Darum sind Russland-Sanktionen »dummes Zeug«
Die EU und die USA haben ihre Sanktionen gegen Russland erneut verlängert. Trotzdem geht es mit der russischen Wirtschaft wieder bergauf – auch dank deutscher Unternehmen.
Helmut Schmidt wusste es von Anfang an. Während den Diplomaten in Berlin, Brüssel und Moskau vor lauter Sanktionen der Kopf rauchte, rauchte der Altkanzler gemütlich eine Mentholzigarette und gab zu Protokoll:
»Die Sanktionen sind dummes Zeug.« – Helmut Schmidt, März 2014
Mittlerweile sind gut 3 Jahre vergangen, seitdem Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektierte und der Westen mit Sanktionen antwortete. Jüngst haben die EU und die USA ihre Handelsbeschränkungen verlängert. Im Juni trafen sich aber auch westliche Unternehmen auf dem
1. Die Krise ist vorbei – auch trotz Sanktionen
Kurz zur Auffrischung: Als Russland im Jahr 2014 die Halbinsel Krim annektierte und Separatisten in der Ostukraine unterstützte, verhängten die EU und die USA eine Reihe von Sanktionen; darunter
Russland selbst fand sich in einer Wirtschaftskrise wieder: im Jahr 2015 schrumpfte das
Heute, 3 Jahre nach der Krim-Annexion, spricht niemand mehr von einer Krise, und von wirtschaftlicher Isolation erst recht nicht. Beim SPIEF nahmen Wirtschaftsvertreter aus 143 Staaten teil.
- Der Industriegase-Konzern Linde
- Der deutsche Technologie-Riese Siemens
Außerdem exportieren deutsche Unternehmen wieder mehr Produkte nach Russland – obwohl die Sanktionen weiter gelten. Anfang 2017 sind deutsche Exporte nach Russland um
2. Deutsche Unternehmen produzieren mehr in Russland
Viele deutsche Unternehmen interessieren die politischen Ziele der Sanktionen nicht besonders – sie wollen trotzdem Geschäfte in Russland machen.
Mit Erfolg: Deutsche Unternehmen haben in Russland so viel in Fabriken und Montagehallen investiert wie kein anderes Land. Deutschland ist nicht nur seit langer Zeit Exportweltmeister, sondern seit 2 Jahren
- Der Landmaschinenhersteller Claas hat sich als erstes ausländisches Unternehmen einen sogenannten Sonder-Investitionsvertrag gesichert, mit dem er die gleichen Rechte
- Viessmann, der Hersteller für Heiztechnik-Produkte aus Nordhessen, eröffnet ein neues Werk in der
Die EU hat bei den Sanktionen immer darauf geachtet, dass sie sich nicht nachteilig auf die eigene Wirtschaft auswirken. Das lässt umgekehrt den Konzernen viel Raum, mit Russland – oder sogar in Russland – Geschäfte zu machen.
3. Bundesländer handeln auf eigene Faust
»Es wird auch notwendig sein, die Sanktionen gegenüber Russland noch einmal zu verlängern.« – Angela Merkel, Dezember 2016
Angela Merkel gilt als Verfechterin der Sanktionen – die Kanzlerin ist nicht bereit, von ihnen abzurücken, solange keine politische Einigung mit Russland erzielt ist. Die Bundesländer haben jedoch einen eigenen wirtschaftlichen Spielraum, und so mancher Ministerpräsident bevorteilt lieber die regionale Wirtschaft, als die politische Haltung Berlins mitzutragen. Zum Beispiel Horst Seehofer: Der bayerische Ministerpräsident gehört zu den größten Kritikern der Sanktionen.
