Macht Kontrolle uns zu besseren Menschen?
Wie Arbeiter schneller schrauben, du mehr spendest und warum wir anderen öfter auf die Finger schauen sollten.
Vielleicht hilft es, wenn wir die Beleuchtung heller machen? Das dachte sich 1924 das Management der
Der unerwartete Effekt
Die Hawthorne-Werke waren wie eine Stadt in der Stadt, mit eigenem Krankenhaus, Postbüro und Schulen. In den 1920er-Jahren waren Arbeiter gemäß dem Geist der industriellen Revolution nichts weiter als die Zahnrädchen im Getriebe des großen Ganzen. In der Theorie konnte jeder einzelne Arbeitsschritt analysiert und dann optimiert werden.
Das Experiment mit der helleren Beleuchtung sollte dabei helfen, die Arbeitsleistung zu verbessern. Doch irgendetwas schien mit den Ergebnissen nicht zu stimmen.
Am Ende waren die Arbeiter eben doch keine maschinellen Unterteile
Es folgten weitere Experimente, um die Ergebnisse zu überprüfen. Ganze 9 Jahre lang forschten die Wissenschaftler weiter, um ihren zunächst vagen Verdacht zu testen: Sorgte die einfache Tatsache, dass die Arbeiter beobachtet wurden, für eine erhöhte Produktivität – unabhängig von der Ausleuchtung der Fabrikhallen?
Die Experimente aus Hawthorne erlangten einen fast mythischen Status in der Psychologie und gingen als
Du wirst beobachtet!
Die Ergebnisse sorgten für eine Kontroverse in der psychologischen Forschung, die bis heute anhält. Schließlich bedeuten die Ergebnisse, dass jedes psychologische Experiment verfälscht ist, sobald Menschen wissentlich beobachtet werden – was bei fast allen experimentellen Studien mit Menschen der Fall ist. Eine Erkenntnis aus den Hawthorne-Werken hat Psychologen aus aller Welt in den letzten Jahrzehnten aber besonders beschäftigt: Beobachtung kann positive Folgen haben.
Schon bevor der »Hawthorne-Effekt« die Runde machte, hatten Wissenschaftler 1898 beobachtet, dass Gesellschaft uns anspornt. So drehten Kinder schon damals ihre Räder schneller,
Spätere Experimente zeigten, dass wir unter Beobachtung entweder besser oder schlechter abschneiden als allein. Das hängt davon ab, wie schwierig die Aufgabe ist. In einem Experiment mussten sich die Versuchsteilnehmer beispielsweise Selbst Kakerlaken rennen mit »Kakerlaken-Zuschauern« schneller
War eine kleine Zuschauergruppe anwesend, zogen die Probanden das bekannte Kleidungsstück schneller an, als wenn sie dabei allein waren. Für den Laborkittel galt das Gegenteil. Unter Beobachtung der Zuschauer schien die Aufgabe schwieriger und die Probanden benötigten länger, um sich anzukleiden. Leichte Aufgaben erledigen wir also besser, wenn wir dabei beobachtet werden; bei schwierigen Aufgaben lenken uns Zuschauer ab, wir sind aufgeregter und schneiden schlechter ab.
Selbst Kakerlaken rennen mit »Kakerlaken-Zuschauern« schneller, wenn sie nur geradeaus rennen müssen. Wird es komplizierter und sie müssen den Ausweg aus einem Labyrinth finden, schneiden die Kakerlaken mit Zuschauern allerdings schlechter ab
Zuschauer spornen uns aber nicht nur bei Routine-Aufgaben an, sondern lassen uns anscheinend auch besser soziale Normen einhalten. Wenn wir beispielsweise angehalten sind,
Wir geben
Woran liegt das – und können wir diesen Effekt vielleicht sogar nutzen, um geltende soziale Normen besser einzuhalten, hilfsbereiter und rücksichtsvoller zu sein? Und letztendlich damit das Wohl der Gesellschaft ankurbeln?
Ein Augenpaar für mehr Geld in der Spendendose
Um einer Antwort auf die Frage »Woran liegt das?« auf die Schliche zu kommen, nutzen Wissenschaftler in England Bilder von Augenpaaren. Die hängten sie neben der Kaffeestation in der Universität Newcastle auf, an der die Mitarbeiter auf freiwilliger Basis um einen Beitrag für den Kaffee gebeten wurden. Die Wissenschaftler verglichen den Inhalt des Sparschweins neben der Kaffeekanne in Wochen, in denen das Augenpaar an der Wand klebte, mit Wochen, in denen ein Poster mit Blumen dort hing. Das Ergebnis: Wenn die Augen an der Wand hingen,
Der Effekt funktioniert auch in der Praxis. In einer Cafeteria räumten Besucher ihren Abfall durchschnittlich besser weg, wenn Augen im Raum angeklebt waren.
Selbst
Eine Zutat, die dem Augenpaar allein fehlt, ist vielleicht das Gefühl, später beurteilt zu werden. Ein »echter« Zuschauer hat es leichter, potenzielle Gefühle von Reue und Scham in uns auszulösen. Brauchen wir also überall Beobachter, um soziale Normen einzuhalten?
Augen überall für mehr Sicherheit?
In der Nähe des Hauses, in dem
Denn auch wenn das
Einige Experimente mit sichtbaren Kameras zeigen, dass – ähnlich wie bei den aufgeklebten Augen – vor allem Menschen, denen Bestätigung und Anerkennung besonders wichtig sind, durch Kameraüberwachung hilfsbereiter werden. Die Effekte sind aber gering. Eine Welt voller Kameras wird wahrscheinlich nicht dazu führen, dass Menschen ihren Müll nicht mehr auf die Straße werfen und hilfsbereiter gegenüber ihren Mitmenschen sind. Ganz abgesehen von den Kosten, die ein gut ausgebautes Überwachungs-Netzwerk mit sich bringt.
Ein Blick sagt mehr als …
90 Jahre nach den Hawthorne-Experimenten diskutieren Psychologen, Soziologen, Politologen und Menschen generell noch immer heftig darüber, was die Ergebnisse uns lehren – oder eben nicht. Die Ergebnisse der frühen Experimente zum mythischen »Hawthorne-Effekt« konnten in einer
Was also bleibt?
Menschen auf die Finger zu schauen, kann sie anspornen, besser zu sein. Ein missbilligender Blick in Richtung desjenigen, der seine Brötchentüte einfach auf den Gehweg fallen lässt oder in der S-Bahn keinen Platz für die Schwangere neben ihm macht, kann Anstoß genug sein. So können unsere Augen dabei helfen,
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