Das Fazit: Was die Ampel geschafft hat, was nicht und warum es crashte
3 Jahre deutsche Politik, Versuch einer fairen Bilanz.
Ganz am Anfang der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hatte es tatsächlich so etwas wie einen Zauber gegeben. 16 Jahre CDU-Regierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel waren vorbei. Vieles hatte sich in dieser Zeit aufgestaut:
Der Vertrag von 2021 wollte »Mehr Fortschritt wagen«. Darin heißt es:
Wir haben unterschiedliche Traditionen und Perspektiven, doch uns einen die Bereitschaft, gemeinsam Verantwortung für die Zukunft Deutschlands zu übernehmen … und die Zuversicht, dass dies gemeinsam
gelingen kann.
Im November 2024 ist vom Anfangszauber nichts mehr übrig: Es kommt zum Bruch. Und richtig schlimm scheinen das nicht sehr viele zu finden.
Corona und Krieg: Die historischen Startbedingungen der Ampel
Politikwissenschaftler Robert Vehrkamp, der für die Bertelsmann Stiftung auch an regelmäßigen Regierungsbilanzen arbeitet,
Nur ein paar Wochen später, am 24. Februar 2022, greift Russland die gesamte Ukraine an. Es folgt die Gas- und Energiekrise. Die Schuldenbremse bleibt wegen der Notsituation weiter ausgesetzt,
2023 soll es zurück zur finanzpolitischen Normalität gehen. Das heißt:
Vorfahrt für Reformen? Die Ampel im Tracking
Die Ergebnisse zeigen hier in eine ähnliche Richtung: Stand Dezember 2024 hat die Bundesregierung laut Tracker 26% ihrer Vorhaben voll umgesetzt, 15% teilweise und mit 34% immerhin begonnen.
Arbeitsverweigerung lässt sich daraus nicht ableiten. Aber vieles steckt eben noch in der Pipeline – und wird sich nun wohl auch nicht mehr bewegen.
»Auffällig ist, dass die Ampel einige Bereiche stärker bearbeitet hat als andere«, sagt Arne Semsrott, Journalist und Leiter von Frag den Staat. Bei Gesetzen zu Bürgerrechts- und Transparenzfragen sei die Ampel nicht so stark gewesen, dafür sei im Bereich Asyl und Migration viel passiert.
Das zeigt auch die nun folgende Perspective-Daily-Bilanz der Ampelkoalition, die einige Schlaglichter auf die wichtigsten Erfolge und die traurigsten Versäumnisse richtet – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Grünes Licht für Bürgergeld, Cannabis und Deutschlandticket
- Migration und Asylrecht: Die Ampel hat Deutschland auch rechtlich auf den Weg in Richtung Einwanderungsland gebracht, was in unionsgeführten Regierungen stets verweigert wurde. Dazu gehört ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz und das neue Staatsangehörigkeitsrecht. Letzteres erleichtert den Zugang zum deutschen Pass.
- Soziales: Das mit einem Stigma behaftete Hartz IV wurde zum Bürgergeld.
- Liberalisierungen: Ziemlich schnell kam die Teillegalisierung von Cannabis. Das gibt es nun einfacher auf Rezept, im Eigenanbau oder typisch deutsch: im Verein.
- Umkämpftes Klima:
Und noch ein Gesetz zum Wohl des Klimas, das mehr Windenergie ermöglichen soll, hat die Ampel verabschiedet: Jedes Bundesland muss 2% seiner Fläche für die Bebauung durch Windräder ausweisen.
Viel Kritik musste die Erneuerung des Klimaschutzgesetzes einstecken. Bis 2030 soll Deutschland 65% weniger CO2 ausstoßen als 1990, bis 2045 lautet das Ziel Klimaneutralität. Bisher sollten die Ziele
In Wissings Sektor findet sich dafür eine der handfesteren Leistungen der Ampel: Mit dem Deutschlandticket, hervorgegangen aus dem 9-Euro-Ticket, geht es derzeit für 49 Euro im Monat per Nah- und Regionalverkehr durchs Land. Ab 2025 soll es 58 Euro kosten, über die Finanzierung kommt es aber immer wieder zu Streit zwischen Bund und Ländern.
Die Ampel hat unterm Strich also viele Reformen angepackt, blieb aber schließlich auch bei einigen Vorhaben stecken. Doch welche sind das?
Rotes Licht für Kindergrundsicherung und Rentenreform
Wie ein Actionstar, der unter einem sich schließenden Rolltor durchrutscht,
Nicht allen Ampelplänen war ein solches Finale vergönnt. Die
Erwähnenswert ist vielleicht noch der Kohleausstieg, der auf 2030 vorverlegt werden sollte. Das scheiterte vor allem an den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg, in denen der Braunkohleabbau nach wie vor eine wichtige Bedeutung hat.
Einige Vorhaben hat die Ampel ganz zurückgestellt. Darunter die Einstufung von nicht gewinnorientiertem Journalismus als gemeinnützig, was mit einigen finanziellen Erleichterungen verbunden wäre, die auch uns sehr helfen würden. Ein entsprechender Erlass scheiterte am Widerstand des Bundesrats.
Am Ende: Schmerzhafte Vollbremsung und Verdienste
Wie fällt sie nun aus, die Gesamtbilanz dieser Koalition, die viel schlechtgeredet und -geschrieben wurde? Was bleibt in Erinnerung? Wahrscheinlich vor allem: Streit. Den meisten wird der Zwist um die Schuldenbremse oder
Und das war gar nicht so wenig. Immer wieder hat sie auch den Reformstau der Vorgängerregierungen bearbeitet. Politikwissenschaftler Robert Vehrkamp von der Bertelsmann Stiftung sagt: »Ich bin mir sicher, dass die Ampel mit etwas Distanz von der Geschichtsschreibung deutlich gnädiger gesehen wird als heute.«
Aber die Ampel hinterlässt auch Aufgaben für die kommende Regierung.
Mehr Kooperation zwischen demokratischen Parteien sei wichtig, auch als Zeichen gegen populistische Parteien, sagt Robert Vehrkamp. Die Parteien haben aber längst in den Wahlkampfmodus geschaltet.
Dabei sollten sie es nicht zu weit treiben. Denn spätestens im März müssen sie wieder konstruktiv miteinander sprechen, um die brachliegenden Reformen zu stemmen – und das öffentliche Bild der Ampel nicht zu kopieren.
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily