Warum auch du eigentlich nichts verdient hast
Wenn wir uns diese unangenehme Erkenntnis bewusst machen, sind wir am Ende trotzdem glücklicher.
Warum ist die Mona Lisa so berühmt? Warum ist
Weil als selbstverständlich gilt: Wer hart arbeitet und vielleicht auch noch ein wenig Talent mitbringt, verdient es, ein gutes Leben zu führen. Und umgekehrt: Wer weniger hat, hat es wahrscheinlich auch nicht besser verdient!
Oder …?
Was, wenn das Unfug ist? Und bevor du jetzt trotzig, verletzt oder sogar wütend aufhörst, diesen Artikel weiterzulesen, gehe ich eine riskante Wette ein: Wenn du dich auf den Gedanken einlässt, dass du die vielen Vorzüge in deinem Leben nicht verdient hast, macht dich das am Ende sogar zufriedener. Glaubst du nicht? Dann teste deine Überzeugung an diesen 3 Erkenntnissen.
Erkenntnis 1: Glück ist keine Fähigkeit
Bill Gates ist der reichste Mann der Welt. Sein Leben hätte aber auch ganz anders verlaufen können. Als der Technologie-Gigant
Was folgt, ist Geschichte. Beziehungsweise ist die Geschichte, die
Natürlich ist Bill Gates ein kluger Mann, der in seinem Leben zahlreiche clevere Entscheidungen getroffen hat. Doch viele entscheidende Faktoren lagen schlichtweg nicht in seinen Händen. So wurde das berühmte Betriebssystem MS-DOS nicht im Hause Microsoft entwickelt, sondern entstammt »der Feder« Tim Pattersons, der beim befreundeten Unternehmen Seattle Computer Products (SCP) arbeitete. Dieser taufte sein Betriebssystem
IBM machte sich auf den Weg zu Gary Kildall. Was bei den Gesprächen genau passierte, werden wir wohl nie erfahren, denn jeder Teilnehmer hat
Microsoft wurde zum Zwischenhändler, indem es eine exklusive Lizenz für QDOS von SCP erwarb und diese weiterverkaufte. Für jeden Neukunden, den Bill Gates anwarb, erhielt SCP – der Erfinder von QDOS – 10.000–15.000 US-Dollar. Der Rest des Geldes blieb bei Microsoft und der Name des Neukunden unter Verschluss. Während also SCP auf viele Neukunden hoffte, spekulierte Microsoft auf genau einen Kunden: IBM. Ein genialer Schachzug, für den Microsoft lediglich die einmalige Lizenzgebühr an SCP zahlte und im Gegenzug von IBM für jeden Rechner,
- Zum Glück wurde der Personal-Computer von IBM
- Zum Glück war Gary Kildall schlecht im Verhandeln.
- Zum Glück benötigte SCP dringend Geld, vernachlässigte die »Details« des Lizenzvertrages mit Microsoft und fragte nicht nach der geplanten Kundenanzahl.
Der Rest ist Geschichte … Zum Beispiel, dass Microsoft sich vor Gericht für den Lizenzvertrag mit SCP und die Ähnlichkeit von MS-DOS mit dem Betriebssystem CP/M verantworten musste.
- Zum Glück erst, als Microsoft schon erfolgreich genug war, um die Kosten dafür aufzubringen.
SCP ging Ende der 1980er-Jahre pleite; Gary Kildall zog sich ein paar Jahre später zurück und starb im Alter von 52 Jahren bei einem ungeklärten Unfall. Natürlich war Bill Gates ein guter Programmierer und arbeitete hart, doch das waren und taten viele andere auch während des ersten PC-Goldrausches.
Erkenntnis Nummer 1: Je mehr Menschen zueinander in Konkurrenz stehen, desto entscheidender wird der Glücksfaktor im Vergleich zur eigenen Kompetenz und Wettbewerbsfähigkeit. Diejenigen, die es an die Spitze schaffen, gehen gern davon aus, dass sie oben angekommen sind, weil sie alles »richtig gemacht« haben. Aber was ist dann mit den 10 oder 20 anderen, die ebenfalls talentiert sind und sehr hart arbeiten, es aber nicht »geschafft haben«? Sehr wahrscheinlich sind einige von ihnen sogar talentierter, cleverer oder organisierter, sind aber nicht in den Genuss vieler glücklicher Zufälle gekommen.
Erkenntnis 2: Nicht du hast die Brücke gebaut!
Neben der Portion Glück, die uns auf unserem Weg entweder begleitet oder nicht, gehen wir diesen Weg niemals allein und losgelöst von unserer Umgebung.
Der Teenager Bill profitierte beispielsweise von der Infrastruktur seiner weiterführenden Schule. Dort hatte er Zugang zu einem Computer, auf dem er seine Programmierfähigkeiten trainieren konnte –
Gates konnte so direkt überprüfen, ob sein Code gut programmiert war. Bei uns in der Schule mussten wir unseren »offline« geschriebenen Code einschicken, der dann auf einem echten Computer überprüft wurde. 4 Tage später erhielten wir eine Antwort und erfuhren so, ob wir Fehler gemacht hatten und ob das Programm tat, was es tun sollte.
