»Wer Europa mögen soll, muss in Europa einen Nutzen sehen«
Ein europäisches Internet könnte die Bürgerinnen und Bürger der EU näher zusammenbringen – und dabei Facebook und Netflix Konkurrenz machen.
Was fehlt der EU zu einer lebendigen Demokratie? Vor allem eine europäische Öffentlichkeit mit allem, was dazugehört: Diskussionen, Streit, der Austausch von Ideen und Erfahrungen, gegenseitige Inspiration. Bisher findet all das vorwiegend auf nationaler Ebene statt. Die Europäer reden viel über-, aber wenig miteinander.
Der Politikberater Johannes Hillje hat eine Idee, wie diese Lücke zu schließen wäre: mit, auf und über eine Plattform Europa. Die soll mehr sein als ein europäisches Facebook, nämlich eine komplette digitale Infrastruktur für alle Europäerinnen und Europäer – mit Nachrichten, Unterhaltung, sozialen Netzwerken, Beteiligungsmöglichkeiten und Anwendungen, die den Nutzen der europäischen Integration erfahrbar machen, zum Beispiel bei der Jobsuche.
Wer Europa mögen soll, muss in Europa einen Nutzen sehen. Wer europäisch fühlen soll, muss Europa erfahren können. Wer europäisch denken soll, muss europäisch handeln können.
70 Tage vor der Europawahl habe ich Johannes Hillje in Berlin getroffen, um mit ihm über die Potenziale einer Plattform Europa zu sprechen.
Macron hat das in gewisser Weise geschafft, aber er musste den Umweg über 28 nationale Zeitungen gehen und hatte nicht ein zentrales europäisches Medium, über das er seinen Beitrag ausspielen konnte.
Ein wirklich europäischer Wahlkampf müsste aber nicht nur ein TV-Duell, sondern einen ständigen Wettstreit zwischen Kandidierenden aus ganz Europa ermöglichen – nicht nur aus dem eigenen Land. Das hieße zum Beispiel auch, dass deutsche Bürger den Kandidaten der europäischen Sozialdemokraten für die EU-Kommissionspräsidentschaft, Frans Timmermanns, regelmäßig befragen können. Der sollte nicht nur in den Niederlanden zu sehen, sondern für alle Europäerinnen und Europäer ansprechbar sein.
Und natürlich sollten in den deutschen Medien genauso Kommentatoren aus Italien, Griechenland, Dänemark und Ungarn zu Wort kommen, um wirklich eine europäische Sicht auf Politik zu bekommen.
Das Interessante an der Digitalisierung ist ja, dass wir noch nie so einfach
Wir haben auf Facebook Freunde in allen Ländern der Welt. Es ist ein Versäumnis der europäischen Politik, dass man diese Möglichkeiten der grenzenlosen und nationenlosen Kommunikation noch nicht intensiver für die europäische Integration genutzt hat. Die Abwesenheit einer europäischen Öffentlichkeit wurde ja schon immer als ein zentrales Hindernis für die Entstehung einer wirklichen europäischen Demokratie gesehen. Demokratie braucht Öffentlichkeit, das ist völlig klar.
Titelbild: Yolanda Sun - CC0 1.0