Wie der Staat dein klimaschädliches Verhalten subventioniert
Pendlerpauschale, günstiges Fleisch und Bausparvertrag machen uns heute das Leben angenehmer. Und morgen?
Damit hatten seine Kollegen nun wirklich nicht gerechnet. Vergangenen Montag, am 11. Dezember 2017, machte Volkswagen-Chef Matthias Müller die Kehrtwende und
Vielleicht, man kann es nicht ausschließen, hat er aber auch erkannt, dass Deutschland mit milliardenschweren Subventionen die Erderwärmung befeuert und effektiven Klimaschutz so noch schwerer macht, als er uns ohnehin schon fällt.
Insgesamt beliefen sich alle klimaschädlichen Subventionen des deutschen Staates 2012 auf 57 Milliarden Euro.
Die Dieselrabatte sind jedoch nur ein kleiner Teil des großen Ganzen. Der Staat erlässt auch der Industrie, der Landwirtschaft und im Wohnungsbau viele Steuern oder bezuschusst individuelles Verhalten, das die Erde aufheizt und der Umwelt schadet. Das beklagen
Warum subventionieren?
Natürlich ist es nicht Sinn und Zweck der Subventionen, möglichst viel CO2 in die Luft zu blasen. Der Klimawandel ist eher ein Kollateralschaden, der in Kauf genommen wird, um die Wirtschaft zu unterstützen. Ein Blick in den
- Zukunftstechnologien fördern. Beispiel: Diesel-Rabatt.
- Strukturelle Übergänge begleiten und negative Folgen abschwächen. Beispiel: Ausstiegsprämien für Landwirte.
- Wirtschaftszweige international konkurrenzfähig halten. Beispiel: Steinkohleförderung.
Es steht außer Frage, dass Subventionen in dieser Hinsicht oft funktionieren: Ohne den Dieselrabatt wäre heute nicht
Allerdings gibt es auch 3 wesentliche Probleme mit den Subventionen:
- Manche Subventionen dienen nur den Interessen einer Minderheit und können getrost als Klientelpolitik bezeichnet werden. Das bekannteste Beispiel ist wohl der umstrittene »Mövenpick-Rabatt«, mit dem die
- Sind die Subventionen einmal eingeführt, ist es gar nicht so leicht, sie wieder loszuwerden – auch wenn sie ihren Zweck offensichtlich längst erfüllt haben oder ihn verfehlen. Branchen, die sich an die Zuwendungen gewöhnt haben, trommeln dann lauten Widerstand zusammen und Politiker brauchen schon gehörig Rückgrat, um sich dem zu widersetzen. Auch hierfür sind der Diesel-Rabatt und die Steinkohleförderung gute Beispiele.
- Subventionen mindern den Druck auf Branchen, innovativ und effizient zu sein. Warum Strom sparen, wenn er ohnehin kaum etwas kostet? Warum neue Geschäftsfelder erschließen, wenn sich auf bewährte Art und Weise subventionierte Gewinne einfahren lassen?
Unabhängig davon, ob Subventionen ihren Zweck erfüllen oder nicht, kommen sie selten ohne Zielkonflikt daher: Je mehr Kohle etwa durch eine Subvention verbrannt wird, desto mehr Strom, Jobs und Wirtschaftswachstum sind die Folge. Gleichzeitig steigt mit jeder geförderten Tonne aber auch der Schaden für das Klima. Es muss also abgewogen werden – wobei Klima und Umwelt oft den Kürzeren ziehen.
Was die wichtigsten klimaschädlichen Subventionen sind und wo sie besonders ins Gewicht fallen – ein Überblick.
Verkehr: Der Subventionsliebling
Der größte Teil der klima- und umweltschädlichen Subventionen, die das Umweltbundesamt ausgemacht hat, fließt in den Verkehr, rund 28 Milliarden Euro pro Jahr.
Gleich an allen der 4 größten Töpfe in diesem Bereich bedient sich, wer morgens eine längere Strecke mit dem Diesel zur Arbeit pendelt, das Auto in den Ferien aber zugunsten einer Flugreise stehen lässt. So kassiert man rund 22 Cent Steuervergünstigungen pro getanktem Liter Diesel und setzt die Fahrtkosten dank der
Energie: Viel Kohle für Kohle
An den Strom- und Energiekosten, die im Land anfallen, beteiligt sich der Staat mit satten 20 Milliarden Euro. Weit über die Hälfte davon entfällt auf verschiedene Rabatte, die der Industrie und Gewerben auf ihre Stromrechnung erlassen werden. Wer eine Fabrik hat oder ein anderes produzierendes Gewerbe betreibt, erhält 25% Rabatt auf die Energiesteuer! Bei Aluminiumhütten, Zementwerken oder anderen Gewerben mit sehr hohem Stromverbrauch entfällt die Energiesteuer gleich ganz. Das sind wohlgemerkt nur 2 Beispiele.
Besonders interessant ist die Steinkohleförderung. Im Jahr 2016 etwa flossen noch 1,288 Milliarden Euro in die Zechen, um die extrem unwirtschaftliche Steinkohle aus deutschem Boden zu buddeln; im Jahr 2018 soll die letzte Zahlung erfolgen. Legt man die Summe auf die
Bauen und Wohnen: Bauherr Finanzamt?
Viele Deutsche bekommen den Bausparvertrag schon in die Wiege gelegt – so haben sie beste Karten, später einmal selbst zu bauen. Dabei verbrauchen sie aber auch bei neuesten Energiestandards große Mengen
In diesem Sektor hat sich jedoch viel getan. Von der Eigenheimzulage sind in diesem Jahr gerade noch 11 Millionen Euro übrig, im nächsten Jahr läuft sie aus. Was jedoch bleibt, sind die Bausparverträge: Damit bevorzugt der Bund
Landwirtschaft: Der Schlemmer-Rabatt
Langsam spricht sich herum, dass die Ökosysteme nicht Salami und Schinken für 7, geschweige denn 10 Milliarden Menschen hergeben. Trotzdem motiviert uns der Gesetzgeber kräftig dazu, in die Schwarte zu beißen:
Der Fiskus verzichtet jährlich auf rund 5,2 Milliarden Euro Steuereinnahmen, weil er findet, dass sich Menschen lieber von Eiern, Milch, Käse und Fleisch ernähren sollten als von Sojamilch, Süßkartoffeln und Keksen. Denn diese tierischen Produkte werden mit dem reduzierten Satz von 7% Mehrwertsteuer belegt statt der üblichen 19%.
Warum ist die Sojamilch Luxus und die Kuhmilch Grundversorgung?
Die Idee dahinter, Grundnahrungsmittel grundsätzlich günstiger anzubieten als Luxusartikel, ist natürlich sozial und nachvollziehbar. Doch warum genau ist die Sojamilch Luxus und die Kuhmilch Grundversorgung? Würde der Rabatt für tierische Produkte gestrichen, könnte er für andere Produkte noch erhöht werden, schlägt das Umweltbundesamt vor. Also: Schinken hoch auf 19%, Äpfel und Kartoffeln dafür runter auf zum Beispiel 4%. So würde sich der derzeitige finanzielle Anreiz, sich klimaschädlich zu ernähren, in einen Anreiz zu einer tendenziell gesünderen und umweltfreundlicheren Ernährung wandeln. Davon profitieren würden gerade auch die, die nicht so viel Geld für Essen übrighaben, denn die gäben im Schnitt anteilig weniger für Fleisch aus, schreibt das Umweltbundesamt.
Einige der reduzierten
Einfach weg mit den Subventionen?
Für den Abbau dieser Subventionen spricht also, dass sie
- dem Klima schaden,
- den Steuerzahler viel Geld kosten und
- die Wirtschaft nicht in der Art fördern, wie sie es sollen.
Eine sofortige Abschaffung aller klimaschädlichen Subventionen halten aber auch ihre Kritiker für kaum praktikabel. Wirklich helfen würde ein systematischer Abbau der Subventionen, für den das Umweltbundesamt 4 Faktoren als entscheidend ansieht:
- Kommunikation & Öffentlichkeit
- Ökologischen Strukturwandel unterstützen
- Soziale Probleme abfangen
- Gelegenheitsfenster nutzen
Gerade der letzte Punkt ist entscheidend – ein Atomausstieg war nur in der Aufregung um die Reaktorkatastrophe von Fukushima möglich, und viel näher als im Dieselskandal werden wir einer Abschaffung des Diesel-Rabatts in den nächsten Jahren wahrscheinlich nicht kommen.
Dass die Subventionen auf lange Sicht abgebaut werden müssen, sieht die Regierung prinzipiell ähnlich. Im aktuellen
Zu einer klimafreundlichen Ausgestaltung des Finanz- und Steuersystems gehört auch der weitere Abbau umweltschädlicher Subventionen. Es wird daher zu prüfen sein, wie das Steuer- und Abgabensystem zur Erreichung der Klimaschutzziele bis 2050 schrittweise weiterentwickelt werden kann. Die Bundesregierung wird die ökonomischen Anreize, die Umweltbelastung zu senken und in Richtung nachhaltiger Produktions- und Konsumweisen zu steuern, für die Verursacher stärken.
Dazu hat sich Deutschland auch in diversen internationalen Abkommen verpflichtet, darunter das Kyoto-Protokoll, die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) und Beschlüsse der G 7 und
Ein erster Schritt, jedoch nicht viel mehr: Denn weil die Regierung auch wirtschaftliche und soziale Entwicklungen als nachhaltige Entwicklungen im weitesten Sinne als positiv bewertet, erfüllt jede der Maßnahmen ein Teilziel einer nachhaltigen Entwicklung – und gilt somit als nachhaltig. Der Zielkonflikt mit dem Klima löst sich so nicht auf.
Mit der Wohnbauprämie und der Steinkohleförderung laufen im kommenden Jahr 2 große Subventionen aus. Ein Erfolg, auch wenn Klimaschutz weniger der Grund für ihr Ende, als vielmehr ein willkommener Nebeneffekt dafür ist.
Gleichzeitig beißen all jene, die die Abschaffung der Subventionen ernsthaft einfordern, seit Jahren auf Granit: Sowohl das Bundeslandwirtschafts- als auch das Bundesumweltministerium haben etwa der Forderung, den Mehrwertsteuer-Rabatt auf tierische Produkte zu streichen, im vergangenen Winter All jene, die die Abschaffung der Subventionen ernsthaft einfordern, beißen seit Jahren auf Granit.
Und auch der große Skandal um den Abgasbetrug fast aller großen Autohersteller konnte die Politik nicht dazu bringen, am Rabatt für Dieselkraftstoff zu sägen.
Hoffnung, dass ein konsequenter Subventionsabbau gar nicht so schlimm ist, macht eine Geschichte vom anderen Ende der Welt: In Neuseeland hatte die Regierung in den 1980er-Jahren aus wirtschaftlicher Not die Subventionen für die Landwirtschaft komplett gestrichen. Nach einer kurzen Umstellungsphase berappelten sich die Bauern jedoch und erschlossen neue Geschäftsfelder. Heute geht es der Branche gut, die
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