So macht künstliche Intelligenz unsere Welt besser
Google, Facebook und Co. scheffeln mit unseren Daten Milliarden. Dabei kann künstliche Intelligenz viel mehr – zum Beispiel alle satt machen.
– Frederik Harder, Master-Student in Amsterdam
Wie Filterblasen online funktionieren, beschreibt Dirk Walbrühl hier
Filterblasen,
personalisierte Werbung und Wahlmanipulation: Tech-Unternehmen wie Facebook oder Beratungsfirmen wie verstehen es, künstliche Intelligenz zu ihren Zwecken zu nutzen. Ihre Analysen von Daten greifen gezielt und tief in unsere gesellschaftlichen Strukturen ein. Das Problem dabei ist aber nicht die künstliche Intelligenz selbst, sondern die Fragen, die ihr gestellt werden:Das Problem ist nicht die künstliche Intelligenz selbst, sondern die Fragen, die ihr gestellt werden.
»Wie können wir schneller wachsen?«, »Wie können wir mehr Profit machen?«
Wie sehen die Ergebnisse aus, wenn wir stattdessen fragen: Wie wir am besten helfen, fragt der sogenannte Effektive Altruismus »Wie können wir besser darin werden, Gutes zu tun?«
Was Werbung und Weltretten verbindet
Daten sammeln, Muster erkennen und Vorhersagen treffen. Das sind die 3 Schritte, die es Google, Facebook und Co. ermöglichen, Zusammenhänge im Verhalten und den Interessen von Menschen zu erkennen. Dieselben 3 Schritte können aber auch dabei helfen, andere Systeme zu verstehen: soziale Strukturen, Versorgungsketten oder Ökosysteme. Fangen wir also mit ein wenig Theorie an:
Schritt 1: Daten sammeln
Hier spricht der Technologie-Kritiker und »Privatsphäre-Designer« Tijmen Schep über die Macht der Daten (englisch, 2016) Daten sind die Währung des Internet-Zeitalters. Unsere Online-Aktivitäten verraten den Datenhändlern, wohin wir gehen, mit wem wir befreundet sind, was wir kaufen (werden), was uns interessiert. So stellen Firmen ein buntes Mosaik aus Informationsschnipseln über jeden einzelnen Internetnutzer zusammen. Noch detaillierter wird das Bild, und ihre Kunden über verschiedene Geräte – Laptop, Smartphone und Tablet – hinweg
Rohdaten allein liefern aber noch keine Erkenntnisse – dabei hilft der nächste Schritt.
Schritt 2: Muster erkennen
Die Mengen an Rohdaten – auch
genannt – sind schlicht zu riesig und komplex, um sie manuell auszuwerten. Hier kommt die künstliche Intelligenz ins Spiel:Eine künstliche Intelligenz findet auch Zusammenhänge, die sich dem Menschen nicht erschließen.
Gegenüber Menschen haben sie einen entscheidenden Vorteil: Wir leiten uns Zusammenhänge meist anhand von nur 2 Faktoren und wenigen Beobachtungen her. Vielleicht beobachten wir im Sommerurlaub ein paarmal Italiener, die lautstark über Spaghetti oder Risotto sprechen und schlussfolgern: »Italiener reden gern über Essen.« Oder wir begegnen auf dem Wochenendausflug nach Rotterdam trotz strömenden Regens einer Handvoll Fahrradfahrer und denken: »Niederländer fahren viel Fahrrad.« Die Ergebnisse unserer Alltagsstatistiken sind zwangsläufig ein stark vereinfachtes Bild der Wirklichkeit.
Eine künstliche Intelligenz kann dagegen innerhalb von kürzester Zeit Datensätze von Millionen von Beobachtungen auswerten und dabei zahlreiche Faktoren berücksichtigen, die miteinander im Zusammenhang stehen. Dabei findet sie logischerweise auch Zusammenhänge, die sich uns nicht erschließen. Warum das nützlich sein kann, zeigt der letzte Schritt.
Schritt 3: Vorhersagen treffen
Sind die Muster erkannt, können dem Programm präzise Fragen gestellt werden. Zum Beispiel: Welche Nutzer schwärmen für Katy Perry? Wer sind potenzielle Kunden für die neue Schwulenbar? Wen überzeugt das Bildungsprogramm der Grünen? Als Antwort spuckt das Programm eine Vorhersage aus. Zum Beispiel: »Männer mittleren Alters mit vielen Facebook-Freunden, die gern World of Warcraft spielen, interessieren sich für Katy Perry«.
Solche Aussagen können sehr präzise sein, und doch sind sie reine Statistik, keine Hellseherei. Auch unsere politischen Einstellungen und sexuellen Neigungen sind nicht dem Zufall überlassen: Was uns interessiert, beeinflusst, welchen Links wir folgen, und was wir uns auf Youtube anschauen, lässt sich anhand von Daten vorhersagen.
»Künstliche Intelligenz ist keine Magie, sondern Mathematik!« – Jim Stolze, Gründer von AI For Good
Tech-Unternehmen wie Facebook gefällt das. Denn präzise Vorhersagen über menschliches Verhalten sind die eigentlichen Produkte, mit denen sie Geld verdienen. Werbekunden von Facebook und Google können so genau auswählen, welcher Zielgruppe sie ihre Werbebotschaften senden. Zur Einordnung: Facebook bezieht 97% seiner Einnahmen aus Werbung. Bei Alphabet, der Mutterfirma von Das Handelsblatt berichtet über die »Unheimliche Macht« der Daten (2017) machen die Werbeerlöse 88% des Umsatzes aus. Zielgerichtete Werbung ist eine Goldgrube, die Tech-Firmen mit dem Werkzeug der künstlichen Intelligenz systematisch ausheben.
Doch genauso wie unser Verhalten vorhersehbar ist, sind auch andere Aspekte der Welt vorhersehbar: Statt mit deinen Klickprofilen kann künstliche Intelligenz ebenso mit Daten über das Klima, über die Verteilung von Geld oder über die Routen von Geflüchteten gefüttert werden. Auch darin kann sie Wie es ums Klima bestellt ist, erfährst du hier anhand der wichtigsten Langzeitdaten Muster erkennen und vorhersagen, wie sich Klima, oder Migration entwickeln werden. Statt nur Nutzerprofile zu optimieren und Werbeeinnahmen zu maximieren, kann sie so einen echten gesellschaftlichen Mehrwert schaffen. Dass das nicht nur in der Theorie funktionieren kann, zeigen innovative Organisationen weltweit schon jetzt.

Datenanalyse trifft auf Aktivismus
Jake Porway ist Gründer des US-amerikanischen Start-ups
Hier schreibt Maren Urner, wie wir alte Gewohnheiten loswerden können
alten Gewohnheiten
und Bauchgefühl zu beharren. Der Startpunkt dafür sind sogenannte zu denen das Start-up einlädt. Dabei setzen sich Aktivisten und ehrenamtliche Programmierer 48 Stunden lang zusammen, Jake Porway bringt mit künstlicher Intelligenz Menschen zusammen, die sich normalerweise nicht begegnen würden.
um sich gemeinsam mit einem Problem zu beschäftigen, das eine gemeinnützige Organisation zu lösen versucht. Das Ziel dabei ist es, dass die Entwickler die Rohdaten zu anschaulichen Landkarten und Statistiken umwandeln, um so einen besseren Blick auf das Problem und potenzielle Lösungen zu bekommen.
Viele der freiwilligen Mitarbeiter des Projekts arbeiten eigentlich für renommierte Tech-Unternehmen, wo sie sich den typischen Anwendungen von Big Data widmen, sprich meist Werbung. Ihr Anreiz, bei DataKind mitzumachen, ist die Chance, ihre Fähigkeiten für einen guten Zweck einzusetzen anstatt bloß Klicks zu generieren.
Natürlich lassen sich viele Probleme nicht an einem Wochenende lösen. Die Treffen sind aber häufig der Beginn eines größeren Prozesses und setzen ein Umdenken innerhalb der wohltätigen Organisationen in Gang. Diese lernen, dass sie das Potenzial, das in ihren Daten schlummert, nutzen können, um ihre Arbeit zu verbessern.
Auch in Europa sammeln sich immer mehr junge Firmen und Initiativen, die Aktivismus und Datenanalysen verknüpfen. Dazu gehören diese 3:
- Vorbild DataKind: Der Mathematiker Daniel Kirsch hat in Berlin die Organisation Hier geht es zum Interview mit Daniel Kirsch aus Berlin Data Science for Social Good (DSSG) gegründet. Nach dem amerikanischen Vorbild bringt sein Team ehrenamtliche Programmierer und soziale Organisationen zusammen.
– Daniel Kirsch, Gründer von DSSG
- Studenten lösen Probleme: Unternehmer Jim Stolze verfolgt in Amsterdam mit der Plattform AI for Good Die Plattform AI for Good aus Amsterdam bringt Informatikstudenten und wohltätige Organisationen zusammen (englisch) ein ähnliches Ziel. Er gibt Informatikstudenten die Chance, ihre theoretischen Kenntnisse in der Praxis anzuwenden. In Zusammenarbeit mit wohltätigen Organisationen befassen sie sich mit realen Problemen durch Datenanalysen.
- Die UN geht die großen Themen an: Das Programm Global Pulse hat das bescheidene Ziel, die Das UN-Programm Global Pulse will humanitäre Probleme mithilfe von Daten lösen (englisch) größten Herausforderungen der Menschheit mithilfe von künstlicher Intelligenz zu lösen – vom Welthunger bis hin zur Erderwärmung. In weltweiten Projekten wertet die UN zum Beispiel Beiträge auf Twitter aus, Hier schreibt Peter Dörrie über die Möglichkeiten, Konflikte vorherzusagen um in Echtzeit festzustellen, wo soziale Konflikte drohen, wo Naturkatastrophen geschehen oder wie sich Krankheiten ausbreiten. Diese Analysen sollen besonders in Entwicklungsländern Regierungen und Organisationen dabei helfen, Wie digitale humanitäre Hilfe funktioniert, beschreibt Gastautorin Franziska Grillmeier hier an lokalen Brennpunkten humanitäre Hilfe zu leisten.
– Robert Kirkpatrick, Leiter von Global Pulse
Das alles klingt vielversprechend, aber wie können so Warum wir gegen Hunger nicht mehr machtlos sind, schreibt Peter Dörrie hier Hunger und globale Erwärmung gestoppt werden?
Mit künstlicher Intelligenz für nachhaltige Landwirtschaft
Wie das ganz konkret aussehen kann, zeigt uns Tom, seines Zeichens leidenschaftlicher Umweltaktivist. In wohltätigen Projekten weltweit setzt er sich für
Hier schreibt Felix Austen über Modelle nachhaltiger Landwirtschaft
nachhaltige Landwirtschaft
ein. Obwohl er mit vollem Herzen dabei ist, beschleicht ihn manchmal das Gefühl, dass sein Team gar nicht weiß, wo es anfangen soll, um die zahllosen Teilprobleme zu lösen. Oft können er und seine Kollegen vor Ort die Auswirkungen ihres Handelns schlichtweg nicht abschätzen. Umweltaktivist Tom trifft auf Programmiererin Andrea. Mithilfe der KI entwickeln sie Lösungen.
Auf einem »Data Dive« trifft er auf Andrea, Programmiererin in einer Tech-Firma im Silicon Valley. Gemeinsam kombinieren sie Toms Fragestellungen und Andreas Erfahrungen mit »intelligenter« Datenanalyse, um Lösungsansätze zu entwickeln.
Beispiel 1: Rodung stoppen
Tom: »In Indonesien
Dadurch wird das lokale Ökosystem gefährdet und es werden hohe Mengen an CO2 freigesetzt. Was können wir dagegen tun?«
Daten sammeln: Andrea und Tom machen sich auf die Suche nach Satellitendaten aus den letzten Jahrzehnten. Anhand dieser Daten finden sie heraus, wo in den letzten Jahren illegale Palmölplantagen entstanden sind.
Muster erkennen: Andrea kombiniert die Daten über Palmölplantagen mit Informationen der indonesischen Regierung, die anzeigen, welche Waldgebiete geschützt sind. Sie entwickelt ein Programm, das lernt, wie sich die Umgebung verändert, bevor eine illegale Plantage entsteht, etwa durch den Bau neuer Straßen im Dschungel.
Vorhersagen treffen: Das Programm kann nun vorhersagen, wo in Zukunft in geschützten Bereichen neue Plantagen entstehen könnten. Auf dieser Basis kann Toms Organisation die indonesische Regierung gezielt beraten: Welche Gesetze müssen umgesetzt werden, um illegale Brandrodung zu vermeiden und das Klima zu schützen?
Wer macht es möglich? Die Plattform Global Forest Watch Die Plattform Global Forest Watch wurde vom World Resource Institute ins Leben gerufen (englisch) liefert die nötigen Daten für eine solche Analyse. Auf interaktiven Karten kann jeder die Rodung von Wäldern weltweit über die letzten 16 Jahre hinweg nachverfolgen und sich die Standorte von Palmölplantagen und Minen ansehen. Die Initiative wertet Daten über illegale Brandrodung aus und setzt zudem Regierungen unter Druck, damit sie Daten, die für solche Auswertungen relevant sind, veröffentlichen.
Beispiel 2: Weniger Pestizide
Tom: Wie der Einsatz von Pestiziden mit KI optimiert werden kann (englisch) »Viele Landwirte benutzen Pestizide überall, ohne die Folgen zu berücksichtigen. Sie denken nicht darüber nach, Das hat weitreichende Folgen für die Insekten, wie Felix Austen hier schreibt wo Pestizide tatsächlich gebraucht werden.«

Daten sammeln: Tom sammelt Daten von Landwirten weltweit über die Zusammensetzung von Feldern, die Beschaffenheit des Bodens und Krankheiten der Feldpflanzen.
Muster erkennen: Dann entwickelt Andrea ein Programm, das Muster in diesen Daten lernt. Welche Krankheiten entwickeln sich unter welchen Bedingungen?
Vorhersagen treffen: Mithilfe des Programms entwirft Andrea einen individuell zugeschnittenen Plan, auf welchem Feld ein Landwirt wie viel von welchen Pestiziden und Düngemitteln anwenden sollte, um optimale Ernten zu erzielen. Mit diesem Werkzeug an der Hand können Andrea und Tom zweierlei erreichen: Erstens belasten die Landwirte die Umwelt weniger durch zu viele oder Studie über den Zusammenhang von Pestizideinsatz und Erträgen in konventionellen Betrieben (englisch, 2017) falsch eingesetzte Chemikalien. Und zweitens verlieren sie weniger Ernte dadurch, dass ihre Pflanzen erkranken oder sich zu viel Unkraut breitmacht.
Wer macht es möglich? Die Gründer der Schweizer Firma Gamaya Gamaya benutzt Datenanalysen, um den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln zu optimieren haben diese Idee zu ihrem Geschäft gemacht. Sie setzen Drohnen ein, die über die Felder ihrer Kunden fliegen und Bilder erstellen. Aus diesen Daten wird vor Ort ein individueller Plan für den optimalen Einsatz von Chemikalien erstellt.
Beispiel 3: Lebensmittel-Abfälle vermeiden
Tom: »1/3 unserer Lebensmittel landen auf dem Müll. Auch du wirfst jeden Tag 2 Kilo Essen weg, wissen Peter Dörrie und David Ehl None Kann künstliche Intelligenz uns dabei helfen, diesen Anteil zu reduzieren?«
Daten sammeln: Tom überzeugt eine Supermarkt-Filiale vor Ort, an einem Experiment teilzunehmen. Er verspricht, die Lebensmittelabfälle des Unternehmens zu reduzieren. Im Gegenzug erhält er die Verkaufsstatistiken des Marktes der letzten 3 Jahre.
Muster erkennen: Andrea entwirft mit den Daten ein Programm, das lernt, an welchen Tagen was gekauft wird. Die Ergebnisse werden davon beeinflusst, wie viel in der Vergangenheit gekauft wurde, aber auch von anderen Faktoren wie Wetter, Jahreszeit und den Angeboten der Konkurrenz.
Vorhersagen treffen: Das Programm erstellt wöchentliche Vorhersagen zum Konsum jedes einzelnen Produktes und der Filialleiter beginnt, seine Einkäufe an diese Prognosen anzupassen. Schnell erkennt er den Vorteil, der ihm dadurch entsteht, und andere Filialen übernehmen die Strategie, um ebenfalls besser zu planen und weniger wegschmeißen zu müssen. Das Programm, das ständig an neuen Daten lernt, trifft immer bessere und genauere Vorhersagen, sodass mit der Zeit immer weniger Produkte im Müll landen.
Wer macht es möglich? Die Firma FoodTracks im westfälischen Münster Das Münsteraner Start-up FoodTracks optimiert Einkäufe für Bäckereien kämpft gegen die Verschwendung von Lebensmitteln in Bäckereien. Mithilfe künstlicher Intelligenz optimieren die Informatiker die Einkäufe von Brot, Kuchen und Brötchen, sodass am Ende des Tages weniger übrig bleibt.
– Tobias Pfaff, Mitgründer von FoodTracks
Das volle Potential der KI heißt nicht, dass wir nichts mehr entscheiden
Vom Acker bis ins Ladenregal – Wir müssen lernen, Statistiken und Datenanalysen mehr zu vertrauen als alten Gewohnheiten und unserer Intuition.
alle Bereiche, in denen Menschen Entscheidungen treffen müssen, die auf komplexen Zusammenhängen basieren. Damit das im großen Stil funktioniert, müssen nur noch die Anwender – also wir –
Warum denkst du, dass du recht hast, fragen dich Maren Urner und Han Langeslag hier
lernen, Statistiken und Datenanalysen mehr zu vertrauen als alten Gewohnheiten und der eigenen Intuition.
Heißt das im Umkehrschluss, wir sollen Maschinen für uns entscheiden lassen? Keineswegs! Das Potenzial liegt in der Kombination aus menschlichen Ideen und Werten auf der einen und der Präzision von Daten auf der anderen Seite. Wie frei unser Wille ist, diskutieren Han Langeslag und Maren Urner hier Künstliche Intelligenz kann uns die Verantwortung nicht abnehmen, uns aber in die Lage versetzen, fundierte und bessere Entscheidungen zu treffen.
Dieser Text ist Teil unserer neuen Serie zum Thema künstliche Intelligenz.Titelbild: pixabay - CC0
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