Trotz Klimakrise: Jetzt ist der beste Zeitpunkt, um Kinder zu bekommen!
Das Vatersein hat mich überzeugt: Auf Nachwuchs zu verzichten ist keine Lösung. Denn unsere Kinder werden wohl trotz globaler Erwärmung ein gutes Leben führen können. Und den Klimaschutz werden sie eher antreiben als bremsen.
Vor 3 Jahren kam meine Tochter auf die Welt. Kurz darauf habe ich in einem Kommentar geschrieben, warum ich es trotz Klimakrise für richtig halte, Kinder in die Welt zu setzen. Lese ich diesen Text heute, versetzen mich meine Worte in die damalige Situation. Ob mit dem Neugeborenen im Arm, an der Wickelkommode oder bei den ersten Spaziergängen: Ich erinnere mich, wie diese unangenehme Frage immer wieder in meine Blase der Glückseligkeit gepikst hat. Wie mir die Angst vor der drohenden Katastrophe aus dem Nichts heraus in den unschuldigsten Situationen wie ein kalter Schauer über die Haut kroch. Und ich möglichst schnell vor ihr flüchtete.
Aus heutiger Sicht ist mir bewusst, dass mich die Klimakrise zu dieser Zeit ohnehin psychisch stark angepackt hatte. Ich mied es zum Teil schon vor der Geburt, tiefergreifend über die echten Implikationen des Klimawandels nachzudenken oder zu lesen – nicht leicht in meinem Job als Autor für Klimafragen –, weil mich die düstere Perspektive zu sehr bedrückte. Ein Kind zu bekommen wirkte in dieser Phase wie ein Katalysator: Es verstärkte meine Ängste und Sorgen und machte es zugleich schwerer, ihnen zu entkommen. Mit meinem Kommentar, das sehe ich heute, wollte ich auch mich selbst beruhigen. Das Schreiben des Textes als eine Art Selbstvergewisserung, das unschuldige Kind nicht wider besseres Wissen in die Welt gebracht zu haben.
Nun hat meine Kollegin Maria vor einigen Monaten in einem
Woran das liegt, möchte ich in diesem Text erklären. Und um ein Missverständnis von vornherein auszuräumen: Ich möchte niemandem Rat erteilen, wie er mit dieser so schwierigen Entscheidung umgehen soll, sondern lediglich darlegen, wie sich meine eigenen Gedanken und Gefühle dazu verhalten.
Kinder hatten es nie besser
Die Überlegung, dass Kinder und Klima nicht zusammenpassen, funktioniert ja in beide Richtungen: Einen neuen Menschen in eine Welt zu setzen, die von Dürren, Hitze und politischer Instabilität gezeichnet ist, empfinden viele als eine Zumutung für das Kind selbst. Denn wer weiß schon, wie schlimm es zu dessen Lebzeit noch werden wird? Umgekehrt werden Kinder, die selbst einmal konsumieren, wohnen, essen und reisen wollen, dabei selbst Emissionen ausstoßen und zur Klimakrise beitragen. Die Klimakrise ist also schlecht für die Kinder und die Kinder machen die Klimakrise noch schlimmer, so die Überlegung.
Bei genauerem Hinsehen jedoch, so meine ich, sind beide Argumentationen nicht lange haltbar. Fangen wir mit der ersten an. Einem Kind sei ein Leben mit einem sich erhitzenden Klima und all den damit verbundenen Unwägbarkeiten nicht zumutbar. Heißt im Umkehrschluss: Es ist nur dann ethisch und moralisch vertretbar, Nachwuchs zu bekommen, wenn diesem ein friedliches, gesundes, glückliches und langes Leben nahezu garantiert ist. Aber wann in der Menschheitsgeschichte soll das der Fall gewesen sein?
Ob in der Steinzeit, der Antike oder im Mittelalter, aber auch noch im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts: Eine hohe Kindersterblichkeit und Armut, also auch Krankheit, Hunger und Elend waren für die allermeisten unserer Ahnen der absolute Regelfall. In einer
Jene, die überlebten, waren in der Regel bitterarm.