Was, wenn der geniale Programmierer Bill nicht nur in einer anderen Schule ohne Zugang zu einem Computer seine Jugend verbracht hätte, sondern beispielsweise in Nepal geboren worden wäre? Ein Busfahrer in Deutschland hat am Monatsende
»You didn’t build that bridge!« – Barack Obamas Botschaft im Wahlkampf 2012
Wenn du Erfolg hast, hat dir auf dem Weg dorthin jemand geholfen. Irgendwo in deinem Leben gab es einen großartigen Lehrer. Jemand hat dabei geholfen, dieses unglaubliche amerikanische System zu bauen, das dir jetzt ermöglicht, erfolgreich zu sein. Jemand hat in den Bau von Straßen und Brücken investiert. Wenn du ein Unternehmen hast – hast nicht du es aufgebaut. […] [W]enn wir erfolgreich sind, gelingt uns das aufgrund unseres individuellen Einsatzes, aber auch weil wir Dinge gemeinsam leisten.
Wie unbequem die Aussage ist, dass wir nicht »unseres eigenen Glückes Schmied« sind, zeigen auch die negativen Reaktionen auf das Video der Rede von Barack Obama: 1.400 »Daumen hoch« gegenüber 4.200 »Daumen runter«.
Der Aufschrei vieler Republikaner und
Erkenntnis Nummer 2: Unsere Umgebung und die dazugehörige Infrastruktur ermöglichen uns häufig erst, bestimmte Dinge zu tun und erfolgreich zu sein. Das anzuerkennen und dankbar zu sein,
Erkenntnis 3: Soziale Dynamiken küren Gewinner rein zufällig
Was wäre die Umgebung ohne andere Menschen – und weil wir soziale Wesen sind, verdienen
Die längste Zeit seines Lebens war das mehr als 500 Jahre alte Gemälde von Leonardo da Vinci keineswegs das bekannteste Objekt des
Die Medienaufmerksamkeit, die entstand, als es 2 Jahre später wieder auftauchte, machte das kleine Gemälde weltberühmt. Es reiste um die Welt und die Faszination der Menschen für die Raubgeschichte sorgte dafür, dass die Besucher plötzlich Schlange standen, um der geretteten Mona Lisa in die Augen zu schauen.
»Über Geschmack lässt sich nicht streiten« oder »Schönheit liegt im Auge des Betrachters«. Solche Aussagen kennen wir alle. Doch was wir häufig nicht berücksichtigen, wenn wir von etwas schwärmen, sind die sozialen Dynamiken, die den Erfolg des Objekts der Begierde und Anerkennung erst ermöglicht haben und die kein Künstler oder Produzent kontrollieren kann.
Erkenntnis Nummer 3: Wer ganz oben ankommt, ist nicht unbedingt der Beste, Qualifizierteste oder Fähigste. Soziale Dynamiken bestimmen zu großen Teilen über Erfolg und Misserfolg.
Und nun?
Wenn wir diese 3 Erkenntnisse zu Ende denken, verdient eigentlich niemand irgendetwas. Denn du hast auch deine Eltern und deine genetische Ausstattung nicht gewählt. Doch die Illusion, dass vor allem du selbst für deinen Erfolg – oder Misserfolg – verantwortlich bist, ist hartnäckig. Das liegt vor allem auch daran, dass unser Gehirn immer auf der Suche nach Mustern ist. Diese suchen wir auch, wenn wir herausfinden wollen, warum jemand erfolgreich ist. Unsere Erklärungen stimmen jedoch häufig nicht mit der Realität überein, sondern führen in die Irre – dafür müssen wir uns nur an Bill Gates und die Mona Lisa erinnern.
Dieses Irren hat allerdings auch eine sinnvolle Funktion: Wenn wir mit unserer Leistung zufrieden und stolz auf uns sind, machen wir weiter. Es hilft uns tatsächlich, Besseres zu leisten. Umgekehrt
Wir müssen auch nicht krampfhaft versuchen, dieses Irren loszuwerden, wenn wir uns gleichzeitig häufiger daran erinnern, wem und was wir unsere Erfolge zu verdanken haben. Der Professor für Wirtschaft und Management, Robert Frank, beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit den Dynamiken von Erfolgen und beschreibt seine Erfahrungen so:
Als ich erfolgreiche Menschen wie Geschäftsführer danach fragte, welche glücklichen Zufälle zu ihrem Erfolg beigetragen hatten und welche Menschen auf ihrem Weg sie unterstützt hatten, leuchteten ihre Augen auf. Sie alle hatten stets viele solcher Momente inklusive lebhafter Erinnerungen parat.
Dieses Gefühl der Dankbarkeit lässt nicht nur unsere eigenen Augen glänzen, sondern zahlt sich auch für unsere Mitmenschen aus.
Titelbild: flickr / trevoronim - CC BY 3.0