Wenn ich sterbe, feiert mich!
Über den eigenen Tod nachzudenken ist schwer und abstrakt, aber sehr wichtig. Darum teile ich meine Bestattungswünsche mit euch. Lasst uns gemeinsam über das Thema sprechen.
Warum sind Beerdigungen immer so verdammt erschlagend?
Das ist eine Frage, die mich schon lange beschäftigt – jetzt wieder. Vor einigen Wochen starb meine Oma und es gab eine Beisetzung auf unserem kleinen Dorffriedhof mit einer Trauerfeier im engsten Familienkreis. Meine Oma hatte nie etwas für Schnickschnack übrig, sie war eher praktisch veranlagt und kam gleich zum Punkt. So war auch die Zeremonie: schlicht. Sie hätte ihr wahrscheinlich gefallen. Das ist wichtig, doch nicht alles.
Mich persönlich hat die Zeremonie erdrückt. Natürlich geht es bei einer Beerdigung um Abschied und
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Auch ich habe auf der Zeremonie schwarz getragen, weil »man es eben so macht«. Was ich lieber getan hätte, wonach jede Faser meines Körpers während der für mich erdrückenden Zeremonie geschrien hat: Ich will Abschied nehmen, indem ich würdige, was meine Oma und mich verband! Ich will mich erinnern, welche Rolle sie in meinem Leben gespielt hat.
Stattdessen sind alle nach dem Abschiedsgottesdienst wieder ihres Weges gefahren und gegangen. Alle haben den Weg der Trauer allein beschritten. Über Oma gesprochen wurde danach noch kaum, da es hauptsächliche Dinge zu erledigen gab – mit der Krankenkasse, der Pflegeversicherung und dem hinterbliebenen Haushalt.
Ich finde, wir müssen Trauern neu denken. Dass ich mit meinen Erfahrungen und Gefühlen nicht allein bin, zeigt eine Umfrage eines britischen Beerdigungsplanungsunternehmens aus dem Jahr 2022, woran mehr als 17.000 Menschen teilgenommen haben. »Es gibt einen weit verbreiteten Trend, das gelebte Leben zu feiern und nicht den Tod zu betrauern«, schreibt das Unternehmen in seinem
In diesem Text möchte ich dir zeigen, wohin meine Überlegungen führten.
Es geht auch anders: Kulturen, die den Tod feiern
Dabei gibt es sogar innerhalb einer Personengruppe oder einer Familie Unterschiede des Trauerns – je nachdem, wie Menschen aufgewachsen sind und erzogen wurden und was sie (altersbedingt) schon erlebt haben.
Auch ist Trauern kulturell und religiös geprägt, belegen die beiden Forscher:innen. In Deutschland und anderen christlich geprägten Ländern werden Beerdigungen und Gedenkfeiern oft als formale und komponierte Veranstaltungen organisiert. In vielen Fällen scheint heutzutage der Schwerpunkt eher auf dem Tod als auf dem Leben der Person zu liegen, während sich von den Toten selbst distanziert wird. Die Trauerarbeit findet meist im privaten Raum statt.
Doch es gibt auch viele Kulturen, die den Tod anders handhaben und neben der Trauer das Leben der Verstorbenen feiern. Sie zeigen, wie anders Abschiednehmen aussehen kann und dass es auch ohne schwarze Kleidung, Orgelmusik und getragene Mienen geht:
- Mexiko: Eine Parade zur Feier der Toten. Bilder der farbenfrohen Aufzüge am mexikanischen Feiertag Día de los Muertos gehen jedes Jahr durch die Medien und faszinieren Menschen schon lange. An diesem Feiertag versammeln sich Familie und Freund:innen, ziehen sich bunt an, schmücken die Straßen mit Girlanden und Skelettpuppen. Sie gehen gemeinsam auf Friedhöfe und errichten private Altäre mit den Lieblingsspeisen und -getränken der Verstorbenen sowie mit Fotos und persönlichen Gegenständen. Damit wollen sie die Seelen der Verstorbenen ermutigen, anwesend zu sein, damit sie die Gebete und Geschichten der Lebenden hören können. Die Atmosphäre ist oft heiter und unterhaltsam.
Unser Gastautor Felix Franz war bei den Feierlichkeiten am Feiertag Día de los Muertos in Mexiko vor Ort und hat 2018 für Perspective Daily berichtet: - Bali: Verstorbene im Familienkreis aufbewahren. Ein Beerdigungsritual, das auf Bali durchgeführt wird, nennt sich »Ngaben«. Es soll den Verstorbenen helfen, sie in das nächste Leben zu schicken. Während dieser hinduistischen Zeremonie wird der Körper des Verstorbenen zur Schau gestellt, als ob er schlafen würde. Die Familie behandelt den Verstorbenen weiterhin so, als ob er noch am Leben wäre. Tränen zu vergießen gehört nicht zum guten Ton, denn der Verstorbene gilt als nur vorübergehend abwesend. Er wird wiedergeboren oder zur Erleuchtung finden. Der Höhepunkt eines Ngaben ist die Verbrennung des Sarges. Das Feuer soll den Geist vom Körper befreien und ihm die Wiedergeburt ermöglichen. Für wohlhabende Angehörige ist es üblich, das Ritual für den Verstorbenen innerhalb weniger Tage nach dessen Tod individuell durchzuführen. Bei den weniger Privilegierten wird der Verstorbene jedoch oft zuerst begraben und später zusammen mit den anderen Toten des Dorfes in einer Massenzeremonie eingeäschert.
- Louisiana: Eine Jazz-Beerdigung. New Orleans im Süden der USA ist für seine Jazz-Begräbnisprozessionen bekannt, bei denen eine Blaskapelle feierliche Musik auf dem Weg zum Grab spielt.
