole belegte.
Der Bildungsgrad oder ein akademischer Titel (Platz 4) ist für die Gesamtheit der Gesellschaft ein Indikator des kulturellen Kapitals – denn jede:r weiß, dass ein Doktortitel einen höheren Bildungsgrad bedeutet als etwa ein Realschulabschluss. Ähnlich verhält es sich mit Preisverleihungen und Awards – welche Platz 8 belegten.
Als eher »klassisches« Statussymbol gilt nach wie vor ein teures Auto. Dies wurde von den Befragten als gleichermaßen bedeutend wie die Ausbildung eingeschätzt und belegte Platz 4. Weitere materielle Statussymbole aus der Liste sind Schmuck (Platz 5), Markenkleidung (Platz 7) und teure technische Geräte (Platz 10).
Ähnlich wie bei den Reisen lassen sich die Platzierung von teuren Freizeitaktivitäten (Platz 6) und ressourcenintensiven Hobbys (Platz 9) erklären.
Das sagt die Forschung dazu:
Studien fanden einerseits heraus, dass der Erwerb von immateriellen Gütern, wie etwa der Kauf eines Tickets für ein Musical, Konsument:innen
Wie die Pandemie Statussymbole verändert hat
Neben den Einschätzungen über die Bedeutung verschiedenster Statussymbole konnten die Befragten noch weitere Statussymbole ergänzen, die sie in der Liste vermissten. So beschrieben die Befragten als statusrelevante Faktoren Reisefreiheit trotz Lockdown, die Option des Arbeitens im Homeoffice, ein Eigenheim im Grünen oder aber die Möglichkeit, zu einem frühen Zeitpunkt eine COVID-Impfung zu bekommen.
All diese Aspekte wurden zu Statussymbolen, weil sie im Frühjahr 2021 ein knappes Gut waren. Sie verdeutlichen auch die Schnelllebigkeit von Statussymbolen als Ausdruck des »Habens, was andere nicht haben können«.
Was dieses Beispiel verdeutlicht: Statussymbole sind im Wandel. Wie eingangs beschrieben, sind sie ein Spiegel unserer Zeit. Sie spiegeln den gesellschaftlichen Diskurs wider und zeigen auf, was uns als Gesellschaft bewegt. So lässt sich bereits jetzt prognostizieren, dass das Thema Nachhaltigkeit Statussymbole der Zukunft stark beeinflussen wird.
Noch nie hatte der Mensch Zugang zu so viel Wissen
Ein allumfassender Blick in die Glaskugel der Statussymbole ist allerdings nicht möglich. Dazu hängen Statussymbole zu sehr vom individuellen sozialen Umfeld ab. Und jenes kann heutzutage teilweise selbst gewählt werden: Noch nie in der Geschichte hatte der Mensch Zugang zu so viel Wissen. Informationen sind häufig nur einen Mausklick entfernt und ermöglichen es, eigene Interessen zu entdecken und Gleichgesinnte zu finden.
Wer über ausreichend Ressourcen wie Geld und Zeit verfügt, kann hierdurch in gewisser Weise auch den eigenen Habitus wählen: Zu welcher sozialen Gruppe möchte ich gehören? Welche ökonomischen, kulturellen und sozialen Kapitale sind daher für mich von Bedeutung? Welche möchte ich mit meinem sozialen Umfeld teilen? Statussymbole gehen weit über den Besitz von materiellen Gütern hinaus: Sie sind heute mehr denn je Ausdruck unserer ganz individuellen Wünsche und Ideale für unser Leben.
Redaktionelle Bearbeitung: Désiree Schneider
Korrektur: In einer vorherigen Version des Textes stand, dass 16 Jahre zwischen den zu Beginn genannten Werbevideos liegen. Dabei sind es 26 Jahre. Danke für den Hinweis.
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily