Unsere Zukunft mit KI? 5 Lektionen, wodurch wir schon jetzt wissen, wohin es geht
Dieses Jahr wurden viele Nachrichten über »schlaue Maschinen« veröffentlicht. Menschen sind erstaunt und verunsichert, wohin die Reise geht. Eine wahrscheinliche Prognose.
Die Welt ist fasziniert von einer neuen, revolutionären Technik. Der Technologiesprung ist so deutlich wie zuletzt bei der Erfindung des Internets. Selbst Menschen, die nur wenig am Computerbildschirm kleben, spüren es. Der einflussreiche US-amerikanische Journalist, Autor und 3-fache
Friedman nennt die jetzige Zeit das
Nein, das Jahr ist 2007.
Damals, als das Smartphone unseren Medienkonsum völlig umkrempelte, titelten Nachrichten mit ähnlichen Überschriften, war der Hype ähnlich groß und waren manche Experten tief besorgt. Aus dem damaligen Umbruch können wir viel für unsere eigene Gegenwart und Zukunft mit Anwendungen künstlicher Intelligenz lernen – der nächsten Disruptiven Technologie, die gerade Fahrt aufnimmt.
Was uns die Smartphone-Revolution über unsere nahe Zukunft verrät
Bleiben wir kurz noch im Jahr 2007 und skizzieren die damalige Situation: Während die Mehrwertsteuer in Deutschland von 16% auf 19% klettert,
Heute besitzen rund 3,9 Milliarden Menschen einen Mini-Computer in der Hosentasche. Die Smartphone-Revolution hat sich durchgesetzt und unsere Realität entgegen all denjenigen, die skeptisch waren, tief geprägt. Wie tief? Einige grobe Schätzungen aus den USA lassen das erahnen. Während US-Bürger:innen mit Mobiltelefon 2007 noch durchschnittlich rund 220 Textnachrichten sendeten –
»Hin und wieder kommt ein revolutionäres Produkt auf den Markt, das alles verändert.« – Steve Jobs, 2007
Das iPhone machte damals eine neue Technik – das Smartphone – in kürzester Zeit weltweit bekannt und akzeptiert. Das veränderte nachhaltig die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren oder Informationen austauschen. Die Parallelen zur aktuellen Situation mit den Anwendungen künstlicher Intelligenz und ChatGPT und Co. liegen auf der Hand. Auch heute spüren viele Menschen, wie sich der Boden unter unseren Füßen bewegt. Von
Doch man muss nicht zur Science-Fiction greifen, um die nahe Zukunft zu erahnen. Denn der letzte technologische Umbruch, das Jahr 2007, hat einige Lektionen für unsere eigene Zukunft parat. Hier sind die 5 wichtigsten:
- KI-Anwendungen werden sich durchsetzen: Das iPhone feierte einen Riesenerfolg, weil es für viele Menschen
Lektion 1: Wette nicht darauf, dass KI-Anwendungen wieder verschwinden werden. Bald werden sie überall sein, und ChatGPT ist nur der Anfang. - Auch Expert:innen können sich irren: 2007 sah man die Ausmaße nicht, die das iPhone anstieß – nicht einmal der Erfinder selbst. Steve Jobs, der Vater des iPhones, sah sein Produkt anders als wir heute. Internetzugang war für ihn nachrangig, Apps misstraute er. Vielmehr stellte er sich einen eher minimalistischen »iPod mit Anruffunktion« vor –
Lektion 2: Behandle Aussagen von KI-Expert:innen über die Zukunft mit Vorsicht, auch wenn sie Unternehmen führen – von Elon Musk bis Sam Altman. - Disruption heißt Veränderung: Das iPhone war eine sogenannte »Disruptive Technologie«, also eine Innovation, die bisherige Produkte ganz vom Markt verdrängen kann. So wie wir heute Flip-Phones in Haushaltsauflösungen oder auf Dachböden suchen müssen, könnte es in Zukunft auch einigen Dingen gehen, die heute selbstverständlich sind. Das sagt niemand Geringeres als Multimilliardär Bill Gates, der sogar daran glaubt,
Lektion 3: Manches, was für dich gerade selbstverständlich und vertraut ist, wird sich durch KI-Anwendungen sehr wahrscheinlich ändern. Hier heißt es: flexibel bleiben. - Risiken und Nachteile werden erst später klar: Erreichbarkeitsdruck,
Lektion 4: Überprüfe den eigenen Umgang mit neuen Technologien besonders kritisch – vieles ist noch unbekannt. - Ein neuer Standard: Die Erfahrung mit dem Smartphone zeigt aber auch: Neue Technik wird schnell intuitiv erlernt und genutzt werden. Neue Generationen wachsen selbstverständlich damit auf. Spezialwissen ist bald in Guides, auf Blogs und in Onlinevideos verfügbar und für alle zugänglich. Irgendwann wird die neue Technik zur Normalität für alle. Doch bis dahin dürften es noch Jahre, vielleicht Jahrzehnte sein. Der Vergleich mit der Situation 2007 macht klar, zu welchem Zeitpunkt wir uns in dieser Entwicklung befinden: der sogenannten »Early Adopter«-Phase. Der Begriff ist geprägt von der
Lektion 5: Niemand muss sofort Expert:in für KI-Anwendungen werden. Doch wer sich jetzt schon damit beschäftigt und den Überblick behält, hat anderen gegenüber Vorteile und später keine sozialen Nachteile.
Stelle dir nur mal vor, heute würde jemand beim Vorstellungsgespräch zugeben müssen, kein Smartphone zu nutzen oder bedienen zu können. Wärst du nicht verwundert?
Das Ziel des KI-Wettlaufs: An welche KI-Zukunft Bill Gates glaubt
Bill Gates beschäftigt sich gerade intensiv mit KI-Anwendungen. Kein Wunder, hat der superreiche Unternehmer und Mitgründer von Microsoft doch erst im März dieses Jahres in einem offenen Brief
Nun legt er bei einer Rede im Rahmen eines Finanzevents zum Thema KI etwas konkreter und kritischer nach. So glaubt er an die zeitnahe Entwicklung eines sogenannten »mächtigen Assistenzmodells«, einer KI-Anwendung, die wie eine Art persönlicher Lebenscoach in vielen Bereichen funktioniert. So etwa könnte das aussehen:
- Keine Zeit, ein Buch zu lesen? Kein Problem,
- Der Kühlschrank ist leer? Kein Ding, der Assistent erstellt eine Einkaufsliste auf Basis deiner Gewohnheiten und Vorlieben.
- Du tust etwas gegen deine Grundsätze? Dein Assistent ermahnt dich und hilft dir, deine Gedanken zu sortieren, indem er das Szenario mit dir diskutiert.
Dabei lernt das System ständig dazu und passt sich an die individuellen Bedürfnisse und Gewohnheiten des Menschen an. Es wird zu »deinem« ganz eigenen Assistenten, genau so, wie du dein Smartphone personalisiert hast – nur eben ganz von allein.
Egal wie man zu einer solchen Lebenshilfe stehen mag, Bill Gates geht es vor allem um die Verwerfungen im Technologiesektor. Denn welches Unternehmen auch immer so einen Assistenten funktionsfähig bekommt, könnte zum nächsten Tech-Superkonzern aufsteigen und enorm viel Geld und Macht anhäufen. Damit schreibt Gates auch das Ziel der derzeitigen KI-Entwickler:innen aus, quasi den Hauptgewinn der neuen Technik.
