Mental Load: Gleichberechtigung funktioniert nur, wenn alle mitdenken
Um das tägliche Miteinander zu organisieren, ist viel Gedankenarbeit nötig, die hauptsächlich von Frauen geleistet wird. Wie lässt sich das ändern?
Vor etwa 3 Jahren sind mein Mann und ich knapp an einer Ehekrise vorbeigeschrammt. Wir waren beide erschöpft und frustriert. Nach unserem Umzug in die USA hatte es mich viel Kraft gekostet, unser Familienleben in einem neuen Land zu organisieren und ein soziales Netz aufzubauen. Ich war oft rund um die Uhr beschäftigt, hatte aber meist trotzdem das Gefühl, nichts erreicht zu haben. Währenddessen fühlte sich mein Mann fast erdrückt von der finanziellen Verantwortung, die er allein für uns trug. Wir waren beide in unseren Hamsterrädern gefangen und sahen keinen Ausweg.
Irgendwann in dieser Zeit kam mir zum ersten Mal der Begriff »Mental Load« (auf Deutsch etwa: »mentale Belastung«) unter. Gemeint ist damit die Gedankenarbeit, die notwendig ist, um den Haushalt und das alltägliche Zusammenleben zu organisieren. Plötzlich war mir klar, wohin meine ganze Energie ging und dass ich sehr wohl etwas leistete. Ich investierte beispielsweise viel Zeit, um eine Einkaufsroutine zu entwickeln, die sowohl unseren Bedürfnissen, unserem Budget als auch unseren Werten entsprach. Dafür recherchierte ich Läden und Lieferangebote, hörte mich bei Freund:innen um und probierte einiges aus. Ich plante, sah Entwicklungen voraus, fand Lösungen und traf Entscheidungen. Alles Dinge, wofür in anderen Berufen, etwa als Manager:in, gutes Geld gezahlt wird. Klar, wenn ich Fehlentscheidungen traf, hielt sich der finanzielle Schaden in Grenzen – dafür aber trug ich die Verantwortung für ein Menschenleben.
Wie mentale Belastung entsteht
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily