Weltweit versuchen rechtsradikale und -extreme Parteien, Klimaschutz zu blockieren und gegen ihn zu mobilisieren. Mit Erfolg. Ihre Framings lenken von lösungsorientierten Diskussionen ab. Sie emotionalisieren – und genau das ist es, was Rechtsradikale schaffen wollen: In Deutschland treibt das vor allem die AfD voran.
Doch warum hat sie so viel Erfolg, obwohl sie den menschengemachten Klimawandel leugnet? Trägt vielleicht genau das dazu bei, dass immer mehr Menschen in Deutschland mit ihr sympathisieren?
Diese Fragen beantwortet . Der Soziologe recherchiert seit Jahren, welche Narrative rechte Parteien nutzen, um Menschen für ihre Zwecke und gegen den Klimaschutz aufzuhetzen. Er erklärt, wie sie sich dabei ein weltweites System der Ungleichheit zunutze machen.
Désiree Schneider:
Herr Salheiser, warum müssen wir über Klimarassismus reden?
Axel Salheiser:
Über Jahrhunderte hinweg haben Industrienationen des Globalen Nordens Länder des Globalen Südens ausgebeutet. Dadurch sind weltweit starke soziale und gesellschaftliche Ungleichheiten entstanden. Nun treffen die Folgen dieser industriellen Ausbeutung von Mensch und Natur vor allem die Ärmeren, die Schwächeren. Welche Klimafolgen es gibt, können wir schon lange beobachten: ansteigende Temperaturen, Hitzewellen, Trockenheit, das Absinken des Grundwasserspiegels, steigende Meeresspiegel durch abschmelzende Polkappen. Manche Südseeinseln sind schon am Untergehen. Menschen müssen flüchten.
Diejenigen, die also am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, leiden am meisten unter ihr und haben oftmals auch nicht die Mittel, sich davor zu schützen?
Axel Salheiser:
Ja. Hierzulande scheinen viele Menschen anzunehmen, dass das der natürliche Lauf der Dinge ist. Die Vorstellung, die der Annahme zugrunde liegt, wurde durch koloniale Ideologie und die Ausbeutungsverhältnisse zementiert. Die Art, wie wir produzieren und konsumieren, erscheint den Menschen heute völlig normal. Gleichzeitig sehen wir rücksichtslos dabei zu, wie Menschen an anderen Orten der Welt unter den Folgen leiden.
Diese globale Struktur wird in der internationalen aktivistischen Szene und in der Klimagerechtigkeitsbewegung als Klimarassismus bezeichnet. Auch im nicht deutschsprachigen Raum etabliert sich der Begriff langsam. Es geht nicht darum, individuelle Einstellungen als rassistisch zu bezeichnen. Das Wort Klimarassismus kennzeichnet vielmehr ein gesellschaftliches Strukturprinzip, das die globalen Ausbeutungsverhältnisse zutage bringt, von denen die Industrienationen profitieren. Es ist ein Begriff, der die globale strukturelle Ungleichheit kritisieren und analysieren soll. Und er ist auch ein politisches Programm.
Inwiefern?
Axel Salheiser:
Antidemokratische Akteure bedienen sich beispielsweise einer klimarassistischen Argumentation, wenn sie ökologische Politik ablehnen. Sie verhindern oder bremsen Klimaschutz aus und begründen es damit, dass sie unseren westlichen Wohlstand, Arbeitsplätze, unsere Konsumgewohnheiten und Kultur beschützen wollen.
Dann gibt es auch Rechte, die noch weitergehen. Sie haben zwar Umweltschutz im Blick, doch verbinden dies mit einem rassistischen Programm. Sie argumentieren, dass die des Globalen Südens an den Klimaproblemen schuld sei, und negieren die Verantwortung der Industrienationen. Dadurch werden Konsum- und Produktionsweisen sowie die fossile Energieerzeugung aufrechterhalten und eine gewisse Ressourcen- und Machtverteilung propagiert. Klimaschäden werden heruntergespielt oder ausgeblendet.
Ist das nicht genau das, was die AfD in Deutschland macht?
Axel Salheiser:
Ja. Die AfD ist die politische Kraft in Deutschland, die am schärfsten und auch am deutlichsten für antiökologische Positionen steht, die Klimaschutz abwehren. Sogar noch stärker als andere radikal bis extrem rechte und neonazistisch orientierte Kleinstparteien.
Die AfD behauptet, dass eine ideologisch getriebene Elite unnötige Klimaschutzpolitik propagiere, die mit starken Einschränkungen für unsere Produktions- und Lebensweise einherginge. Sie versucht, bei ihren eigenen Wähler:innen und in der Gesellschaft das Narrativ zu verbreiten, Klimaschutz sei nicht nur übertrieben, sondern völlig sinnlos. Die AfD ist die einzige Partei in Deutschland, die den menschengemachten Klimawandel leugnet.
Steht das auch so im Wahlprogramm?
Axel Salheiser:
Es ist förmlich ins Partei- und ins der AfD gegossen. Darin steht auch, dass es sich bei der derzeitigen Klimaschutzpolitik um eine Ideologie handele, die volks- und wohlstandszerstörend sei. Dabei ist das Gegenteil der Fall.
Was erhofft sich die AfD von diesem Narrativ?
Axel Salheiser:
Sie sendet ein Signal an ihre Wähler:innen: Warum sollten wir uns ändern? Ihr Programm legitimiert es, zu verharren, widerständig zu sein. Gleichzeitig soll das Vertrauen in Institutionen und die etablierten Parteien, die sich Klimaschutz auf ihre Fahnen geschrieben haben, weiter ausgehöhlt werden.
Die Klima- und die Energiefrage eignen sich vor dem Hintergrund der globalen Klimakrise, der Energiekrise und der Inflation hervorragend dazu, Feindbilder zu konstruieren. Das macht die AfD. Die Grünen werden noch vor der Linkspartei und den Sozialdemokraten als Hauptfeind konstruiert. Das ist nichts Neues. Die Rede von einer grünen Verbotsideologie, die Menschen gängele, führt die AfD schon lange. Das ist offensichtlich anschlussfähig für einen gewissen Teil der Bevölkerung, der ohnehin schon unzufrieden ist.
Die AfD scheint einen Nerv zu treffen; Trägt die Ablehnung des Klimaschutzes zu ihrem Erfolg bei?
Axel Salheiser:
Es ist nicht einfach einzuschätzen, welchen Anteil klimarassistische und antiökologische Mobilisierung daran haben. Dass zurzeit vor allem die Migrationsfrage zum Erfolg der AfD beiträgt, sollte unumstritten sein. Auch dieses Narrativ wird mit Dystopien über Migration aus Afrika befeuert, vor denen die »Festung Europa« sich schützen solle. Wenn am Sonntag Bundestagwahl wäre, würden 23% der Deutschen die AfD wählen, ein Höchstwert der neuen Forsa-Umfrage
Viele kumulierende Krisen – die Corona- und die Energiekrise, Inflation sowie der Ukrainekrieg – und unser Umgang mit ihnen haben dazu geführt, dass das Vertrauen in politische und wissenschaftliche Institutionen und die Medien sehr stark gesunken ist. Wir wissen aus allgemeinen .
Menschen reagieren verhalten, wenn es heißt, sie müssen ihre Stabilität aufgeben, während sie verunsichert in einer unstabilen Zeit mit Zukunftsängsten leben. Hinzu kommen uneingelöste Versprechen und Erwartungen an eine Wohlstandsentwicklung, die enttäuscht wurden. Da ist es nicht verwunderlich, dass Kräfte wie die AfD Rückenwind gewinnen, die propagieren: Ihr müsst euch nicht verändern.
Ein generelles Unbehagen mit gesellschaftlichen Entwicklungen und Missständen spielen der AfD in die Hände. Die Partei ist ein Magnet für generelle politische Unzufriedenheit, die sie für sich nutzt.
Die AfD untergräbt unabhängige Wissenschaft und stempelt den Klimaschutz als Ideologie ab. Wie legitim kann eine solche Politik sein?
Axel Salheiser:
Klimaschutz ist eine eminent politische Frage. Auf der einen Seite gibt es naturwissenschaftliche Befunde, aber es gibt auch die Frage, wie darauf reagiert wird und wie die Erkenntnisse in gesellschaftliches Handeln überführt werden.
Viele Menschen haben die Erwartung, dass Politiker:innen jetzt »das Richtige« tun müssen. Wie das Richtige jedoch aussieht, davon gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Egal welcher gesellschaftspolitischen Orientierung wir angehören, wir haben alle die Vorstellung: Politiker:innen sollen das Richtige tun. Doch wie wird gesellschaftlich verbindliches Handeln organisiert? In einer demokratischen Gesellschaft ist Politik eine Suche nach Kompromissen.
Ich habe mich gerade an die Aussage einer Bekannten erinnert, die mir vor Kurzem sagte: »Deutschland kann nicht so viele Klimaflüchtlinge aufnehmen. Wir müssen die Grenzen schließen und die Faulen abschieben, sonst wird es bald kein Deutschland mehr geben.« Wäre das ein Beispiel für eine Aussage, der Klimarassismus zugrunde liegt?
Axel Salheiser:
Es ist jedenfalls eine übliche Strategie ökofaschistischer Rechter, die behaupten, dass der übermäßige Konsum und die Emissionen durch das Bevölkerungswachstum zustande gekommen seien. Sie argumentieren: Wenn die Bevölkerungsgröße – aus rassistischer Perspektive – auf ein gesundes Maß zurückschrumpfen würde, wäre es leichter, Lösungen für die Probleme zu finden, oder die Emissionen wären zumindest steuerbarer. Das ist Abschottungspolitik, die mit der ökologischen Frage und Klimaschutzpolitik verbunden wird. Und das ist durchaus anschlussfähig. Darin liegt die Gefahr.
