So beenden wir die Wohnungsnot wirklich
Bezahlbare Wohnungen sind knapp. Fleißiges Bauen und mehr Wohngeld werden das Problem aber nicht lösen.
Hunderttausende von Geflüchteten lösten die Krise aus, die die Bundesrepublik auf Jahre beschäftigen sollte. Unmut über die Neuankömmlinge machte sich in der Bevölkerung breit. Die Politik sah sich zu drastischen Maßnahmen gezwungen.
Wir befinden uns im Jahr 1990. Nach der Wiedervereinigung machten sich Tausende Menschen aus der ehemaligen DDR auf den Weg, um in den attraktiven Ballungszentren im Westen ein neues Leben zu beginnen. Niemand hatte so plötzlich mit so vielen Wohnungssuchenden gerechnet. Die Preise stiegen.
Die Parallelen liegen auf der Hand. Nur gelten heute, im Jahr 2018, so viele Menschen wie noch nie als wohnungslos:
Anders als noch im Jahr 1990 betrifft die heutige Wohnungsnot aber nicht nur die Ärmsten. Längst haben auch Familien mit 2 Erwerbstätigen Probleme, in Städten wie München, Berlin oder Düsseldorf eine bezahlbare Unterkunft zu finden.
Der am vergangenen Freitag abgehaltene »Wohngipfel« sollte nun endlich die Wende bringen. Nur: Viele der beschlossenen Maßnahmen sind ausgerechnet dieselben, die uns erst in die Misere befördert haben. Dabei reicht ein Blick in die jüngere Geschichte, um Lösungen zu finden.
Zeit also für eine Zeitreise.
Erster Halt: Wiedervereinigung!
Wohnungskrise? Da war doch mal was
In den 1980er-Jahren lief es noch am deutschen Wohnungsmarkt. Durch jahrzehntelange Anstrengungen waren die Kriegsschäden behoben. Viele Menschen konnten sich sogar den Traum von den eigenen 4 Wänden erfüllen. Da fast alle versorgt waren, lehnte sich die staatliche Wohnpolitik zurück und lockerte die
Die deutsche Einheit setzte eine innerdeutsche Völkerwanderung gen Westen in Gang. Eigentlich waren für die Menschen auch genug Wohnungen vorhanden – nur leider nicht dort, wo sie gern leben wollten.
Die Antwort der Regierung Kohl: den sozialen Wohnungsbau hochfahren, um Wohnungen mit bezahlbaren Mieten zu schaffen. Das ging aber nicht von heute auf morgen. Pläne wollten gemacht, Baukapazitäten geschaffen und – nicht zu unterschätzen – qualifiziertes Personal und Material herangeschafft werden.
Wesentliche andere Maßnahmen gab es damals nicht. So dauerte es bis zum Ende der 1990er-Jahre, ehe sich der Wohnungsmarkt stabilisierte.
Eigentlich hätte es so schön sein können. Doch ab dem Jahr 2008 wendete sich der Trend und der Wohnungsmangel in Deutschland nahm wieder zu – ganz ohne neue Geflüchtete.
Was ist schiefgelaufen?
Die Antwort lautet: einiges. Doch »die da oben« sind nicht an allem allein schuld. Denn einige Entwicklungen der letzten Jahrzehnte haben die Wohnungsnot zusätzlich befeuert:
- Allein lebende Senioren: Immer mehr alte Menschen leben allein. Wenn die Kinder aus dem Haus und der Ehepartner verstorben ist, ziehen nur wenige in kleinere Wohnungen um.
- Singlehaushalte: Immer mehr junge Menschen leben in Einpersonenhaushalten – und teilen sich mit niemandem Küche und Bad. So braucht der Einzelne im Verhältnis mehr Fläche.
War »Zurücklehnen und den Markt machen lassen« wirklich die richtige Idee?
- Einkommensschere: Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter. So steigt die Konkurrenz um
- Normale Zuwanderung: Der Tenor hieß lange: Wir werden immer weniger, also brauchen wir nicht mehr viele Wohnungen. Trotzdem wanderten nach der Wende jedes Jahr mehrere 100.000 Menschen nach Deutschland ein – Menschen
An diesen Punkten ist politisch kurzfristig nicht viel zu drehen und sie allein hätten den Wohnungsmangel auch nicht so verschlimmert. Doch ein Trendsetter spielte noch mit und goss Öl ins Feuer: Vonovia.
Nächster Halt unserer Zeitreise: Ein Abstecher in die 2000er-Jahre.
Wie der große Ausverkauf des »Betongoldes« begann
Die meisten Deutschen haben von
Was soll das Grundrecht auf Wohnen sein? Ein Sozial- oder Spekulationsgut?
Neben Vonovia tummeln sich zahlreiche weitere Immobilienunternehmen wie die Deutsche Wohnen AG (163.000 Wohnungen) oder die LEG (91.000 Wohnungen) auf dem Wohnungsmarkt. Ihre Strategie: im großen Stil Wohnungen in den sogenannten
Und damit wären wir im Jahr 2004 angekommen. In dieser Zeit häuften sich Fälle wie diese: Der damalige Finanzsenator Berlins, Thilo Sarrazin, verkaufte auf einen Schlag 65.000 Wohnungen der damals noch staatlichen GSW Immobilien AG an den
Das ist kein Einzelfall. Durch diverse Deals wie diesen hatten viele Kommunen überall in der Republik die Kontrolle über die eigene Stadt verloren: Je weiter die Zahl der eigenen Sozialwohnungen und öffentlichen Grundstücke zurückging, umso weniger Einfluss konnten sie auf die Entwicklung nehmen.
Auf diese Weise schrumpfte der Bestand von Sozialwohnungen in den letzten 30 Jahren von 3 Millionen auf heute gerade noch
Ein lohnendes Geschäft, bei dem nicht nur die Mieter verlieren, sondern auch die Staatskasse. So gab die öffentliche Hand bereits vor dem massiven Anstieg der Zuwanderung im Jahr 2014 jährlich etwa 16,5 Milliarden Euro für Mietförderungen im Rahmen von
Eine finanzielle Einbahnstraße: öffentliche Mittel, um Renditeerwartungen zu befriedigen
Davon profitieren auch diejenigen, die maßgeblich für das Problem verantwortlich sind: die großen Immobilienunternehmen. Steigen die Mieten aufgrund ihrer Aktivitäten, muss der Staat noch mehr Wohngeld aus Steuermitteln zahlen. Ein willkommenes
Doch das reicht vielen Immobilien-Investoren noch nicht. Viele bezahlen auch eher ungern Steuern auf ihre Renditen: Ein Gutteil der Gewinne fließt durch dubiose Kanäle in Steueroasen wie zum Beispiel
Haben die verantwortlichen Politiker in der Zeit neuer Geflüchteter und explodierender Wohnungspreise ihre Lektion gelernt?
Reisen wir mit unserer Zeitmaschine in die Gegenwart und finden es heraus. Nächster Halt: Wohngipfel 2018!
Bauen, bauen, bauen? – der Wohngipfel 2018
Kanzlerin Angela Merkel will die Wohnpolitik wieder zur Chefsache machen. Zusammen mit Innen-, Heimat- und
Wer profitiert von einem Wohnungsgipfel (fast) ohne Wohnungssuchende?
Bereits vorab versprach die Kanzlerin, nicht zu kleckern, sondern beim Wohnraum zu klotzen. 1,5 Millionen neue Wohnungen sollen bis zum Ende der Legislaturperiode entstehen. Auch der Bauminister favorisiert eine Lösung besonders: bauen.
Das klingt zunächst vielversprechend. Allerdings ist es nicht uninteressant, wer beim Wohnungsgipfel nicht mitreden durfte: die Wohnungssuchenden. Sehen wir also genauer hin, was genau wie und für wen gebaut werden soll.
- Wer entscheidet?
Auf dem Wohnungsgipfel waren die Immobilienunternehmen Vonovia und Co. vertreten, ebenso wie die Verbände der Bauwirtschaft – sie unterhalten beste Kontakte zur Politik. Als Vertreter derer, die betroffen sind und in den Wohnungen wohnen sollen, war einzig der Mieterbund geladen. David gegen Goliath also, denn ganz draußen bleiben mussten die zahlreichen Bürgerinitiativen für bezahlbaren Wohnraum, unabhängige Mietvereine und Vertreter der Wohnungslosen. - Was soll gebaut werden?
1.500.000 neue Wohnungen klingen gut, das macht 375.000 pro Jahr. Nach dem ersten Regierungsjahr sind bisher aber nur 300.000 fertig. Das entspricht lediglich dem steigenden Bedarf, am grundsätzlichen Wohnungsmangel ändert sich dadurch nichts.
Schon vorab nannte Bauminister Horst Seehofer Deregulierung und Entbürokratisierung als Mittel der Wahl, um die ambitionierten Bauziele zu erreichen. Außerdem wurden erhebliche Steuervergünstigungen für Investoren beschlossen, um sie zum Bauen anzureizen. Auch nach dem Gipfel bleibt offen, ob der Bau von Luxuswohnungen, die für die Immobilienunternehmen besonders lukrativ sind, von den dafür versprochenen Förderungen und Steuerentlastungen ausgenommen oder reduziert sind.