Nur wenige Monate später wieder ein Gespräch zwischen Seehofer und Putin: Beim SPIEF vereinbarten beide einen Milliardendeal,
»Die Wirtschaftssanktionen verbieten es nicht, dass gemeinsame Gesprächsrunden und Kooperationen stattfinden. Russland bleibt mit seinen 140 Millionen Einwohnern für viele deutsche Firmen ein wichtiger Markt, auf dem sie sich engagieren – und von der Landesregierung werden sie dabei unterstützt«, erklärt Michael Harms, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft. Bayern sei hier kein Sonderfall.
4. Sanktionen sorgen für Streit auf allen Ebenen
Der US-Senat hat am 16. Juni mit großer Mehrheit einem Gesetz zugestimmt, das die Sanktionen gegen Russland verschärft. Die Blockade richtet sich vor allem gegen russisches Gas – was wiederum der US-Erdgasindustrie helfen dürfte.
Man kann die Reaktion deutscher Politiker verstehen: Washingtons ausgeweitete Sanktionen schaden der russischen Gasindustrie und gefährden so das
Den Streit über den Umgang mit den Russland-Sanktionen gibt es auch auf regionaler Ebene, zum Beispiel entzweit er die Große Koalition in Sachsen-Anhalt.
5. Sanktionen sind keine Lösung des Ukraine-Konflikts
Allgemein sind Versuche, autoritäre Politiker mithilfe von Sanktionen wieder auf den Kurs der westlichen Welt zu bringen, eine schlechte Idee. Eine amerikanische Studie zeigt: Je autoritärer die Staaten, desto größer ist die Gefahr, dass Sanktionen die Mächtigen stärken.
Wirtschaftssanktionen sind häufig ohne Wirkung. So hielt
Bislang konnte die russische Regierung nicht davon abgehalten werden, die Ukraine zu destabilisieren.
Unter den Sanktionen leidet vor allem die russische Bevölkerung, nicht die Regierung.
Die Bevölkerung leidet, aber wen macht sie dafür verantwortlich? Wladimir Putin? Nein. Für den einfachen russischen Bürger ist der Westen schuldig. Obwohl die EU für sich in Anspruch nimmt, keine Regimewechsel-Politik zu betreiben, wird sie von der russischen Bevölkerung zunehmend als Akteur wahrgenommen, der genau dies tut. Das heißt, dass die Sanktionen dem Kreml die Möglichkeit geben, andere zu beschuldigen.
Die ganze Welt ist gegen Russland? Dann verstecken wir uns hinter Putin.
Die Kraft der Vernunft
Im Moment gibt es wenig Anlass, von den bestehenden Sanktionen abzurücken: Damit würde die EU die Krim-Annexion im Nachhinein akzeptieren. Genauso wenig Anlass gibt es, die Sanktionen auszuweiten, um den Druck zu erhöhen: Die wirtschaftliche Situation zeigt, dass sie als Druckmittel alles andere als effektiv sind.
Zumal sowohl die EU als auch Russland wirtschaftliche Interessen beim jeweils anderen geltend machen. Wie könnte also eine zielführendere Russlandpolitik der EU aussehen?
- Trotz der erschwerten Bedingungen muss die EU gleichzeitig ihre Kommunikation mit
- Moskau wird die Annexion der Krim in absehbarer Zeit nicht rückgängig machen. Auch stehen
- Von den politischen Gründen der Sanktionen abgesehen, steckt in einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit der EU mit Russland riesiges Potenzial. Um es auszuschöpfen, sollte die EU-Kommission einen direkten Dialog mit der
Wirtschaftlich gehören die EU und Russland zusammen, beide Seiten brauchen einander, um erfolgreich zu sein. Russland benötigt westliches Know-how und Technologie, die EU-Wirtschaft ist auf russische Rohstoffe angewiesen. Beide Seiten sollten ihre gemeinsamen Interessen bestmöglich weiterverfolgen, über Messen, Geschäftsreisen und gemeinsame Gremien. Und vielleicht irgendwann sogar über gemeinsame Projekte wie
Titelbild: John Murphy - gemeinfrei