4 Erzählungen, die von Klimaschutz-Bremser:innen gern verwendet werden:
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Bald kommen Familien für die Feiertage zusammen. Was würden Sie auf so eine Aussage antworten, wenn sie von Verwandten geäußert wird?
Axel Salheiser:
Ich würde entgegnen, dass es eine fehlerhafte Darstellung ist, und erklären, dass Menschen nicht den gleichen ökologischen Fußabdruck haben. Natürlich ist es kompliziert, wenn man mit sachlichen Argumenten gegen Emotionen und Verkürzungen argumentieren möchte. Aber diese Dinge sind komplex. Aus populistischen, negativen und nicht von Fakten geleiteten Argumentationen lässt sich leicht eine eigene Wahrheit basteln. Daher ist es wichtig, dagegen vorzugehen.
Migration zu verhindern, würde das Problem nicht lösen. Man muss schauen, wer die Verursacher von Klimaproblemen, in diesem Fall Emissionen, sind. Global gesehen sind es die wohlstands- und wachstumsorientierten, industriekapitalistisch geprägten Gesellschaften im Globalen Norden. Innerhalb von Deutschland sind es die reichen Teile der Bevölkerung, die am meisten konsumieren und klimaschädliche Emissionen ausstoßen. Die migrantisch geprägte Bevölkerung gehört nicht dazu.
Es entspricht also einer rechten Sündenbock-Konstruktion, mit dem Finger auf Migrant:innen zu zeigen.
Wie können wir gegen die gezielte Klima-Desinformation und Propaganda vorgehen?
Axel Salheiser:
Besonders wichtig sind Gegenerzählungen. Ihnen muss Raum gegeben werden. Toxische Narrative und auch durchaus , die mit den Ängsten der Menschen spielen, gewinnen Raum in den Medien und schaffen den Eindruck, dass es sich um normale Meinungen handelt.
Ein Beispiel sind die Diskussionen um einen , der mit dem Ausstieg aus der Atomkraft und dem Umstieg auf erneuerbare Energien drohen könnte. Dieser Diskurs war in der Mitte der Gesellschaft angekommen, weil er von Rechtsextremen wie der AfD und anderen Akteuren gezielt gesetzt worden war. Sie haben die Ängste und Sorgen der Menschen instrumentalisiert. Wenn dann noch andere Politiker:innen und Medien aufspringen, bekommt die gesellschaftliche Debatte schnell eine Schieflage.
Dem kann entgegengewirkt werden – und zwar sachlich und faktenbasiert. Das hilft vor allem bei Menschen, die einem Thema noch indifferent gegenüberstehen oder in ihrer Meinung nicht gefestigt sind. Sie können sich von toxischen Narrativen, Desinformation und Hetze abbringen lassen. Wir können die Diskurskultur also stabilisieren, indem wir Gegengewichte bei Streitthemen bilden, etwa bei Klimagerechtigkeit und -schutz. Wir brauchen neben dem Alarmismus eine positive und emotionalisierende Gegenberichterstattung, auch in den sozialen Medien. Wenn es um die ökologische Transformation der Gesellschaft geht, dürfen nicht nur Einschränkungen und Risiken thematisiert werden, sondern es müssen auch Chancen und Entwicklungspotenziale benannt werden.
Haben Sie noch eine andere Idee, wie es gelingen kann, Menschen für die grüne Transformation zu gewinnen?
Axel Salheiser:
Es wird immer Menschen geben, die strikt dagegen sind, was demokratisch beschlossen wurde. Ziel sollte es aber trotzdem sein, alle mitzunehmen. Wir sollten nicht einfach akzeptieren, wenn Minderheiten ein großes Unbehagen fühlen oder Verweigerungstendenzen aufweisen. Das kann den gesamten Prozess lähmen oder gar gefährden. , dass Menschen sich damit anfreunden können, das Notwendige mitzutragen. Wie genau die grüne Transformation aussieht, darüber sollte sogar gestritten werden.
Wir dürfen uns von Diffamierungen nicht ins Bockshorn jagen lassen. Wir können uns auch nicht damit zufriedengeben, dass die Mehrheit der Deutschen für Klimaschutz ist. Das ist sie schon lange. Es gelingt aber einer kleinen Minderheit schon seit Jahrzehnten, Klimaschutz auszubremsen. Erst seit wenigen Jahren reden wir stärker darüber. Wenn wir Klimarassismus als globale Struktur im Hintergrund sichtbarer machen können, ist das gut – aber wir müssen auch handeln.
Was wir der AfD entgegensetzen können und wie wir mit ihr umgehen sollten? Das hat mein Kollege Dirk Walbrühl in diesem Artikel festgehalten:
Der Klimawandel hat bereits viele Kipppunkte erreicht. Die gute und die schlechte Nachricht zugleich: Er ist menschengemacht. Wir können also etwas dagegen tun. Als Umweltjournalistin geht Désiree folgenden Fragen nach: Wie können wir unseren Konsum nachhaltiger gestalten? Was müssen Firmen tun? Und wo muss sich das System ändern? Denn jeder Mensch und jedes Unternehmen kann Teil des Problems sein – oder der Lösung.