Mit diesem Zaubermittel erlebst du dein grünes Wunder
Es macht dich glücklich und gesund. Und die Pharmaindustrie verdient keinen Cent daran.
Keine 2 Stunden sind vergangen und die Alltagssorgen sind weit weg. Ich halte einen Moment inne, um zu verstehen, warum ich mich so sorgenfrei fühle. Warum ich den Ärger und Stress der letzten Tage plötzlich einordnen kann. Natürlich lassen sie mich nicht kalt, aber die negativen Gedanken beherrschen nicht länger mein Denken. Im Gegenteil. Ich fühle mich tatkräftig und fast ein wenig angriffslustig gegenüber den Herausforderungen meines Lebens. Das wäre doch gelacht!
Der Wind streicht mir sanft über die Arme, alles um mich herum ist satt grün. Nein, ich habe keine bunten Pillen oder
Zumindest haben wir ihn so getauft, den Wald des Gauja-Nationalparks gut 50 Kilometer von der lettischen Hauptstadt Riga entfernt, den wir gemeinsam durchstreifen. Einfach weil er uns irgendwie verzaubert.
Weil ich aber nicht an Magie glaube, will ich herausfinden, was hinter dem Zauber steckt – und entdecke: Der
Während in Japan sogenanntes
Dabei geht es um mehr als ein paar Hippies, die Bäume umarmen und Lieder singen. Brauchen wir als moderne Menschen des 21. Jahrhunderts »Natur auf Rezept«?
Der »offizielle Beweis«
»Wir haben Ergebnisse von mehr als 140 Studien ausgewertet […], um zu verstehen, ob Natur wirklich die Gesundheit stärkt.« – Caoimhe Twohig-Bennett, britische Umweltwissenschaftlerin
Wer schon einmal versucht hat, jemandem von der beruhigenden, irgendwie heilsamen Wirkung eines Waldspaziergangs zu erzählen, kennt das; diesen Mix aus peinlich berührtem und bemitleidendem Lächeln im Gesicht des Gegenübers. Frei nach dem Motto: »Ja ja, gehe du mal in den Wald.« Irgendwie haftet dem Wald und der Natur noch immer etwas von »öko« an – und seit einiger Zeit auch vom gestressten Manager, der sich unter den Baumkronen ein paar Stunden
Ganz ohne Hippie- oder Manager-Allüren haben 2 britische Umweltwissenschaftler jetzt nicht nur den »offiziellen Beweis« dafür geliefert, dass sich Zeit im Grünen positiv auf unsere Gesundheit auswirkt, sondern auch erstmals systematisch diese Auswirkungen auf verschiedenste Gesundheitsaspekte untersucht.
Dafür haben sie Daten aus über 20 Ländern inklusive Deutschland, Großbritannien, den USA, Spanien und Japan von
- leiden seltener an Diabetes II und Herz-Kreislauf-Krankheiten,
- haben einen niedrigeren Puls und Blutdruck,
- bekommen mehr Schlaf,
- sterben seltener früh,
- haben weniger Frühgeburten,
- stehen weniger unter Stress (gemessen am Cortisol-Gehalt im Speichel).
So weit, so gut. Die Ergebnisse sagen aber nichts darüber aus, wie Natur und Grünflächen unsere Gesundheit fördern – oder
Das wäre ein berechtigter Einwand, wären da nicht die zahlreichen kurz- und langfristigen Wirkungen, die die Natur auf uns zu haben scheint …
Bei den Wirkungen kann keine Pille mithalten
Die Vermutung, dass uns Grünflächen guttun, ist nicht neu: Schon um das Jahr 1800 sprachen Londoner Organisationen von Parks als »Lungen« der Stadt und setzten sich für ihren Ausbau und Erhalt ein. Zu Recht, denn schon eine geringe Dosis »Natur« oder »Grün« wirkt. Bereits 5–20 Minuten, die ein Mensch in einer Waldlandschaft verbringt, sorgen für positive Effekte, zum Beispiel:
- Blutdrucksenkend und regenerierend: Ein entspannter Waldspaziergang wirkt sich im Vergleich zum Stadtspaziergang
- Frisch und erholt: Um Stress und Anspannung hinter sich zu lassen, muss es also nicht gleich eine 7-Stunden-Wanderung sein. Schon ein kleiner Abstecher in den Wald verstärkt zahlreiche positive Gefühle und verringert die negativen. Wir fühlen uns erfrischter, erholter, tatkräftiger und weniger gestresst;
- Abwehr gegen Infektionen und Krebs: Nachdem japanische Geschäftsmänner 3 Tage lang 2-mal pro Tag wandernd im Wald unterwegs waren, hatte sich die Anzahl ihrer sogenannten
- Bessere Heilung: Schon im Jahr 1984 untersuchte der schwedische Architekturprofessor Roger Ulrich die heilende Wirkung einer »Sicht ins Grüne« in einem amerikanischen Krankenhaus. Dazu verglich er die Daten von
Die Liste ließe sich noch fortsetzen. Aber genau wie der Waldspaziergang soll das Lesen dieses Artikels nicht gleich 7 Stunden dauern. Und während ich mich in den letzten Wochen immer wieder ein wenig wehmütig an den »Zauberwald« und das Gefühl erinnere, das ich mit ihm verbinde, lerne ich bei meiner Recherche, dass
Ähnliches gilt für virtuelle Waldumgebungen, auch sie
Wie bei allen guten Dingen im Leben reicht auch beim »Zaubermittel Wald und Natur« die einmalige Verabreichung nicht aus, um ihre ganze Wirkung zu entfalten. Genau das legt nicht nur die anfangs genannte, groß angelegte Studie zu den positiven Auswirkungen eines Wohnorts in der Nähe von Grünflächen nahe. Zahlreiche Studien zu den Auswirkungen von Aufenthalten im Grünen zeigen, dass
Mit meiner 7-Stunden-Wanderung im »Zauberwald« habe ich mir also möglicherweise eine doppelte Dosis Gesundheit verabreicht – inklusive Waldgeräuschen und Mückenstichen. So bleibt die Frage: Wie macht der Wald das?
Wie schafft der Wald das?
»Die Wirkung der Natur auf unser Gehirn zu studieren, ist tatsächlich eine skandalös neue Idee.« – Richard Louv, Autor von »The Nature Principle«
Natur und Wald als Medizin zu sehen, ist nicht nur relativ neu, sondern für viele Menschen zunächst eine befremdliche Idee. Schließlich lassen sie sich nicht in eine Pille pressen. Und das, obwohl 2 amerikanische Psychologen schon in den
Gegen die mentale Erschöpfung wirkt ein Ausflug in die Natur oder schon das Betrachten von Naturbildern. Beides hilft uns, uns wieder
Der Japaner
Ebenfalls aus der Heimat des Waldbadens Japan stammt die
So nutzen wir die Natur-Pille
Während ich also ein wenig sehnsüchtig die Topfpflanzen in meinem Büro anschaue – aktuell immerhin 7 an der Zahl –, frage ich mich, wie wir den Wald in die »Pille« bekommen, also systematisch in unseren Alltag einbinden. Denn im Gegensatz zu den meisten Medikamenten, die wir sonst so kennen, hat er (noch) einen wichtigen Vorteil.
Es besteht keine Gefahr der Überdosierung:
Worauf warten wir also noch?
In Japan ist das »Waldbad auf Rezept« Alltag, fast jeder vierte Japaner nimmt in irgendeiner Form »Waldbäder« zu sich, zum Beispiel, indem er wie
Träumen wir also einen Moment und stellen uns vor, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse zur medizinischen Wirkung von Wald und Natur dafür sorgen werden, dass wir demnächst auch Waldbäder verschrieben bekommen, dass Städte so geplant werden, dass wir
»Wir hoffen, dass unsere Forschung Menschen inspiriert, mehr vor die Tür zu gehen und den gesundheitlichen Nutzen davon selbst zu spüren.« – Caoimhe Twohig-Bennett, britische Umweltwissenschaftlerin
Bis es soweit ist, müssen wir nicht alle umziehen, sondern bekommen schon durch kleine Veränderungen im Alltag die Wirkungen des Zaubermittels (fast) für lau. Sei es durch
Mein Blick bleibt wieder an den Zimmerpflanzen hängen. Gar nicht so dumm also. Das Gleiche gilt für mein Hintergrundbild am Bildschirm. Das zeigt die Baumkronen im »Zauberwald«.
Keine Zeit für einen Spaziergang? Dann nehme ich dich mit diesen 5 Bildern mit in den »Zauberwald«!
Mit Illustrationen von Adrian Szymanski für Perspective Daily