Warum du künftig mehr für die Rentenversicherung zahlen musst – und was du davon hast
Anfang März stellten Arbeitsminister Heil (SPD) und Finanzminister Lindner (FDP) ihre Pläne für eine zukunftsfeste Rente vor. Dabei ging es um viel mehr als den umstrittenen Einstieg in die Aktienrente. Im Interview erklärt Rentenexperte Florian Blank, was auf uns zukommt.
Der weltbekannte Schauspieler Robert Redford hat den Schritt längst getan. Michael Caine auch … allerdings erst mit 90 Jahren. Cameron Diaz ist ihn schon mit Anfang 40 gegangen – nur um dann einige Jahre später zurückzukehren. Und bei George Clooney erwarten es alle, aber er will nicht.
Die Rede ist vom Ruhestand – also dem Abschnitt des Lebens, in dem sich nicht nur Hollywoodstars bequem zurücklehnen und endlich entspannen möchten. Gut, dann ziept es hier und da – aber in so einer Villa in Beverly Hills lässt es sich bequem leben, ohne sich von der Arbeit ablenken zu lassen.
Nur gibt es da einen Haken: Du bist sehr wahrscheinlich kein Hollywoodstar und sitzt auf einem Berg von Geld für deinen Lebensabend. Und hier in Deutschland wird sowieso alles gerade teurer. Da kann es schnell passieren, dass auch ohne Partys in der Villa das Geld nicht mehr reicht.
Altersarmut ist ein ernstes Problem.
Kurze Pause.
Merkst du, wie du schon anfängst, das Interesse am Artikel zu verlieren?
Klar, es geht ja auch nicht mehr um George Clooney und Co., sondern um ein Thema, das vielen im besten Fall unangenehm ist und sehr wahrscheinlich auch ein klein wenig Angst macht. Darüber will man lieber nicht so viel wissen – das ist menschlich … und töricht.
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Denn wir werden in unserem Leben wohl keine Hollywoodstars mehr, die Geldsorgen im Alter nicht fürchten brauchen. Und deshalb sollte sich jede:r mit den harten Fakten, Zahlen und Perspektiven auseinandersetzen, die unser Leben später bestimmen. Denn nur so kann die Politik nicht darauf wetten, dass dir das Thema Rente dermaßen unangenehm ist, dass du nicht richtig hinguckst, was sie da machen.
Hand aufs Herz: Hast du mitbekommen, dass die nächste Rentenreform ins Haus steht?
Ich habe mit Politikwissenschaftler Florian Blank darüber gesprochen, was das für dich heißt.
Rentenniveau
Viele Menschen glauben, ein Rentenniveau von 48% bedeute, dass sie 48% von ihrem Einkommen als Rente erhalten. Doch das ist falsch. Es handelt sich um eine reine Rechengröße, die nur sehr bedingt etwas über die Rente jedes Einzelnen aussagt. Sie beschreibt das Verhältnis der Standardrente (45 Beitragsjahre) zum Durchschnittsverdienst aller Versicherten. Trotzdem ist der Wert wichtig: Seine Entwicklung zeigt, in welchem Maß Rentner:innen am allgemeinen Wohlstand teilhaben. Sinkt das Rentenniveau, wird die Rente von Löhnen und Wohlstandsgewinnen abgekoppelt.
Was am Ende im individuellen Fall herauskommt, hängt von den jeweils erworbenen Rentenansprüchen ab. Ob das ausreicht, darüber wird natürlich trotzdem noch zu streiten sein. Aber der bisherige Abwärtstrend würde so erst einmal gestoppt.
Mit dem aktuellen Entwurf hat sich die Bundesregierung für Möglichkeit 2 entschieden: Der monatliche Beitrag für die Rentenversicherung soll bis 2035 schrittweise von heute 18,6% auf 22,3% steigen.
Die Frage ist dann, aus welcher Quelle das Geld kommen soll. Wenn jetzt keine Schritte in Richtung Stärkung der öffentlichen Rentenversicherung unternommen würden, müssten die Menschen noch mehr privat vorsorgen, was, so sie es können, auch von ihrem Einkommen abgeht.
Dabei ist zu bedenken, dass die Beiträge zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden paritätisch, also 50:50, aufgeteilt werden und sich der Anstieg schrittweise über einen längeren Zeitraum vollzieht. Und am Ende dürfen wir auch nicht vergessen: Man bekommt auch was dafür. Wenn wir jetzt sagen, wir müssen die Jüngeren vor höheren Beitragssätzen schützen, dann wird das Rentenniveau weiter sinken. Und dann bleibt auch für heutige und künftige Zahlende ein schlechteres Rentensystem übrig.
Der Beitragssatz zur Rentenversicherung entwickelt sich zuletzt stabil
Entwicklung des Beitragssatzes der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland in den Jahren 1990–2023
Mit den daraus erhofften Renditen sollen zuerst die Kreditzinsen bedient werden, um dann mit dem, was noch übrigbleibt, die Rentenversicherung zu bezuschussen. So soll der Beitragssatz ein Stück weit reduziert werden, um Arbeitgebende und Beschäftigte zu entlasten. Zu diesem Konzept stellen sich eine ganze Reihe von Fragen. Die naheliegendsten sind: Wie sicher ist das? Lässt sich die Hoffnung, dass so ab 2036 10 Milliarden Euro pro Jahr an Überschuss zusammenkommen, die dann in die Rentenkasse fließen sollen, realisieren?
Hinzu kommen Detailfragen, die Stand jetzt
Was hingegen als sicher gilt, ist, dass keine Mittel aus der Rentenkasse in den Kapitalstock fließen sollen, womit diese selbst »sicher« vor den Schwankungen an der Börse sind. Ebenso ist zurzeit nicht vorgesehen, dass die Leistungen der Rentenversicherung von den Entwicklungen an den Kapitalmärkten beeinflusst werden können. Wenn das Ganze also schlecht läuft, würden die Rentner:innen dadurch immerhin nicht in Mitleidenschaft gezogen.
Das Generationenkapital
Das Konzept sieht vor, im Jahr 2024 schuldenfinanziert 12 Milliarden Euro über einen Fonds am Kapitalmarkt anzulegen. Diese Summe soll jedes Jahr um 3% steigen und bis 2028 sollen weitere 15 Milliarden Euro an Vermögenswerten vom Bund an den Fonds des Generationenkapitals übertragen werden. 200 Milliarden Euro sollen so bis Mitte der 2030er-Jahre zusammenkommen. Mit der erhofften Rendite soll die Rentenkasse bezuschusst werden.
Im aktuellen Entwurf heißt es immerhin, dass sich die Regierung Nachhaltigkeitszielen verpflichtet fühlt und auch soziale und ökologische Ziele bei der Auswahl der Investitionen berücksichtigt werden sollen. Aber das ist noch nicht ausbuchstabiert.
Gleichzeitig soll »renditeorientiert und global-diversifiziert zu marktüblichen Bedingungen« investiert werden. Hier würde ich mir eine gesellschaftliche Debatte darüber wünschen, was genau passieren soll – und welche Ausschlusskriterien formuliert werden sollen. Hier geht es schließlich nicht um Peanuts.
Für die heutigen und künftigen Beitragszahlenden und die Arbeitgebenden besteht indes schon die Hoffnung, dass sie durch das Generationenkapital entlastet werden – aber natürlich nur, wenn der Plan aufgeht. Auch wenn das gesamte System teurer werden wird, könnten die Beitragssätze so eventuell etwas weniger stark ansteigen als aktuell prognostiziert.
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Wie eben bereits gesagt: Alle künftigen Rentner:innen haben etwas davon, wenn die Leistungen nicht weiter abgeschmolzen werden. Das heißt natürlich nicht, dass nicht dafür gestritten werden muss, die Rentenversicherung vernünftig weiterzuentwickeln.
Denn die Alternative besteht im Grunde nur in einem »Jede:r für sich allein«. Das heißt den Menschen noch mehr private Vorsorge zuzumuten, die eben auch Kosten verursacht. Ich favorisiere da ein System, das auf gegenseitiger Absicherung basiert und politisch gesteuert und nachkorrigiert werden kann.
Alle anderen Alternativen laufen darauf hinaus, dass Individuen für sich herausfinden müssen, wie sie möglichst lukrativ auf welchem Weg auch immer Geld fürs Alter ansparen. Immer in der Hoffnung, dass es dann hinterher irgendwie bis zum Lebensende ausreicht. Welchen Weg wir gehen wollen, ist eine politische Frage, und sich für diese mehr zu interessieren und sich für die eigenen Interessen einzusetzen, liegt am Ende auch an uns selbst, auch wenn das Thema kompliziert ist und gerne verdrängt wird.
In jedem Fall ist es so, dass von dem stabilisierten Leistungsniveau langfristig alle Rentner:innen profitieren werden, weil die künftigen Renten stärker steigen werden als ohne diese Reform. Somit wird auch die Zahl derjenigen verringert werden, die von ihrer Rente nicht leben können.
In einem nächsten Schritt können und müssen wir natürlich diskutieren, was die Ursachen für Altersarmut sind und wie diese am effektivsten bekämpft werden können.
Und darüber hinaus ließe sich ja auch fragen, ob die Rentenversicherung mehr zugunsten von Menschen mit geringen Einkommen tun kann – etwa durch eine verbesserte Grundrente. Das ist aber eine komplizierte Frage.
Wir sollten uns auch vor der Illusion hüten, dass die Rentenversicherung alle Verwerfungen vor der Rente ausbügeln kann. Es muss also darum gehen, Erwerbsarbeit und auch Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern gerecht zu verteilen.
Am effizientesten wäre es hier natürlich, dass alle Menschen möglichst gut dazu in die Lage versetzt werden, einen Job auszuüben, der sie im Erwerbsleben vor Armut schützt und dann auch im Alter vor Armut absichert.
Wenn dir nun der Kopf schwirrt und du noch mal ganz grundlegende Informationen zu unserem Rentensystem auffrischen möchtest, lege ich dir meine Grundlagentexte zum Thema ans Herz:
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily