Du willst nachhaltig einkaufen? Ein Unternehmer verrät, worauf du achten musst
Unser ehemaliger PD-Autor gründete ein klimaneutrales Unternehmen. Wo die Industrie wirklich CO2 sparen kann, diskutieren wir im ersten »Zeigen, was geht«-Podcast.
Wie lösen wir die großen Probleme unserer Zeit im Kleinen?
Gute Frage …
Darum geht es heute in unserem »Zeigen, was geht«-Podcast, den ihr entweder direkt anhören könnt oder hier als gestraffte Leseversion findet. Wir wollen uns mit Menschen austauschen, die einfach mal machen. Die mit ihren Projekten und Unternehmen für eine bessere Zukunft eintreten. Mit meinem heutigen Gast will ich darüber sprechen, ob es möglich ist, Unternehmen klimaneutral zu gestalten.
Für Perspective-Daily-Mitglieder ist er kein Unbekannter, denn er war einst fester Autor. Unter seinen Artikeln wurde oft heiß diskutiert. Er hat Jura studiert, arbeitet aber nicht in einer Kanzlei. Stattdessen führt er heute ein eigenes Unternehmen.
Juliane Metzker:
Hallo, Frederik! Schön, dass du da bist!
Frederik v. Paepcke:
Hallo, ich freue mich sehr.
Du hast Perspective Daily im Juli 2017 verlassen und dann aufgebaut. Was steckt hinter dem Namen?
Frederik v. Paepcke: ist ein aus dem englischsprachigen Raum entnommenes Kunstwort, das vor allen Dingen CO2, aber auch insgesamt den Ressourcenfußabdruck beim Essen beschreibt.
Mein Vater und mein Bruder sind Landwirte. Unternehmertum war etwas, was stets auf meiner Agenda stand. Nach meiner Promotion zum Klimawandel und meiner Arbeit mit Perspective Daily war es für mich eine schöne Möglichkeit, zu versuchen, ein Unternehmen aufzubauen. Das sollte ökonomisch funktionieren, aber eben auch für eine gute Sache stehen und gute Sachen machen.
Uns interessiert vor allen Dingen das konstruktive Konzept dahinter, von dem wir mit Blick auf Konsum und Klimawandel lernen wollen. Bevor wir ganz konkret über Klimaneutralität im Unternehmenskontext diskutieren, lass uns noch einmal über deine Motivation sprechen. Als du damals zu Perspective Daily kamst, hattest du eine inspirierende Geschichte mit im Gepäck. Du hattest an einer UN-Rede des Premierministers des Inselstaats Tuvalu zu den Folgen des Klimawandels mitgeschrieben. Um was ging es dabei?
Frederik v. Paepcke:
Warum ich die Rede selbst eher enttäuschend fand, habe ich in meinem ersten Artikel geschrieben. Aber die Bedrohung, vor der dieses Land steht, ist enorm. Der höchste Punkt von Tuvalu ist 5 Meter hoch. Tuvalu ist ein Atoll, auf dem 12.000 Menschen leben, auf halber Strecke zwischen Neuseeland und Hawaii etwa.
Und es droht wegen des Klimawandels im Meer zu versinken.
Frederik v. Paepcke:
Genau. Und das ist schon ein bedrückendes Schicksal, das, wenn man es in den deutschen Medien liest, weit weg erscheint. Aber wenn man mit den insgesamt 3 Diplomaten von Tuvalu im Büro sitzt und versucht, sich für die Interessen dieses Landes als deutscher Referendar einzusetzen, ist das eine unglaublich spannende Gelegenheit. Meine Promotion handelte genau davon: Was passiert denn mit diesen Ländern, wenn sie erst einmal versinken? Dadurch hat mich das Thema Klimawandel gepackt und nicht mehr losgelassen.
Mehr über das Schicksal des Inselstaats Tuvalu liest du hier:
Es gibt viele Menschen, die sich regelrecht fertigmachen, weil sie nicht wissen, wie sie umweltfreundlich leben können. Bei wem siehst du die Verantwortung für einen nachhaltigen Lebensstil – beim Verbraucher oder beim Anbieter?
Frederik v. Paepcke:
Oder bei der dritten Ebene: der Politik? Wir können die Verantwortung diskutieren oder uns auf die Lösung konzentrieren. Dann geht es weniger darum, ob ich mir einen Vorwurf machen muss, sondern mehr darum, was ich zur Lösung beitragen kann. Ich glaube, das ist die bessere Perspektive. Ich hatte dazu zu Perspective-Daily-Zeiten eine ganz klare Antwort, und zwar, dass wir systematische Veränderungen brauchen.
Kannst du noch einmal kurz erklären, was das ist?
Frederik v. Paepcke: haben keine große Lobby, weil es so schwer ist, sie ganz kurz zu erklären. Abstrakt betrachtet man in diesem Fall den Klimawandel weil man Kosten verursacht, die man aber gar nicht tragen muss. Durch die Verknappung von CO2-Emissionen soll man dafür etwas bezahlen, zudem darf nur eine maximale Menge emittiert werden. Dadurch kann man effektiver als durch Steuern die genaue Menge, die noch emittiert wird, lenken. Ich glaube, marktwirtschaftliche Mechanismen sind besser, um auf dem günstigsten Wege CO2 einzusparen, als zu diskutieren, Fleischesser oder die, die Bösen sind. Das sind alles Themen, über die wir reden müssen. Aber man kann auch schon viel über den Preis regeln.
Sind CO2-Emissionszertifikate heute eine effektive Maßnahme?
Frederik v. Paepcke:
Für mehr Effizienz bräuchten wir ein weltweites Handelssystem für CO2-Emissionszertifikate. Wir haben schon ein europäisches, das lange Zeit sehr ineffektiv war. Mittlerweile hat sich das gebessert. Dennoch sind davon immer noch einige Branchen ausgenommen und außerdem gibt es zu viele Zertifikate. Deshalb sagen viele: Das bringt doch nichts! Ich sehe darin schon die beste Möglichkeit.
Ich glaube aber nicht mehr, dass es reicht, nur auf systematischer Ebene anzusetzen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, weil der Zeitdruck so groß ist. Ohne eine gemeinsame Anstrengung von Politik, Unternehmen und Individuen wird es unglaublich schwer, dieses Ziel von 1,5 Grad Celsius zu halten.
»Das heißt, wenn wir hier betrügen wollten, wäre das durchaus möglich«
Du führst ein Unternehmen, das sich Klimaneutralität auf die Fahnen geschrieben hat. Was bedeutet das?
Frederik v. Paepcke:
Klimaneutralität an sich bedeutet erst mal nicht, dass keine CO2-Emissionen stattfinden, sondern, dass man diese erfasst und kompensiert. In der Regel passiert das über den Kauf von Zertifikaten, die in Klimaschutzprojekte investieren. So wird an anderer Stelle CO2 gebunden.
»Klimaneutralität« ist kein geschützter Begriff. Wer kontrolliert, ob ein Unternehmen wirklich klimaneutral ist, wenn es damit wirbt?
Frederik v. Paepcke:
Das findet bei allen mir bekannten Unternehmen durch irgendeine Form von externem Dienstleister statt. Das ist keine staatliche Autorität, sondern in der Regel ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Und im Fall von Better Foodprint basiert das auch auf Angaben, die wir selbst machen. Das heißt, wenn wir hier betrügen wollten, wäre das durchaus möglich.
Was wir machen: Wir rechnen aus, wie viel wir emittieren, verdoppeln quasi die Summe und kompensieren dann das, weil es bei uns gern noch ein bisschen mehr Klimaschutz sein darf.
Es gibt verschiedene Formen, wie man als Unternehmen klimaneutral agieren kann. Es gibt die CO2-Zertifikate, die Kompensation, oder man reduziert seinen Ausstoß selbst.
Frederik v. Paepcke:
In Sachen Nachhaltigkeit ist Verzicht meist das effektivste Mittel. Und wenn das nicht geht, dann sollte man über Reduktion nachdenken. den wir haben, immer noch einen CO2-Fußabdruck. Aber dadurch, dass er mit einem Segelschiff transportiert wird, ist der viel geringer. Dann kompensieren wir noch den Restfußabdruck.
Worauf achtet ihr denn bei eurer Produktauswahl generell, wenn ihr das Ziel habt, klimaneutral und umweltfreundlich zu sein?
Frederik v. Paepcke:
Wir haben uns auf Produkte spezialisiert, auf die nicht jeder verzichten will und Wenn man sich am Ende die Kalorie im Fleisch anguckt oder auch den Nährstoffgehalt und was dafür alles erforderlich war, dann ist das allein schon eine verheerende Bilanz. Und wenn man dann noch hinzunimmt, dass manchmal Soja in den ehemaligen Regenwaldgebieten in Südamerika angebaut wird, um Schweine zu füttern, die dann wiederum hier gegessen werden – dann ist das leider ein großes Problem und eine irre Ressourcenverschwendung.
Gleichzeitig haben wir mit Wildfleisch ein Produkt, was an einem unglaublichen Nachfragemangel leidet, obwohl es die maximal nachhaltige Alternative wäre. Meine Theorie: Die Jagd hat ein schlechtes Image.
Wildfleisch ist ein kontroverses Thema, über das Frederik und Mitglieder von »Perspective Daily« bereits heiß diskutiert haben.
Frederik v. Paepcke:
Unter dem Gesichtspunkt des Ressourceneinsatzes, den ich als nachhaltig für mich definiert habe, ist Wildfleisch nachhaltiger als ein Biosalat, weil ich keine Fläche dafür benötige. Die Tiere laufen so lange im Wald herum, bis sie erlegt werden. Ich muss gar nichts bewirtschaften. Gut, am Ende fällt schon noch ins Gewicht: der Aufbau von Hochsitzen und die Jäger, die mit dem Auto oder dem Flugzeug anreisen.