Die Chancen für Bill Gates’ Zukunftsvision stehen gar nicht schlecht. ChatGPT kann bereits heute Bücher zusammenfassen, automatische Kühlschränke und Verkaufsautomaten an öffentlichen Orten verwalten schon heute ihre Inhalte weitgehend selbstständig. Die Herausforderung ist, unterschiedliche Anwendungsbereiche von KI zu einer großen Anwendung zusammenzufassen – zumindest wenn die EU dem Ganzen in Europa nicht einen Riegel vorschiebt. Denn aktuell arbeitet Brüssel an einer Verordnung zu künstlicher Intelligenz. Dort sieht man KI-Anwendungen kritisch. Italien war im März mit einem Verbot von ChatGPT vorgeprescht – aus Datenschutzgründen und wegen des Jugendschutzes. Auch aus Spanien und Frankreich kommen Bedenken gegenüber ChatGPT und Co. Das gab es selbst beim iPhone damals nicht.
Das Ziel sind EU-weit geltende Regelungen zum Umgang mit künstlicher Intelligenz und KI-Software in selbstfahrenden Fahrzeugen, der Medizintechnik oder etwa bei Überwachungstechnik. Dafür sollen KI-Anwendungen eigene Risikoklassen erhalten – von harmlos bis nicht akzeptabel. Was genau unter welche Kategorie fällt und wo eine von Bill Gates vorgedachte Assistenz landen würde – das weiß bisher niemand. Denn die Mühlen der EU mahlen langsam und die Diskussion im EU-Parlament wird von den Weiterentwicklungen der Technik derzeit regelrecht überrollt, wie auch Europaabgeordneter
»Wir müssen jetzt klug reagieren und künstliche Intelligenz vernünftig regulieren, bevor es dafür zu spät ist. Das darf nicht wieder Jahre dauern.« – Digitalminister Volker Wissing (FDP) zur Bild am Sonntag
Wie beim iPhone dürfte also die Techbranche noch eine Weile den Ton angeben und durch immer neue KI-Anwendungen Trends schaffen. Länder wie China sind bereits sehr interessiert und offen für KI-Anwendungen,
Ausblick in die ferne Zukunft: das wahre Potenzial von KI
Wie schnell die Technik voranschreitet, verdeutlicht vor allem eine Nachricht aus dem Mai:
Schweizerischen Ärzt:innen gelang ein Durchbruch in der modernen Chirurgie. Sie behandelten einen 40-Jährigen, der nach einem Fahrradunfall querschnittsgelähmt war. Bei Querschnittslähmung ist – sehr vereinfacht gesagt – die Verbindung von Gehirn zum Rückenmark schwer beschädigt und unterbrochen. Darum können Befehle vom Gehirn nicht mehr weitergegeben werden, und Menschen sind auf den Rollstuhl angewiesen. Doch der besagte 40-Jährige kann wieder laufen – und zwar mithilfe von KI. Der verantwortliche Neurowissenschaftler beschreibt die innovative Lösung so:
Wir haben eine drahtlose Schnittstelle zwischen dem Gehirn und dem Rückenmark mithilfe der Brain-Computer-Interface-Technologie (BCI) geschaffen , die das Denken in Handeln umwandelt.
Dem Patienten wurden 2 Implantate (Elektroden-Arrays) eingesetzt, eins im Gehirn und eins am Rückenmark; diese können Signale übertragen. Dazu entschlüsselte eine KI-Anwendung die Signale des Gehirns, die entstehen, wann immer der Patient versuchte, die Beine zu bewegen. Das beeindruckende Ergebnis: Wenn der Proband daran denkt, seine Beine zu bewegen, erfassen die Elektroden im Gehirn diese Signale und übermitteln sie drahtlos an die Elektroden im Rücken – und bewegen so die Beine. Der Patient kann tatsächlich wieder
Staunen ist erlaubt. Hier liegt auch der Unterschied zum Smartphone von damals. Das war ein Meilenstein; künstliche Intelligenz ist eine ganz neue Technologie. Und wir stehen noch ganz am Anfang des Möglichen.
Mit Illustrationen von Claudia Wieczorek für Perspective Daily