Ein Kind, das heute in Deutschland zur Welt kommt, erreicht

Früher haben Menschen Kinder bekommen, obwohl Seuchen und Pandemien schnell große Teile der Bevölkerungen dahinrafften. Heute haben wir gerade eine globale Pandemie hinter uns und sind – ohne die Folgen der Coronapandemie verharmlosen zu wollen – mit einem blauen Auge davongekommen. War es nun unethisch und moralisch verwerflich von unseren Urahnen, sich trotz aller Unwägbarkeiten fortzupflanzen und unser Leben so erst zu ermöglichen? Oder waren Ungewissheit und die gleichzeitige Hoffnung auf Besserung nicht immer im Tiefsten damit verbunden, Nachwuchs in die Welt zu setzen?
So eindrücklich der Blick in die Geschichtsbücher ist, so wenig nötig ist er, um sich zu verdeutlichen, wie gut es Kinder in Deutschland und Europa haben. Ein Blick in ärmere Regionen der Welt zeigt auch heute: Trotz aller Fortschritte sind Bildung, gute Ernährung, Wohlstand und Freiheit nicht überall auf der Erde eine Selbstverständlichkeit. In Deutschland aber – zumindest auf absehbare Zeit und mit hoher Wahrscheinlichkeit – eben schon. Wir hüten uns zu Recht davor, Menschen dafür zu verurteilen, dass sie Kinder in deutlich prekärere Umfelder setzen. Warum sollen dann Göttingen, Kassel oder Mannheim keine geeigneten Orte für eine friedliche Kindheit sein?
Einen besseren Start ins Leben als im Hier und Jetzt konnten Eltern ihren Kindern statistisch kaum jemals garantieren. Doch wird das so bleiben? Wie sieht es in Zukunft aus? Die schlimmsten Folgen des Klimawandels stehen uns schließlich erst noch bevor …
Der Klimawandel wird schlimmer – aber auch unzumutbar schlimm?
Die Vorhersagen fürs Weltklima sind düster, das stimmt: Auch in Deutschland wird es heiß und trocken, Fluten und Dürren werden zur Normalität. Wie die Journalisten
Natürlich reicht dieser Vergleich nur ein Stück weit, in Spanien haben sich Mensch und Natur über lange Zeit an das vorherrschende Klima angepasst. Das war möglich, da es über große Zeiträume hinweg stabil war. In Deutschland ist das neu, es geschieht in rasantem Tempo. Das wird die Wirtschaft, die Ernährung, unsere Gewohnheiten, unsere Landschaften, ja unser gesamtes Leben stark verändern. Ist das unzumutbar? Müssten Menschen, die heute im Süden Spaniens leben oder gar in noch heißeren und trockeneren Gebieten wie im Nahen Osten oder in Mexiko, das menschliche Leben schon jetzt besser auslaufen lassen?
Um es an dieser Stelle noch einmal klarzustellen: Ich möchte auf keinen Fall die Dramatik des Klimawandels herunterspielen. Natürlich werden diese Veränderungen viele Opfer fordern, tun es schon heute. Doch mein Eindruck ist: Es ist durchaus gut möglich, dass unsere Gesellschaft Wege findet, mit diesen Veränderungen adäquat umzugehen. Dass unsere Kinder gute Möglichkeiten haben werden, sich in diesem Umfeld ein insgesamt gutes Leben einrichten zu können, trotz aller Unwägbarkeiten. Gewissheit dafür gibt es heute so wenig wie gestern. Aber Zuversicht, dass das weiterhin möglich ist, ist nicht naiv, sondern durchaus angebracht. Um es noch mal klar zu sagen: Das ist kein »Wird schon nicht so schlimm werden …«, sondern vielmehr ein »Wir müssen jetzt alles dafür tun, damit es nicht zu schlimm wird – aber das können wir schaffen!«
Grund zur Zuversicht geben etwa diese Zahlen: Vor etwa 10 Jahren war die Erde im Szenario »Business as usual« noch auf dem Weg zu 4–5 Grad Celsius Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts. Dank der politischen Fortschritte – so unzufriedenstellend sie bisweilen auch sein mögen –
Wir sind heute an einem Punkt, an dem – abgesehen von
Ähnliches gilt für die Kostenentwicklung von Akkus: Bei Elektroautos spricht heute kaum noch jemand von Reichweitenproblemen. Offensichtlich können positive Entwicklungen so unheimlich viel schneller vonstattengehen, als wir uns das vorstellen mögen. Bedenkt man, wie viel Bewegung derzeit in der

Ist mein Kind schlecht fürs Klima?
