Der INF-Vertrag ist Geschichte. 3 Thesen, wie es jetzt weitergeht
Nein, ein neuer Atomkrieg ist keine davon.
Der Weltuntergang steht bevor. Diesen Eindruck gewinnt man jedenfalls, wenn man solche Sätze liest: Die russische Zeitung Wedomosti befürchtet eine »totale Demontage des globalen atomaren Sicherheitssystems«, die tschechische Pravo sieht uns »auf direktem Weg zurück zum Internationale Presseschau vom 4. April 2019 im Deutschlandfunk Kalten Krieg der 1980er-Jahre«. »Der Spiegel« betitelt sogar eine lange Recherche mit den Worten »Spiegel«-Artikel zum gekündigten INF-Vertrag (2019) »Der Welt droht ein unkontrolliertes atomares Wettrüsten«.
Nie zuvor hatten militärische Supermächte vereinbart, auf eine Waffengattung komplett zu verzichten
Nicht nur Journalisten sind in Sorge, seitdem am 1. und 2. Februar erst die USA, dann Russland die Aussetzung des Mein Text bei der Deutschen Welle über die historische Bedeutung des INF-Vertrages (2018) zerstören. Damit waren nicht nur diese Raketen an ihr Ende gekommen, sondern wenig später auch der Kalte Krieg; die Kräfte des Friedens triumphierten.
angekündigt haben. Sicher, das Ende des Vertrages kann man keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen. Als Ronald Reagan und Michail Gorbatschow gemeinsam in Washington den INF-Vertrag unterzeichneten, schrieben sie nicht nur ihre Namen auf ein Blatt Papier, sondern auch Geschichte: Nie zuvor hatten militärische Supermächte vereinbart, auf eine Waffengattung komplett zu verzichten. Die USA und die damals noch existierende Sowjetunion verpflichteten sich, keine neuen bodengestützten Raketen mit 500–5.000 Kilometern Reichweite herzustellen und ihre Bestände, insgesamt knapp zuHeute wirken die Abrüstungsbewegungen zum Ende des 20. Jahrhunderts eher wie ein Luftholen vor dem nächsten Sturm.

Die USA beschuldigten Russland schon zu Obama-Zeiten, den Vertrag mit einer neu entwickelten Rakete zu hintertreiben, inzwischen sind auch NATO-Partner wie Deutschland der Ansicht, dass Russland den Vertrag schon länger verletzt hat. Unter Präsident Donald Trump folgte dann der endgültige Austritt aus dem Vertrag – nicht nur wegen Russlands Raketenaktivitäten, sondern auch, weil er hofft, China so zum Abrüsten zu bewegen. Anfang August, nach Ablauf der Kündigungsfrist, ist der INF-Vertrag endgültig Geschichte, und in ein paar Jahren werden die USA und Russland (wieder) hochmoderne Mittelstreckenraketen besitzen.
Da es aber nichts bringt, darüber in Panik zu verfallen, kommen hier 3 Thesen, die all die Schwarzmalerei mit ein paar Grautönen auflockern.
These 1: Unsere erste Sorge sollte nicht Europa gelten
Die damaligen Erzrivalen USA und Sowjetunion trafen sich in den 1980er-Jahren in der geografischen Mitte: Beide hatten ihre Bündnispartner in Europa, und beide richteten massenhaft Raketen mit Atomsprengköpfen auf die Partner des jeweils anderen, also die europäischen Mitglieder der NATO beziehungsweise des Warschauer Pakts. Diese Bedrohung minimierte der INF-Vertrag – da scheint die Angst logisch, dass mit dem Ende des Vertrages die Raketen zurückkommen. Schon läuft in Europa die politische Maschinerie warm, Tagesschau.de über einen Vorschlag deutscher Außenpolitiker, wie Raketenstationierungen abgewendet werden können (2019) die das verhindern soll. Gerade in einigen osteuropäischen Ländern, zum Beispiel im Baltikum, ist die Furcht vor dem östlichen Riesen groß, schließlich hat Russland mit der Krim-Annexion im Jahr 2014 bewiesen, dass es seine Interessen gnadenlos
Es wäre wieder etwas mehr Zündstoff im Pulverfass der europäischen Sicherheitsarchitektur
Allerdings haben die beiden einstigen Blockmächte andere Mittel gefunden, einander militärisch Paroli zu bieten – zum Beispiel Das englischsprachige Online-Medium »The Barents Observer« registrierte schon vor einem Jahr mehr U-Boot-Verkehr vor der norwegischen Küste (englisch, 2018) U-Boote, von denen Marschflugkörper gezündet werden können. Die Sicherheitsarchitektur in Europa kommt weitestgehend ohne Mittelstreckenraketen aus. Wenn Russland seine brandneue in Kaliningrad stationiert, dürften wohl auch die USA Es wäre wieder etwas mehr Zündstoff im Pulverfass der europäischen Sicherheitsarchitektur, aber wie eine Waage, die bereits ausbalanciert ist, wird diese nicht drastisch in Schieflage geraten, wenn auf beiden Seiten etwas in die Waagschalen gelegt wird. Für die NATO bedeutet das alles keinen allzu grundlegenden Strategiewechsel – allenfalls könnte die Bereitschaft steigen,