Experten für Wohnen und Stadtentwicklung bewerten diesen Weg, ähnlich wie das umstrittene - Für wen wird gebaut?
Auch wenn die Anreize zu mehr Baustellen im Land führen: Für den so dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum sieht es besonders düster aus. So verkündete die Kanzlerin, dass 100.000 neue Sozialwohnungen gebaut werden sollen. Was sie nicht sagte: Das sind weniger als bisher – und bei weitem nicht genug, um dem Schwund entgegenzuwirken. Denn die genannte Zahl bezieht sich auf den Zeitraum bis zum Ende der Legislaturperiode. Im Jahr 2017 wurden zuletzt noch 27.000 Sozialwohnungen fertiggestellt.
Dementsprechend hat der Bund die bisherige Fördersumme von 1,5 Milliarden Euro sogar noch um 33% auf 1 Milliarde Euro reduziert. Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins e. V., findet dafür deutliche Worte: »Ein größeres Armutszeugnis kam man sich selbst gar nicht ausstellen. Es ist gelungen, die Öffentlichkeit zu blenden. Das hat nichts mit der Beseitigung der Engpässe bei preisgünstigen Wohnungen zu tun.«
Fazit:
Soziale Wohnungspolitik gab es auf dem Wohngipfel nicht. Mietsteigerungen werden nicht verhindert, und schon gar keine neuen, bezahlbaren Wohnungen geschaffen.
Die Devise »Einfach mehr bauen!« wird die Wohnungskrise also nicht lösen – zumindest solange private Wirtschaftsinteressen mitdiktieren, wer in den neuen Wohnungen leben darf,
Eine echte Lösung liegt heute auf der Hand – ganz ohne Zeitmaschine.
3 Punkte, um Wohnen wieder zum Sozialgut zu machen
Anstatt den privaten Wohnungsmarkt endgültig von der Leine zu lassen, sollten wir ihm lieber einen Maulkorb anlegen – er hat schließlich in der Vergangenheit bewiesen, dass er ohne Aufsicht nicht kann. Das sehen auch die 200 Wissenschaftler so, die sich in einem Appell in der Zeitschrift suburban für eine »wirklich soziale Wohnungspolitik aussprechen«,
Mit diesem Plan können wir Wohnen für uns und künftige Generationen bezahlbar machen – und dauerhaft profitieren:
- Wohnungen klotzen, aber die richtigen:
Hier darf nicht gespart werden, auch wenn die anfänglichen Investitionen für Kommunen und Bund hoch sind. Wie sehr sich das lohnt, sieht man am Beispiel von Wien. Durchschnittsmiete: 5,68 Euro pro Quadratmeter. Das ist in etwa die Hälfte von dem, was in München fällig wird. Wie das geht? Nur 1/3 der
Gleiches gilt für wertvolles Bauland: Hier schlägt der Deutsche Gewerkschaftsbund vor, dies nicht länger einfach an die Höchstbietenden zu verkaufen, sondern nur an gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen mit sozial
Mehr Wohnraum in öffentlicher Hand - Gemeinnützigkeit stärken:
Wer hier Mieter ist, hat das große Los gezogen: In Regionen mit Wohnungsmangel sind es häufig gemeinnützige Wohnungsunternehmen und Genossenschaften, die noch bezahlbare Wohnungen für Geringverdiener, Studenten und Rentner anbieten. Bund und Kommunen müssen also nicht alles allein machen, sondern können einen Teil der Förderungen und Subventionen hier nachhaltig anlegen.
Zudem gibt es viele Bürgerinitiativen wie das Mietshäuser Syndikat oder die Recht auf Stadt-Bewegungen, die sich bereits heute gegen die Herrschaft des Marktes stemmen.
Die Förderung dieser Zusammenarbeit ließe sich in ein Gesetz gießen, in dem die im Jahr 1988 abgeschaffte sogenannte - Wohnen neu denken:
Schon die 3 kleinen Schweinchen wussten: Wer ein stabiles Haus bauen will, der braucht Steine. Wer viele bauen will, braucht eine ganze Menge Steine, zusätzlich Holz, Beton,Wohnungsbau ist kein Propeller, den man mal eben anwerfen kann
Bei allen ambitionierten Plänen darf also nicht vergessen werden, dass es bereits beim heutigen Bauvolumen zu
Das ist in jedem Fall nachhaltiger, als unnötig neue Flächen mit den falschen Wohnungen zuzupflastern.
Titelbild: Tobias Kaiser - copyright