Nun kehren wir die Sache um: Ist es nicht unethisch, ein Kind zu bekommen, weil dieses den Klimawandel mit anheizt?
Im Jahr 2017 sorgte eine Studie für Aufsehen, die berechnete, welchen Einfluss persönliche Entscheidungen aufs Klima haben –
Aber werden unsere Kinder das wirklich?
Die Lösung im Kampf gegen den Klimawandel ist es, unser Verhalten und unseren Konsum weitestgehend von Treibhausgasemissionen zu entkoppeln. Also Wege zu finden, um das, was wir gerne und häufig tun, auch künftig tun zu können – nur eben ohne dabei CO2 zu emittieren. E-Autos, Holzhäuser, Wasserstoffhochöfen. Ich will nicht ins Horn derer blasen, die meinen, mit der passenden Technik könne alles so weiterlaufen wie bisher; selbstverständlich müssen wir auch unsere Konsumkultur und unser Verhalten ändern, allein weil zu viele andere Probleme wie etwa Ressourcenverbrauch oder
Für Emissionen, bei denen das schwierig ist, werden wir einen Mischweg gehen müssen, bei dem wir einerseits weniger davon konsumieren und gleichzeitig die restlichen Emissionen an anderer Stelle ausgleichen. Beispiel Fliegen: In einer CO2-neutralen Welt wird das vielleicht seltener und teurer stattfinden können, die Emissionen dafür müssen gleichzeitig an anderer Stelle ausgeglichen werden.
Das Ziel, das wir erreichen müssen und wahrscheinlich werden, ist klar: Eine Welt, in der das Leben eines Menschen den globalen Treibhauseffekt nicht befeuert. In einer solchen Welt wird mein Kind keine Last mehr fürs Klima darstellen.
Aus diesem Grund ist die vermeintliche Überbevölkerung unserer Erde, die immer wieder als Hauptursache für die Klimakrise aus dem Hut gezogen wird, nicht das wahre Problem. Schon heute ist nicht die Quantität des menschlichen Lebens der Treiber der globalen Emissionen, sondern die Qualität des Lebens einer Minderheit:
Zu guter Letzt glaube ich, dass die Kinder jener Menschen, die sich ums Klima sorgen, wichtig und wertvoll für den Kampf gegen die Klimakatastrophe sind. Wer Kinder hat, erzieht diese und gibt dabei Werte und Normen an sie weiter, prägt ihre Gewohnheiten und ihre Sicht auf die Welt. Sie werden die Fridays-for-Future-Generation von morgen bilden, die den Wandel weiter voranbringt.
Ist es zynisch, dass ich mein Kind in eine Welt bringe, in der es für eine gute Zukunft kämpfen muss? Ich glaube, genau das ist ein integraler Teil des Lebens. Es ist ein Privileg für mich – und auch für meine Kinder –, diesen Kampf auf der politischen, medialen und gesellschaftlichen Bühne kämpfen zu dürfen, ohne Gefahr zu laufen, dafür Gewalt oder Ausgrenzung, Armut oder Haft in Kauf nehmen zu müssen; ohne tiefgreifende persönliche Opfer bringen zu müssen. Unsere Generation kann und muss so viel tun für Klimagerechtigkeit, wie sie kann. Für unsere Kinder. Mit unseren Kindern.
Mit Illustrationen von Claudia Wieczorek für Perspective Daily