Dennoch ist Wildfleisch in puncto CO2 viel besser als Rindfleisch, doch die Nachfrage ist gering. Gleichzeitig wächst der Fleischhunger und Massentierhaltung wird kritisiert.
Das ist aber keine Lösung für den Massenmarkt. Wenn der größte Fleischproduzent Tönnies jetzt nur noch Wildtiere schießen ließe, dann wäre der Wald doch ratzfatz leer, oder?
Frederik v. Paepcke:
Beim Wildfleisch gibt es Abschussquoten für viele Wildarten, die für diese Form von Ernährung infrage kämen. Mit Wildfleisch könnte man nie den Fleischhunger der Deutschen stillen. Es ist tatsächlich nur eine individuelle Lösung. Makroökonomisch funktioniert das natürlich nicht.
»Die Dosis macht das Gift«
Wir müssen also schlussendlich lernen, zu verzichten.
Frederik v. Paepcke:
Und das am besten ohne ideologischen Zeigefinger und Slogans wie »Fleisch ist Mord«. Denn die Dosis macht das Gift. Ich kann das ethisch nachvollziehen, wenn man sagt, Tiere sollte man überhaupt nicht essen. Es ist nicht meine persönliche Ethik. Ich finde es deshalb schade, mit welcher Inbrunst um solche Themen Stellvertreterdebatten gefochten werden, und am Ende teilt man sich nur in Lager, wo man jeweils denkt »Was für Spinner!«, statt zu versuchen, die gemeinsame Schnittmenge zu finden. Das gemeinsame Interesse fast aller Menschen ist es doch schon, dass man das Ganze erhalten will.
Da wir vorhin von Kontrolle und Organisation sprachen – was hat es damit auf sich?
Frederik v. Paepcke:
Das ist ein Zusammenschluss von Unternehmen, die sagen: Wir wollen bis 2022 spätestens klimaneutral sein. Wir machen mit, weil wir natürlich erst einmal diese Forderung unterstützen. Denn die meisten Unternehmen unterschätzen, wie günstig das ist.
Es gibt sicher viele Unternehmen, die sich vor den Kosten scheuen. Was sind denn die Hürden, aber auch Vorteile? Sind die Zweifel und Ängste berechtigt?
Frederik v. Paepcke:
Das kann man so pauschal natürlich nicht beantworten. Für die meisten Unternehmen ist es durchaus möglich. Meine Wahrnehmung ist, dass viele Unternehmer glauben, dass Klimaneutralität ganz furchtbar teuer und unglaublich kompliziert für sie wird. Dabei gibt es mittlerweile Dienstleister, die den Prozess begleiten und nicht so teuer sind.
Mittlerweile fragen sich mehr und mehr Unternehmen: Ist es nicht vielleicht für uns bilanziell sogar gut, wenn wir damit werben können, klimaneutral zu sein? Es gibt jetzt viele Interessierte, nicht nur die Überzeugungstäter, die da aufspringen. gibt es mehr und mehr Unternehmen, die vielleicht gar nicht den Antrieb haben, den Planeten retten zu müssen, sich aber anschließen.
Was willst du denn noch besser machen?
Frederik v. Paepcke:
Wo soll ich anfangen? Das Thema Plastik und Müllvermeidung ist immer ein wichtiges. Das darf man nicht vergessen. Ich würde gern die Produktpalette erweitern, denn das Unternehmen kann nur dann Gutes tun, wenn es auch profitabel wird – und das soll nicht nur in der Weihnachtszeit sein. Ich würde auch gern mehr bloggen und schreiben. Ich habe das Gefühl, am besten wäre es, wenn ich meine »Hidden Beauties«, die hässlichen Tannenbäume, für sich selbst sprechen lasse. Nachhaltigkeitsdebatten sind manchmal so schwer zu führen, da ist es vielleicht verständlicher, Figuren darin zu konstruieren, die ein bisschen übertrieben sind.
Genug »Zeigen, was geht« für heute. Nun liegt es an euch, liebe Hörerinnen und Hörer – wollt ihr mehr Podcasts dieser Art, in denen ihr Macherinnen und Macher kennenlernt? Habt ihr Verbesserungsvorschläge? Oder kennt ihr interessante Menschen, bei denen wir uns melden sollten?
Mit Illustrationen von
Mirella Kahnert
für Perspective Daily
Juliane schlägt den journalistischen Bogen zu Südwestasien und Nordafrika. Sie studierte Islamwissenschaften und arbeitete als freie Journalistin im Libanon. Durch die Konfrontation mit außereuropäischen Perspektiven ist ihr zurück in Deutschland klar geworden: Zwischen Berlin und Beirut liegen gerade einmal 4.000 Kilometer. Das ist weniger Distanz als gedacht.