- Ghana: Individuell gestaltete Särge.
Von den Beispielen ermutigt habe ich für mich entschieden, es anders zu machen.
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Wie ich meine Trauerfeier in die eigene Hand nehme: die Bestattungsverfügung
Ich weiß nicht, wie ich sterben werde –
Dabei stoße ich direkt auf die erste Frage: Wo kann ich überhaupt Wünsche für meine eigene Bestattung festhalten?
Zuerst dachte ich, meine Wünsche gehörten in mein Testament. Nach einiger Recherche lernte ich allerdings, dass das Testament nicht der richtige Ort ist. Denn es kann Tage oder Wochen dauern, bis es nach dem Tod geöffnet wird. In dieser Zeit ist die Beerdigung schon längst vorbei.
Was ich Wichtiges gelernt habe:
- Das Dokument muss mit Datum und einer Unterschrift versehen sein, damit es keinen Zweifel an seiner Echtheit gibt. Um jegliche Missverständnisse auszuschließen und seine Echtheit zu bescheinigen, kann die Bestattungsverfügung von einem Notar oder einer Notarin beglaubigt werden, muss sie in der Regel jedoch nicht.
- Die Bestattungswünsche, die in der Verfügung festgehalten sind, sind für die Angehörigen gesetzlich bindend – solange sie rechtlich und auch finanziell umsetzbar sind.
- Das Dokument sollte dort aufbewahrt werden, wo andere es schnell finden können. Der Ort sollte Angehörigen bekannt sein. Ich lege das Schriftstück zu anderen persönlichen Vorsorgedokumenten, wie der Patientenverfügung.
- Je nachdem, was das Leben noch so bringen mag, kann das Dokument jederzeit angepasst und widerrufen werden.
Was sind eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung? Das sind sehr wichtige Dokumente, worüber sich jeder Mensch nach seinem 18. Lebensjahr Gedanken machen sollte. Das ist auch gar nicht so schwer. Wofür sie gut sind und wieso jede:r sie braucht, erklärt Anne Herr hier:
Weil das Reden über den Tod so wichtig ist und vielleicht Menschen dazu bringt, ihre eigenen Hürden zum Thema zu überwinden, zeige ich dir einfach das Dokument, das ich für mein Ableben geschrieben habe:
Ich, Désiree Sophie Schneider, [es folgen mehr persönliche Informationen] erkläre in dieser Verfügung, welche Wünsche ich zu meiner Bestattung habe.
Um die Bestattung soll sich mein Ehemann kümmern. Der Bestattungsort ist mir egal. Wenn möglich soll er dort sein, wo zur Zeit meines Todes mein Lebensschwerpunkt war und die meisten Menschen, die mich mögen, wohnen. Ich möchte eine Feuerbestattung und möchte anschließend in einer Waldbestattung unter einem Baum beigesetzt werden. Welcher Waldfriedhof, ist mir nicht wichtig, einer, der in der Nähe ist, sodass Angehörige ihn erreichen können, wenn sie sich einen Ort des Gedenkens wünschen. Ich wünsche mir kein Grabmal, höchstens eine kleine Namenstafel an einer Sammelwand. Es sollen keine Trauerkarten verschickt werden und es muss auch keine Traueranzeige in der Zeitung geben.
Die Größe der Trauerfeier, ob im engsten Familien- und Freundeskreis oder im erweiterten, überlasse ich der Entscheidung der Hinterbliebenen. Das sollen sie nach ihrem persönlichen Ermessen, Gefühlen und Kapazitäten entscheiden. Eine Namensliste von Menschen, die mir wichtig sind und die ich zu meinem engsten Freundeskreis zähle, füge ich an.
Die Trauerfeier selbst soll nicht religiös sein. Sie soll je nach Wetter gerne draußen im Wald stattfinden. Der Waldfriedhof wird sicherlich einen entsprechenden Veranstaltungsort dafür bereitstellen. Stellt gerne ein paar bunte Blumen auf, wenn es bunte Blumen in der Saison gibt. Grüne Gestecke finde ich auch wunderschön. Wer mag, soll gerne Bilder und lustige Aufnahmen von mir mitbringen und diese auf einer Leinwand zeigen. Über die Jahre sollte sich wegen meiner Tollpatschigkeit so einiges angesammelt haben. Wer mag, kann auch gerne eine kurze Toastrede halten.
Das Wichtigste ist mir jedoch: Stoßt einmal auf mich an, mit Sekt, Bier, Mate-Tee, Wasser, Apfel- oder Karottensaft – das ist mir egal. Kleidet euch bunt, wenn ihr euch danach fühlt. Allzu dunkle Kleidung würde ich ungern sehen. Kommt zusammen und versucht an die schönen Zeiten zu denken, die wir gemeinsam hatten. Nehmt euch einen Nachmittag Zeit und Raum zum Geschichtenerzählen, Weinen, Lachen und In-den-Arm-Nehmen. Feiert mich und das Leben! Zur Verstärkung soll es veganen gedeckten Apfelkuchen geben, das allerweltbeste Rezept von meiner Oma findet ihr in meinem Rezeptebuch.
Es wird ein Treuhandkonto für die Bestattungskosten geben, darum kümmere ich mich gerade.
Über Trauer und Tod zu reden, tut gut
Wie ging es dir dabei, diesen Text zu lesen? Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass jedes Gespräch dabei hilft, die Gefühle des Alleingelassenseins und der Überforderung zu bekämpfen, die in der konkreten Situation aufkommen. Deshalb: Lasst uns darüber reden!
Berichte mir in den Kommentaren gerne von deiner Trauererfahrung oder erzähle uns von deinen eigenen Bestattungswünschen. Hauptsache, wir tauschen uns endlich über dieses wichtige, aber auch sehr persönliche Thema aus.
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily